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Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Papa Hamlet. Übers. v. Bruno Franzius. Leipzig, 1889.

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jetzt dazu verdammt, die ganzen Tage über in
seinem Bett zu liegen und durch die dünnen
Bretterwände durch die ganze Wirthschaft mit
anzuhören.

"Ha! Büberei! Auf, lasst die Thüren
schliessen! Verrath! Sucht, wo er steckt! Du
betest schlecht! Ich bitt' Dich! Lass die Hand
von meiner Gurgel! Kennst Du diese Mücke?!"

Armer kleine Ole! War es Angst oder
nur Langeweile? Aber der Schweiss brach
ihm oft tropfenweis durch die Stirn.

Der grosse Thienwiebel schien es ordent¬
lich auf ihn abgesehen zu haben! Alle Nach¬
mittag Punkt 5 Uhr versäumte er es jetzt nie,
sogar seine "Bude" zu inspizieren. Diese war
freilich noch erbärmlicher als seine eigene, aber
sie besass dafür den Vorzug, dass man aus
ihrem Fenster bequem unten auf das breite,
platte, getheerte Nachbardach klettern konnte,
von dem man dann eine erfreuliche Aussicht
auf die verschwiegenen Brandmauern mehrerer
Hinterhäuser genoss. Ein kleines, anspruchs¬
loses Pflaumenbäumchen, dessen verkrüppelte
Aestchen von Raupen und Spatzen nur so
wimmelten, vervollständigte das Idyll. Der

jetzt dazu verdammt, die ganzen Tage über in
seinem Bett zu liegen und durch die dünnen
Bretterwände durch die ganze Wirthschaft mit
anzuhören.

„Ha! Büberei! Auf, lasst die Thüren
schliessen! Verrath! Sucht, wo er steckt! Du
betest schlecht! Ich bitt' Dich! Lass die Hand
von meiner Gurgel! Kennst Du diese Mücke?!“

Armer kleine Ole! War es Angst oder
nur Langeweile? Aber der Schweiss brach
ihm oft tropfenweis durch die Stirn.

Der grosse Thienwiebel schien es ordent¬
lich auf ihn abgesehen zu haben! Alle Nach¬
mittag Punkt 5 Uhr versäumte er es jetzt nie,
sogar seine „Bude“ zu inspizieren. Diese war
freilich noch erbärmlicher als seine eigene, aber
sie besass dafür den Vorzug, dass man aus
ihrem Fenster bequem unten auf das breite,
platte, getheerte Nachbardach klettern konnte,
von dem man dann eine erfreuliche Aussicht
auf die verschwiegenen Brandmauern mehrerer
Hinterhäuser genoss. Ein kleines, anspruchs¬
loses Pflaumenbäumchen, dessen verkrüppelte
Aestchen von Raupen und Spatzen nur so
wimmelten, vervollständigte das Idyll. Der

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[44/0048] jetzt dazu verdammt, die ganzen Tage über in seinem Bett zu liegen und durch die dünnen Bretterwände durch die ganze Wirthschaft mit anzuhören. „Ha! Büberei! Auf, lasst die Thüren schliessen! Verrath! Sucht, wo er steckt! Du betest schlecht! Ich bitt' Dich! Lass die Hand von meiner Gurgel! Kennst Du diese Mücke?!“ Armer kleine Ole! War es Angst oder nur Langeweile? Aber der Schweiss brach ihm oft tropfenweis durch die Stirn. Der grosse Thienwiebel schien es ordent¬ lich auf ihn abgesehen zu haben! Alle Nach¬ mittag Punkt 5 Uhr versäumte er es jetzt nie, sogar seine „Bude“ zu inspizieren. Diese war freilich noch erbärmlicher als seine eigene, aber sie besass dafür den Vorzug, dass man aus ihrem Fenster bequem unten auf das breite, platte, getheerte Nachbardach klettern konnte, von dem man dann eine erfreuliche Aussicht auf die verschwiegenen Brandmauern mehrerer Hinterhäuser genoss. Ein kleines, anspruchs¬ loses Pflaumenbäumchen, dessen verkrüppelte Aestchen von Raupen und Spatzen nur so wimmelten, vervollständigte das Idyll. Der

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Zitationshilfe: Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Papa Hamlet. Übers. v. Bruno Franzius. Leipzig, 1889, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_hamlet_1889/48>, abgerufen am 26.04.2024.