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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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wann. Dieser Platz ist durch den Namen Gutten-
berg zu einem besondern Eigenthum der Stadt
Mainz gestempelt. An der einen Seite wird das
neue Schauspielhaus nach einem sehr großen Pla-
ne gebaut; die Trümmern der ehemaligen Dom-
probstei geben einen Theil der Materialien dazu
her, besonders zieren die großen Säulen, welche
am Eingang jenes Ordensgebäudes standen, die-
sen Tempel der Thalia. Die Domprobstei ward
bald nach dem Anfang der Belagerung im Jahr
1793 ein Raub der Flammen, sie war neu er-
baut, reich verziert, und die Wohnzimmer des
geistlichen Herrn mit einer Zierlichkeit eingerichtet,
welche sie weit eher zu dem Aufenthalt einer petite
maitresse
eignete. Wie ich einen allerliebsten acht-
eckigen Salon mit himmelblauer Drapperie, ein
elegantes Boudoir, ein sybaritisch verziertes Bad-
zimmer daneben, durchstreifte, fiel mir des Tem-
pelherrn stärriges: ein Schwert, ein Rock, ein
Gott -- sehr zur Unzeit ein, und ich dachte mir
den langen Weg, auf welchem die Höhlen der
thebaischen Schwärmer endlich solche Badezimmer
geworden wären. Zwei Palais der Familie Dahl-
berg liegen im Schutt, das eine ist, wie man mir
sagte, vor kurzem für einige zwanzig tausend Gul-

wann. Dieſer Platz iſt durch den Namen Gutten-
berg zu einem beſondern Eigenthum der Stadt
Mainz geſtempelt. An der einen Seite wird das
neue Schauſpielhaus nach einem ſehr großen Pla-
ne gebaut; die Truͤmmern der ehemaligen Dom-
probſtei geben einen Theil der Materialien dazu
her, beſonders zieren die großen Saͤulen, welche
am Eingang jenes Ordensgebaͤudes ſtanden, die-
ſen Tempel der Thalia. Die Domprobſtei ward
bald nach dem Anfang der Belagerung im Jahr
1793 ein Raub der Flammen, ſie war neu er-
baut, reich verziert, und die Wohnzimmer des
geiſtlichen Herrn mit einer Zierlichkeit eingerichtet,
welche ſie weit eher zu dem Aufenthalt einer petite
maitresse
eignete. Wie ich einen allerliebſten acht-
eckigen Salon mit himmelblauer Drapperie, ein
elegantes Boudoir, ein ſybaritiſch verziertes Bad-
zimmer daneben, durchſtreifte, fiel mir des Tem-
pelherrn ſtaͤrriges: ein Schwert, ein Rock, ein
Gott — ſehr zur Unzeit ein, und ich dachte mir
den langen Weg, auf welchem die Hoͤhlen der
thebaiſchen Schwaͤrmer endlich ſolche Badezimmer
geworden waͤren. Zwei Palais der Familie Dahl-
berg liegen im Schutt, das eine iſt, wie man mir
ſagte, vor kurzem fuͤr einige zwanzig tauſend Gul-

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[21/0035] wann. Dieſer Platz iſt durch den Namen Gutten- berg zu einem beſondern Eigenthum der Stadt Mainz geſtempelt. An der einen Seite wird das neue Schauſpielhaus nach einem ſehr großen Pla- ne gebaut; die Truͤmmern der ehemaligen Dom- probſtei geben einen Theil der Materialien dazu her, beſonders zieren die großen Saͤulen, welche am Eingang jenes Ordensgebaͤudes ſtanden, die- ſen Tempel der Thalia. Die Domprobſtei ward bald nach dem Anfang der Belagerung im Jahr 1793 ein Raub der Flammen, ſie war neu er- baut, reich verziert, und die Wohnzimmer des geiſtlichen Herrn mit einer Zierlichkeit eingerichtet, welche ſie weit eher zu dem Aufenthalt einer petite maitresse eignete. Wie ich einen allerliebſten acht- eckigen Salon mit himmelblauer Drapperie, ein elegantes Boudoir, ein ſybaritiſch verziertes Bad- zimmer daneben, durchſtreifte, fiel mir des Tem- pelherrn ſtaͤrriges: ein Schwert, ein Rock, ein Gott — ſehr zur Unzeit ein, und ich dachte mir den langen Weg, auf welchem die Hoͤhlen der thebaiſchen Schwaͤrmer endlich ſolche Badezimmer geworden waͤren. Zwei Palais der Familie Dahl- berg liegen im Schutt, das eine iſt, wie man mir ſagte, vor kurzem fuͤr einige zwanzig tauſend Gul-

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/35>, abgerufen am 27.04.2024.