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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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Gesicht und hatte nicht einmal mehr die Kraft, den
Diener auszuschelten. Denn er konnte keine Nacht-
wachen vertragen; der Schlaf war sein einziges
Bedürfniß, außer diesem hatte er fast keins. Als
er die Bestellung gehört, rief er: Ist denn der
Alte ganz des Teufels? und machte sich mit dem
verdrießlichen Bedienten verdrießlich auf den Weg
zu seinem Wirthe. Unterweges gingen sie an dem
Sägebocke des Schulmeisters vorbei, an welchem
dieser im Schweiße seines Antlitzes handthierte.
Er warf dem Freiherrn einen gerührten Blick zu,
hielt einen Augenblick mit seiner Arbeit inne und
sagte: Obgleich Sie mich nicht lieben, Herr von
Münchhausen, so haben Sie mir doch die größte
Wohlthat heut zu Nacht erwiesen. Ich verdanke
Ihnen mein Leben! -- Daß ich nicht wüßte, ant-
wortete Münchhausen betroffen. Im Hausflur
schnitt das Fräulein Bohnen. Sie ließ das Messer
ruhn und sagte zu Münchhausen: Verstehst du mich
in diesem Augenblicke, Meister? -- Nein! fuhr
Münchhausen unwillkührlich heraus. -- Wie!? rief
Emerentia überlaut und ließ vor Schreck die Boh-
nenschüssel auf den Boden fallen, daß das Geschirr
zerbrach.


Geſicht und hatte nicht einmal mehr die Kraft, den
Diener auszuſchelten. Denn er konnte keine Nacht-
wachen vertragen; der Schlaf war ſein einziges
Bedürfniß, außer dieſem hatte er faſt keins. Als
er die Beſtellung gehört, rief er: Iſt denn der
Alte ganz des Teufels? und machte ſich mit dem
verdrießlichen Bedienten verdrießlich auf den Weg
zu ſeinem Wirthe. Unterweges gingen ſie an dem
Sägebocke des Schulmeiſters vorbei, an welchem
dieſer im Schweiße ſeines Antlitzes handthierte.
Er warf dem Freiherrn einen gerührten Blick zu,
hielt einen Augenblick mit ſeiner Arbeit inne und
ſagte: Obgleich Sie mich nicht lieben, Herr von
Münchhauſen, ſo haben Sie mir doch die größte
Wohlthat heut zu Nacht erwieſen. Ich verdanke
Ihnen mein Leben! — Daß ich nicht wüßte, ant-
wortete Münchhauſen betroffen. Im Hausflur
ſchnitt das Fräulein Bohnen. Sie ließ das Meſſer
ruhn und ſagte zu Münchhauſen: Verſtehſt du mich
in dieſem Augenblicke, Meiſter? — Nein! fuhr
Münchhauſen unwillkührlich heraus. — Wie!? rief
Emerentia überlaut und ließ vor Schreck die Boh-
nenſchüſſel auf den Boden fallen, daß das Geſchirr
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[95/0113] Geſicht und hatte nicht einmal mehr die Kraft, den Diener auszuſchelten. Denn er konnte keine Nacht- wachen vertragen; der Schlaf war ſein einziges Bedürfniß, außer dieſem hatte er faſt keins. Als er die Beſtellung gehört, rief er: Iſt denn der Alte ganz des Teufels? und machte ſich mit dem verdrießlichen Bedienten verdrießlich auf den Weg zu ſeinem Wirthe. Unterweges gingen ſie an dem Sägebocke des Schulmeiſters vorbei, an welchem dieſer im Schweiße ſeines Antlitzes handthierte. Er warf dem Freiherrn einen gerührten Blick zu, hielt einen Augenblick mit ſeiner Arbeit inne und ſagte: Obgleich Sie mich nicht lieben, Herr von Münchhauſen, ſo haben Sie mir doch die größte Wohlthat heut zu Nacht erwieſen. Ich verdanke Ihnen mein Leben! — Daß ich nicht wüßte, ant- wortete Münchhauſen betroffen. Im Hausflur ſchnitt das Fräulein Bohnen. Sie ließ das Meſſer ruhn und ſagte zu Münchhauſen: Verſtehſt du mich in dieſem Augenblicke, Meiſter? — Nein! fuhr Münchhauſen unwillkührlich heraus. — Wie!? rief Emerentia überlaut und ließ vor Schreck die Boh- nenſchüſſel auf den Boden fallen, daß das Geſchirr zerbrach.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/113>, abgerufen am 26.04.2024.