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Jahn, Friedrich L.; Eiselen, Ernst W. B.: Die deutsche Turnkunst, zur Einrichtung der Turnplätze dargestellt. Berlin, 1816.

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Volksthümlichkeit bei Allen. Lehre und Leben bilden
hier keinen Gegensatz. Beide sind einträchtig und eins.
Daher ist es möglich und findet würklich Statt, daß
auf einem und demselben Turnplatze jeder Turner sein
eigen Gepräge erhält nach seinem eigenen Schrot und
Korn. Die Turnkunst als Pflegerin der Selbstthätigkeit,
führt auf geradem Wege zur Selbständigkeit. Sie för-
dert die leibliche Gesammtausbildung des Menschen durch
gesellige Regsamkeit in lebensfrischer Gemeinschaft.

Bei den Turnübungen muß sich immer eins aus
dem andern ergeben, ohne Drillerei, so die freie Eigen-
thümlichkeit der Einzelnen durch ihr Schalten gefangen
nimmt. Die Turnübungen in Folge und Folgerung
ergänzen sich wechselseitig, und können und müssen um-
zechig getrieben werden. Die richtige Vertheilung von
Rast und Last gewährt die Dauerkraft. Indem einige
müde geturnte Glieder feiern, arbeiten die andern wie-
der. Die Turnkunst ist gegen jede Einseitigkeit. Links
und rechts
sind ihr Bedingnisse, wovon keins erlassen
werden darf. Sie will einen ganzen Mann, und ist
mit keinem zufrieden, dessen Leib in die Brüche geht.
Übereinstimmung und Folgerechtheit entwickeln die allsei-
tige Kraft.

Es giebt freilich Übungen, die nach dem Wesen der
Sache hintereinander getrieben werden müssen, und erst
dann, wenn die Vorübung beendigt ist und ein Ganzes

be-

Volksthümlichkeit bei Allen. Lehre und Leben bilden
hier keinen Gegenſatz. Beide ſind einträchtig und eins.
Daher iſt es möglich und findet würklich Statt, daß
auf einem und demſelben Turnplatze jeder Turner ſein
eigen Gepräge erhält nach ſeinem eigenen Schrot und
Korn. Die Turnkunſt als Pflegerin der Selbſtthätigkeit,
führt auf geradem Wege zur Selbſtändigkeit. Sie för-
dert die leibliche Geſammtausbildung des Menſchen durch
geſellige Regſamkeit in lebensfriſcher Gemeinſchaft.

Bei den Turnübungen muß ſich immer eins aus
dem andern ergeben, ohne Drillerei, ſo die freie Eigen-
thümlichkeit der Einzelnen durch ihr Schalten gefangen
nimmt. Die Turnübungen in Folge und Folgerung
ergänzen ſich wechſelſeitig, und können und müſſen um-
zechig getrieben werden. Die richtige Vertheilung von
Raſt und Laſt gewährt die Dauerkraft. Indem einige
müde geturnte Glieder feiern, arbeiten die andern wie-
der. Die Turnkunſt iſt gegen jede Einſeitigkeit. Links
und rechts
ſind ihr Bedingniſſe, wovon keins erlaſſen
werden darf. Sie will einen ganzen Mann, und iſt
mit keinem zufrieden, deſſen Leib in die Brüche geht.
Übereinſtimmung und Folgerechtheit entwickeln die allſei-
tige Kraft.

Es giebt freilich Übungen, die nach dem Weſen der
Sache hintereinander getrieben werden müſſen, und erſt
dann, wenn die Vorübung beendigt iſt und ein Ganzes

be-
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[219/0289] Volksthümlichkeit bei Allen. Lehre und Leben bilden hier keinen Gegenſatz. Beide ſind einträchtig und eins. Daher iſt es möglich und findet würklich Statt, daß auf einem und demſelben Turnplatze jeder Turner ſein eigen Gepräge erhält nach ſeinem eigenen Schrot und Korn. Die Turnkunſt als Pflegerin der Selbſtthätigkeit, führt auf geradem Wege zur Selbſtändigkeit. Sie för- dert die leibliche Geſammtausbildung des Menſchen durch geſellige Regſamkeit in lebensfriſcher Gemeinſchaft. Bei den Turnübungen muß ſich immer eins aus dem andern ergeben, ohne Drillerei, ſo die freie Eigen- thümlichkeit der Einzelnen durch ihr Schalten gefangen nimmt. Die Turnübungen in Folge und Folgerung ergänzen ſich wechſelſeitig, und können und müſſen um- zechig getrieben werden. Die richtige Vertheilung von Raſt und Laſt gewährt die Dauerkraft. Indem einige müde geturnte Glieder feiern, arbeiten die andern wie- der. Die Turnkunſt iſt gegen jede Einſeitigkeit. Links und rechts ſind ihr Bedingniſſe, wovon keins erlaſſen werden darf. Sie will einen ganzen Mann, und iſt mit keinem zufrieden, deſſen Leib in die Brüche geht. Übereinſtimmung und Folgerechtheit entwickeln die allſei- tige Kraft. Es giebt freilich Übungen, die nach dem Weſen der Sache hintereinander getrieben werden müſſen, und erſt dann, wenn die Vorübung beendigt iſt und ein Ganzes be-

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich L.; Eiselen, Ernst W. B.: Die deutsche Turnkunst, zur Einrichtung der Turnplätze dargestellt. Berlin, 1816, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_turnkunst_1816/289>, abgerufen am 26.04.2024.