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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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sie es dem Andenken jedes geliebten Todten errich-
tete, dessen Hinterlaßner zu ihm hintritt. Der
hoffende Blick dieser weiblichen Gestalt -- o, wie
manches nasse Auge folgt ihm zu den Höhen, die
uns auf unsrer niedern Erde immer wie unsre Hei-
math erscheinen. Das Denkmahl galt auch mei-
nen Todten. Ich rufte ihre Gestalten auf aus
den weiten Fernen des Aufgangs und Untergangs,
wo sie zu Staub wurden, und versammelte sie um
diese hoffende Gestalt, und so oft ich der klei-
nen Capelle nun denke, ist sie meiner Todten
Denkmahl.

Könnte ich doch der hübschen Stadt zwanzig
tausend Einwohner mehr schenken; sie hat etwas
Freundlichhelles, was mich anspricht. Man sag-
te mir, daß die schönen Gärten wenig besucht
werden -- das ist nicht gut, und ist doch so häu-
fig. Ich bin so gern allein in diesen Schattengän-
gen, möchte sie aber doch lieber mit Menschen
angefüllt sehen, und fand sie nirgends so. In
Wien soll man diesen Genuß haben. Erhalte der
Himmel den guten Wienern ihre Leichtigkeit, sich
zu freuen! Herrenhausen bei Hannover sah ich
ehemals recht voll, aber an Gallatagen wenn eine
Prinzessin aufzog oder dergleichen. Ich erinnre

ſie es dem Andenken jedes geliebten Todten errich-
tete, deſſen Hinterlaßner zu ihm hintritt. Der
hoffende Blick dieſer weiblichen Geſtalt — o, wie
manches naſſe Auge folgt ihm zu den Hoͤhen, die
uns auf unſrer niedern Erde immer wie unſre Hei-
math erſcheinen. Das Denkmahl galt auch mei-
nen Todten. Ich rufte ihre Geſtalten auf aus
den weiten Fernen des Aufgangs und Untergangs,
wo ſie zu Staub wurden, und verſammelte ſie um
dieſe hoffende Geſtalt, und ſo oft ich der klei-
nen Capelle nun denke, iſt ſie meiner Todten
Denkmahl.

Koͤnnte ich doch der huͤbſchen Stadt zwanzig
tauſend Einwohner mehr ſchenken; ſie hat etwas
Freundlichhelles, was mich anſpricht. Man ſag-
te mir, daß die ſchoͤnen Gaͤrten wenig beſucht
werden — das iſt nicht gut, und iſt doch ſo haͤu-
fig. Ich bin ſo gern allein in dieſen Schattengaͤn-
gen, moͤchte ſie aber doch lieber mit Menſchen
angefuͤllt ſehen, und fand ſie nirgends ſo. In
Wien ſoll man dieſen Genuß haben. Erhalte der
Himmel den guten Wienern ihre Leichtigkeit, ſich
zu freuen! Herrenhauſen bei Hannover ſah ich
ehemals recht voll, aber an Gallatagen wenn eine
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[4/0018] ſie es dem Andenken jedes geliebten Todten errich- tete, deſſen Hinterlaßner zu ihm hintritt. Der hoffende Blick dieſer weiblichen Geſtalt — o, wie manches naſſe Auge folgt ihm zu den Hoͤhen, die uns auf unſrer niedern Erde immer wie unſre Hei- math erſcheinen. Das Denkmahl galt auch mei- nen Todten. Ich rufte ihre Geſtalten auf aus den weiten Fernen des Aufgangs und Untergangs, wo ſie zu Staub wurden, und verſammelte ſie um dieſe hoffende Geſtalt, und ſo oft ich der klei- nen Capelle nun denke, iſt ſie meiner Todten Denkmahl. Koͤnnte ich doch der huͤbſchen Stadt zwanzig tauſend Einwohner mehr ſchenken; ſie hat etwas Freundlichhelles, was mich anſpricht. Man ſag- te mir, daß die ſchoͤnen Gaͤrten wenig beſucht werden — das iſt nicht gut, und iſt doch ſo haͤu- fig. Ich bin ſo gern allein in dieſen Schattengaͤn- gen, moͤchte ſie aber doch lieber mit Menſchen angefuͤllt ſehen, und fand ſie nirgends ſo. In Wien ſoll man dieſen Genuß haben. Erhalte der Himmel den guten Wienern ihre Leichtigkeit, ſich zu freuen! Herrenhauſen bei Hannover ſah ich ehemals recht voll, aber an Gallatagen wenn eine Prinzeſſin aufzog oder dergleichen. Ich erinnre

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/18>, abgerufen am 26.04.2024.