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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Anhang.
ken wie der gastliche Genius des Orts. Wir haben ja nur einen kleinen
Kreis im Raum durchmessen; aber meine Müdigkeit behauptet, dass wir
mehr als eine Tagereise hinter uns haben.

Calimaco. Waren wir nicht im weltbeherrschenden kaiserlichen
Rom, und im fernen Osten an der Stätte der Passion, und in den mit
dem Reich der Mauren längst versunkenen Schlössern der Almohaden!
Der grosse Patio mit seinen luftigen, wenn auch ungleichen Bogen, den
vierundzwanzig Säulen, dem Janusbrunnen in der Mitte, und den vier
hehren Marmorgöttinnen in den Ecken, gleich Feen, welche die Geheim-
nisse dieses Wunderalcazar aufschliessen sollen; die schattigen runden
Nischen der oberen Galerie mit den vierundzwanzig Büsten römischer
Kaiser; der Garten mit der Grotte der Susanna, den Brunnen und den
drei Hallen, mit den Mauern voll Inschrifttafeln und Reliefs des ehr-
würdigen Alterthums; die Heroen und Götter auf Säulenschäften von
Porphyr, Verde und Marmor; die Halle des Prätoriums von Jerusalem,
mit den schimmernden Azulejos, den Wappenschildern darin und der
vergoldeten Alfarje- [getäfelten] Decke; der Hahn des Petrus; die Kapelle,
noch erbaut in der alten Weise der Cresteria; das Treppenhaus mit der
Kuppel und ihrer Artesonadowölbung [Stalaktiten]; endlich die alten und
neuen Juwelen christkatholischer Malerei; -- wahrhaftig, hier verstehe
ich zum erstenmale nicht, warum wir uns über die Kürze des Lebens
beklagen. Denn haben wir nicht Jahrhunderte durchlebt? Der diess
Werk ersann, muss etwas von der heimlichen Kunst des Don Yglano von
Toledo besessen haben.

Trasimaco. Mein Auge späht vergebens nach einem Bildniss des
Erbauers zwischen so vielen.

E. Die Marmorgestalten des D. Pedro Henriquez und seiner Frau
Donna Catalina de Rivera findest du in der Karthause1); sein Sohn hat
sie in Genua selbst bestellt; und dort sind noch andere Grabmäler seiner
Ahnen, die alle die Eigenschaften besassen, mit denen Reiche geschaffen
und gemehrt werden, und edle Häuser für jahrhundertelange Dauer
gegründet. Auch das Bildniss des Vollenders dieses Hauses, D. Fadrique
findest du dort, von welscher Meisterhand gravirt in der Bronzeplatte
seines Pantheon. In diesen Zügen erräth auch der stumpfsinnigste den

1) Die Karthause de las cuevas am Guadalquivir, gegründet 1401 vom Erzbischof
Gonzalo del Mena, war ein Museum der Sculptur. Die Franzosenkriege und noch
mehr die so barbarisch ausgeführte Exclaustration hatten sie beraubt und dem Unter-
gang überantwortet, vor dem sie nur die Einrichtung zur Thonwaarenfabrik durch
den Engländer Pickman rettete. Ausser den Resten der Rivera, ihrer Beschützer,
schloss sie einst die des Columbus in sich, bis zu deren Ueberführung nach West-
indien.

Anhang.
ken wie der gastliche Genius des Orts. Wir haben ja nur einen kleinen
Kreis im Raum durchmessen; aber meine Müdigkeit behauptet, dass wir
mehr als eine Tagereise hinter uns haben.

Calimaco. Waren wir nicht im weltbeherrschenden kaiserlichen
Rom, und im fernen Osten an der Stätte der Passion, und in den mit
dem Reich der Mauren längst versunkenen Schlössern der Almohaden!
Der grosse Patio mit seinen luftigen, wenn auch ungleichen Bogen, den
vierundzwanzig Säulen, dem Janusbrunnen in der Mitte, und den vier
hehren Marmorgöttinnen in den Ecken, gleich Feen, welche die Geheim-
nisse dieses Wunderalcazar aufschliessen sollen; die schattigen runden
Nischen der oberen Galerie mit den vierundzwanzig Büsten römischer
Kaiser; der Garten mit der Grotte der Susanna, den Brunnen und den
drei Hallen, mit den Mauern voll Inschrifttafeln und Reliefs des ehr-
würdigen Alterthums; die Heroen und Götter auf Säulenschäften von
Porphyr, Verde und Marmor; die Halle des Prätoriums von Jerusalem,
mit den schimmernden Azulejos, den Wappenschildern darin und der
vergoldeten Alfarje- [getäfelten] Decke; der Hahn des Petrus; die Kapelle,
noch erbaut in der alten Weise der Crestería; das Treppenhaus mit der
Kuppel und ihrer Artesonadowölbung [Stalaktiten]; endlich die alten und
neuen Juwelen christkatholischer Malerei; — wahrhaftig, hier verstehe
ich zum erstenmale nicht, warum wir uns über die Kürze des Lebens
beklagen. Denn haben wir nicht Jahrhunderte durchlebt? Der diess
Werk ersann, muss etwas von der heimlichen Kunst des Don Yglano von
Toledo besessen haben.

