einen Menschen, der von Jugend auf in menschlicher Gesellschafft geblieben und erzogen worden. Wer hiervon unstreiti- ge Exempel haben will, der lese des Herrn D. Koenigs Schediasma de hominum inter feras educatorum statu naturali & solitario. Aus diesen Exempeln aber erhellet zur Gnüge, daß der Mensch ohne Umgang mit andern Leuten zu keinem Ge- brauch der Vernunfft gelange und also keinen Vorzug von den Thieren erreiche. Soll also der Mensch zur Vernunfft und einiger Glückseligkeit kommen, so ist nö- thig, daß er Umgang mit Leuten habe, de- ren Verstand schon zu einiger deutlichen Erkäntniß gekommen. Bewundere dero- wegen, mein Leser, mit mir die weise Gü- tigkeit GOttes, daß er die Menschen durch so sehr viel Dinge nöthiget einiger massen ein gesellschafftliches Leben zu führen, weil ohne dasselbe unsere Vernunfft und unsere Glückseligkeit, die uns doch die Gütigkeit unsers gnädigen Schöpffers zugedacht, in der tieffsten Unwissenheit und Unvernunfft vergraben bliebe.
§. 6.
Wenn wir denn in der menschlichenZur Ver- nunfft trägt die Gesellschafft leben, so trägt das mehreste
zu
einen Menſchen, der von Jugend auf in menſchlicher Geſellſchafft geblieben und erzogen worden. Wer hiervon unſtreiti- ge Exempel haben will, der leſe des Herrn D. Kœnigs Schediasma de hominum inter feras educatorum ſtatu naturali & ſolitario. Aus dieſen Exempeln aber erhellet zur Gnuͤge, daß der Menſch ohne Umgang mit andern Leuten zu keinem Ge- brauch der Vernunfft gelange und alſo keinen Vorzug von den Thieren erreiche. Soll alſo der Menſch zur Vernunfft und einiger Gluͤckſeligkeit kommen, ſo iſt noͤ- thig, daß er Umgang mit Leuten habe, de- ren Verſtand ſchon zu einiger deutlichen Erkaͤntniß gekommen. Bewundere dero- wegen, mein Leſer, mit mir die weiſe Guͤ- tigkeit GOttes, daß er die Menſchen durch ſo ſehr viel Dinge noͤthiget einiger maſſen ein geſellſchafftliches Leben zu fuͤhren, weil ohne daſſelbe unſere Vernunfft und unſere Gluͤckſeligkeit, die uns doch die Guͤtigkeit unſers gnaͤdigen Schoͤpffers zugedacht, in der tieffſten Unwiſſenheit und Unvernunfft vergraben bliebe.
§. 6.
Wenn wir denn in der menſchlichenZur Ver- nunfft traͤgt die Geſellſchafft leben, ſo traͤgt das mehreſte
zu
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einen Menſchen, der von Jugend auf
in menſchlicher Geſellſchafft geblieben und
erzogen worden. Wer hiervon unſtreiti-
ge Exempel haben will, der leſe des Herrn
D. Kœnigs Schediasma de hominum
inter feras educatorum ſtatu naturali
& ſolitario. Aus dieſen Exempeln aber
erhellet zur Gnuͤge, daß der Menſch ohne
Umgang mit andern Leuten zu keinem Ge-
brauch der Vernunfft gelange und alſo
keinen Vorzug von den Thieren erreiche.
Soll alſo der Menſch zur Vernunfft und
einiger Gluͤckſeligkeit kommen, ſo iſt noͤ-
thig, daß er Umgang mit Leuten habe, de-
ren Verſtand ſchon zu einiger deutlichen
Erkaͤntniß gekommen. Bewundere dero-
wegen, mein Leſer, mit mir die weiſe Guͤ-
tigkeit GOttes, daß er die Menſchen durch
ſo ſehr viel Dinge noͤthiget einiger maſſen
ein geſellſchafftliches Leben zu fuͤhren, weil
ohne daſſelbe unſere Vernunfft und unſere
Gluͤckſeligkeit, die uns doch die Guͤtigkeit
unſers gnaͤdigen Schoͤpffers zugedacht, in
der tieffſten Unwiſſenheit und Unvernunfft
vergraben bliebe.
§. 6.
Wenn wir denn in der menſchlichen
Geſellſchafft leben, ſo traͤgt das mehreſte
zu
Zur Ver-
nunfft
traͤgt die
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/81>, abgerufen am 26.04.2024.
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