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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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ten ausklauben, vorlegen, und er wollte sie dann nach
der ratio nunquam scripta des Luftrechtes entscheiden.

Er schloß die Polterkammer im ersten Dämmer
auf. An der schrägen Dachwandung, wo gebrochene
Lichter sich zwischen den Ritzen der Ziegeln und
Schindeln hindurch stahlen, stand ein ehemaliger
L'hombretisch mit eingelegten Holzfiguren auf drei
Beinen, den ernannte er zur Gerichtstafel. Er
mußte, um zu ihm zu gelangen, einige Reihen leerer
Champagnerflaschen, drei alte zerbrochene japanische
Vasen, ein messingnes Papageienbauer und ein ver-
bogenes Jagdhorn wegräumen; Zeugen und Denk-
mäler einstiger glücklicher Tage. Hierauf ließ sich
der Tisch bequem in die Mitte der Polterkammer
bringen und mit Hülfe eines Gueridons von ver-
gilbtem Alabaster, der sich dort auch irgendwo fand,
auf einen sicheren vierten Fuß stellen. In einer
andern Ecke stand ein orangeplüschener Großvater-
stuhl, den schob er als Richterstuhl hinter die Ge-
richtstafel. Nun fehlten nur noch die Acten, die
Bücher und das Richtercostüm, um dem Ganzen
das gehörige ehrwürdige Ansehen zu geben. Acten
und Bücher fanden sich leicht, denn es lagen da
ganze Bündel alter Papiere und Haufen schweins-

ten ausklauben, vorlegen, und er wollte ſie dann nach
der ratio nunquam ſcripta des Luftrechtes entſcheiden.

Er ſchloß die Polterkammer im erſten Dämmer
auf. An der ſchrägen Dachwandung, wo gebrochene
Lichter ſich zwiſchen den Ritzen der Ziegeln und
Schindeln hindurch ſtahlen, ſtand ein ehemaliger
L’hombretiſch mit eingelegten Holzfiguren auf drei
Beinen, den ernannte er zur Gerichtstafel. Er
mußte, um zu ihm zu gelangen, einige Reihen leerer
Champagnerflaſchen, drei alte zerbrochene japaniſche
Vaſen, ein meſſingnes Papageienbauer und ein ver-
bogenes Jagdhorn wegräumen; Zeugen und Denk-
mäler einſtiger glücklicher Tage. Hierauf ließ ſich
der Tiſch bequem in die Mitte der Polterkammer
bringen und mit Hülfe eines Gueridons von ver-
gilbtem Alabaſter, der ſich dort auch irgendwo fand,
auf einen ſicheren vierten Fuß ſtellen. In einer
andern Ecke ſtand ein orangeplüſchener Großvater-
ſtuhl, den ſchob er als Richterſtuhl hinter die Ge-
richtstafel. Nun fehlten nur noch die Acten, die
Bücher und das Richtercoſtüm, um dem Ganzen
das gehörige ehrwürdige Anſehen zu geben. Acten
und Bücher fanden ſich leicht, denn es lagen da
ganze Bündel alter Papiere und Haufen ſchweins-

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[86/0104] ten ausklauben, vorlegen, und er wollte ſie dann nach der ratio nunquam ſcripta des Luftrechtes entſcheiden. Er ſchloß die Polterkammer im erſten Dämmer auf. An der ſchrägen Dachwandung, wo gebrochene Lichter ſich zwiſchen den Ritzen der Ziegeln und Schindeln hindurch ſtahlen, ſtand ein ehemaliger L’hombretiſch mit eingelegten Holzfiguren auf drei Beinen, den ernannte er zur Gerichtstafel. Er mußte, um zu ihm zu gelangen, einige Reihen leerer Champagnerflaſchen, drei alte zerbrochene japaniſche Vaſen, ein meſſingnes Papageienbauer und ein ver- bogenes Jagdhorn wegräumen; Zeugen und Denk- mäler einſtiger glücklicher Tage. Hierauf ließ ſich der Tiſch bequem in die Mitte der Polterkammer bringen und mit Hülfe eines Gueridons von ver- gilbtem Alabaſter, der ſich dort auch irgendwo fand, auf einen ſicheren vierten Fuß ſtellen. In einer andern Ecke ſtand ein orangeplüſchener Großvater- ſtuhl, den ſchob er als Richterſtuhl hinter die Ge- richtstafel. Nun fehlten nur noch die Acten, die Bücher und das Richtercoſtüm, um dem Ganzen das gehörige ehrwürdige Anſehen zu geben. Acten und Bücher fanden ſich leicht, denn es lagen da ganze Bündel alter Papiere und Haufen ſchweins-

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/104>, abgerufen am 26.04.2024.