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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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verstimmte auch sie. Die unbefangene Freude des
Zusammenlebens ging verloren. Anton empfand,
daß er im Herzen längst geschieden sei von ihr, die
er zu lieben gewähnt. Aber eingestehen mochte sein
Eigensinn sich's nicht. Er war dennoch eifersüchtig.
Vielleicht nur aus Eitelkeit!

Eines Abends in die Garderobe tretend, um sich
rasch anzukleiden, findet er im Schube seines Toilet-
tenspiegels ein zum Knoten zusammengekniffenes
Zettelchen, worauf ihm in schlechtgeschriebenen Zeilen
der Rath ertheilt wird, heute noch eine Unpäßlichkeit
zu verheucheln und seiner Dame zu sagen, er müsse
nach vollbrachter Arbeit heim gehen, die Ruhe zu
suchen. Dann aber solle er, bei Nacht, weiter ver-
fahren, wie sein Gefühl ihn am Besten belehren
werde. Unterzeichnet war dies französische Gekritzel:
"Von einem Freunde, der nicht will, daß ein edles
Herz unwürdig betrogen sei."

Noch im Kampfe mit sich selbst, ob er solch'
lügenhaften Kunstgriff nicht verschmähen müsse? kam
ihm ein heftiger Herzkrampf zu Hülfe, der ihn plötz-
lich überfiel und ihn um so mehr erschreckte, als er
ihm etwas völlig Fremdes war. Die Beängstigung
wurde so stark, daß er seine Kameraden ansprach;

verſtimmte auch ſie. Die unbefangene Freude des
Zuſammenlebens ging verloren. Anton empfand,
daß er im Herzen laͤngſt geſchieden ſei von ihr, die
er zu lieben gewaͤhnt. Aber eingeſtehen mochte ſein
Eigenſinn ſich’s nicht. Er war dennoch eiferſuͤchtig.
Vielleicht nur aus Eitelkeit!

Eines Abends in die Garderobe tretend, um ſich
raſch anzukleiden, findet er im Schube ſeines Toilet-
tenſpiegels ein zum Knoten zuſammengekniffenes
Zettelchen, worauf ihm in ſchlechtgeſchriebenen Zeilen
der Rath ertheilt wird, heute noch eine Unpaͤßlichkeit
zu verheucheln und ſeiner Dame zu ſagen, er muͤſſe
nach vollbrachter Arbeit heim gehen, die Ruhe zu
ſuchen. Dann aber ſolle er, bei Nacht, weiter ver-
fahren, wie ſein Gefuͤhl ihn am Beſten belehren
werde. Unterzeichnet war dies franzoͤſiſche Gekritzel:
„Von einem Freunde, der nicht will, daß ein edles
Herz unwuͤrdig betrogen ſei.“

Noch im Kampfe mit ſich ſelbſt, ob er ſolch’
luͤgenhaften Kunſtgriff nicht verſchmaͤhen muͤſſe? kam
ihm ein heftiger Herzkrampf zu Huͤlfe, der ihn ploͤtz-
lich uͤberfiel und ihn um ſo mehr erſchreckte, als er
ihm etwas voͤllig Fremdes war. Die Beaͤngſtigung
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[47/0049] verſtimmte auch ſie. Die unbefangene Freude des Zuſammenlebens ging verloren. Anton empfand, daß er im Herzen laͤngſt geſchieden ſei von ihr, die er zu lieben gewaͤhnt. Aber eingeſtehen mochte ſein Eigenſinn ſich’s nicht. Er war dennoch eiferſuͤchtig. Vielleicht nur aus Eitelkeit! Eines Abends in die Garderobe tretend, um ſich raſch anzukleiden, findet er im Schube ſeines Toilet- tenſpiegels ein zum Knoten zuſammengekniffenes Zettelchen, worauf ihm in ſchlechtgeſchriebenen Zeilen der Rath ertheilt wird, heute noch eine Unpaͤßlichkeit zu verheucheln und ſeiner Dame zu ſagen, er muͤſſe nach vollbrachter Arbeit heim gehen, die Ruhe zu ſuchen. Dann aber ſolle er, bei Nacht, weiter ver- fahren, wie ſein Gefuͤhl ihn am Beſten belehren werde. Unterzeichnet war dies franzoͤſiſche Gekritzel: „Von einem Freunde, der nicht will, daß ein edles Herz unwuͤrdig betrogen ſei.“ Noch im Kampfe mit ſich ſelbſt, ob er ſolch’ luͤgenhaften Kunſtgriff nicht verſchmaͤhen muͤſſe? kam ihm ein heftiger Herzkrampf zu Huͤlfe, der ihn ploͤtz- lich uͤberfiel und ihn um ſo mehr erſchreckte, als er ihm etwas voͤllig Fremdes war. Die Beaͤngſtigung wurde ſo ſtark, daß er ſeine Kameraden anſprach;

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/49>, abgerufen am 26.04.2024.