Trasimaco. Mein Auge späht vergebens nach einem Bildniss des
Erbauers zwischen so vielen.

E. Die Marmorgestalten des D. Pedro Henriquez und seiner Frau
Doña Catalina de Rivera findest du in der Karthause1); sein Sohn hat
sie in Genua selbst bestellt; und dort sind noch andere Grabmäler seiner
Ahnen, die alle die Eigenschaften besassen, mit denen Reiche geschaffen
und gemehrt werden, und edle Häuser für jahrhundertelange Dauer
gegründet. Auch das Bildniss des Vollenders dieses Hauses, D. Fadrique
findest du dort, von welscher Meisterhand gravirt in der Bronzeplatte
seines Pantheon. In diesen Zügen erräth auch der stumpfsinnigste den

1) Die Karthause de las cuevas am Guadalquivir, gegründet 1401 vom Erzbischof
Gonzalo del Mena, war ein Museum der Sculptur. Die Franzosenkriege und noch
mehr die so barbarisch ausgeführte Exclaustration hatten sie beraubt und dem Unter-
gang überantwortet, vor dem sie nur die Einrichtung zur Thonwaarenfabrik durch
den Engländer Pickman rettete. Ausser den Resten der Rivera, ihrer Beschützer,
schloss sie einst die des Columbus in sich, bis zu deren Ueberführung nach West-
indien.
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[86/0106] Anhang. ken wie der gastliche Genius des Orts. Wir haben ja nur einen kleinen Kreis im Raum durchmessen; aber meine Müdigkeit behauptet, dass wir mehr als eine Tagereise hinter uns haben. Calimaco. Waren wir nicht im weltbeherrschenden kaiserlichen Rom, und im fernen Osten an der Stätte der Passion, und in den mit dem Reich der Mauren längst versunkenen Schlössern der Almohaden! Der grosse Patio mit seinen luftigen, wenn auch ungleichen Bogen, den vierundzwanzig Säulen, dem Janusbrunnen in der Mitte, und den vier hehren Marmorgöttinnen in den Ecken, gleich Feen, welche die Geheim- nisse dieses Wunderalcazar aufschliessen sollen; die schattigen runden Nischen der oberen Galerie mit den vierundzwanzig Büsten römischer Kaiser; der Garten mit der Grotte der Susanna, den Brunnen und den drei Hallen, mit den Mauern voll Inschrifttafeln und Reliefs des ehr- würdigen Alterthums; die Heroen und Götter auf Säulenschäften von Porphyr, Verde und Marmor; die Halle des Prätoriums von Jerusalem, mit den schimmernden Azulejos, den Wappenschildern darin und der vergoldeten Alfarje- [getäfelten] Decke; der Hahn des Petrus; die Kapelle, noch erbaut in der alten Weise der Crestería; das Treppenhaus mit der Kuppel und ihrer Artesonadowölbung [Stalaktiten]; endlich die alten und neuen Juwelen christkatholischer Malerei; — wahrhaftig, hier verstehe ich zum erstenmale nicht, warum wir uns über die Kürze des Lebens beklagen. Denn haben wir nicht Jahrhunderte durchlebt? Der diess Werk ersann, muss etwas von der heimlichen Kunst des Don Yglano von Toledo besessen haben. Trasimaco. Mein Auge späht vergebens nach einem Bildniss des Erbauers zwischen so vielen. E. Die Marmorgestalten des D. Pedro Henriquez und seiner Frau Doña Catalina de Rivera findest du in der Karthause 1); sein Sohn hat sie in Genua selbst bestellt; und dort sind noch andere Grabmäler seiner Ahnen, die alle die Eigenschaften besassen, mit denen Reiche geschaffen und gemehrt werden, und edle Häuser für jahrhundertelange Dauer gegründet. Auch das Bildniss des Vollenders dieses Hauses, D. Fadrique findest du dort, von welscher Meisterhand gravirt in der Bronzeplatte seines Pantheon. In diesen Zügen erräth auch der stumpfsinnigste den 1) Die Karthause de las cuevas am Guadalquivir, gegründet 1401 vom Erzbischof Gonzalo del Mena, war ein Museum der Sculptur. Die Franzosenkriege und noch mehr die so barbarisch ausgeführte Exclaustration hatten sie beraubt und dem Unter- gang überantwortet, vor dem sie nur die Einrichtung zur Thonwaarenfabrik durch den Engländer Pickman rettete. Ausser den Resten der Rivera, ihrer Beschützer, schloss sie einst die des Columbus in sich, bis zu deren Ueberführung nach West- indien.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/106>, abgerufen am 26.04.2024.