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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Familie.
zurück: Silva war der Name einer fremden eingewanderten Fa-
milie, Velazquez der einer altsevillanischen. Dieser Brauch oder
Missbrauch, den mütterlichen Zunamen anzunehmen, ja den des
mütterlichen Grossvaters oder Oheims, war besonders in Anda-
lusien verbreitet und veranlasste oft rechtliche Verwicklungen.
Der Vater des Dichters Luis de Gongora aus Cordoba hiess Argote.
Familieninteresse, zuweilen Eitelkeit waren die Beweggründe.
Manche Familien erhielten so "des Hauses Schild und Name"
durch die Erbtochter. Oft war das mütterliche Erbe oder Ma-
jorat an die Bedingung des Namens geknüpft. In Calderon's
Mannana sara otro dia verbietet ein zorniger Vater seinem Sohn
das Haus, weil dieser, das Erbe der Mutter beanspruchend, nicht
nur deren Namen annimmt, sondern zugleich den des Vaters weg-
lässt. War der mütterliche Name der eines grossen Adelsge-
schlechtes, so konnte mancher schwer der Versuchung wider-
stehen, sich Guzman oder Manrique zu nennen. Es wird einmal
als Zeichen von Charakter gelobt, dass Jemand den dunklen
Namen des Vaters beibehält, während alle seine minder ver-
dienstvollen Brüder den vornehmklingenden der Mutter sich bei-
legten. Doch giebt es auch Ausnahmen. Der Vater des Malers
Juan Antonio Escalante hiess Fonseca.

Der Name Diego Velazquez hatte einen guten Klang von
den Tagen der Reconquista und der Conquistadoren her: so hiess
der eine jener Cistercienser, welche den Orden von Calatrava
gründeten, seiner wird in den Acta Sanctorum rühmend gedacht;
ferner der Eroberer und erste Statthalter der Insel Cuba. Der
Personenname Velasco, woraus durch die alte Genetivendung der
Geschlechtsname Velazquez wird, war in Spanien und Portugal
sehr häufig; in den spanischen Bischofslisten kommt Velascus
zuerst in Leon vor (966. 975). In Portugal, wo er meist Valasco,
Valasquiz
lautet (im elften Jahrhundert ein Gil Valasquiz), nimmt
er später die durch Ausfall der Liquida verkürzte Form Vaasco,
Vasco
an, nach Analogie von Pelayo, Payo; Melendez, Mendez;
Venegas, Vegas. Deshalb ist der volle Name Valasco dort selten
geworden, aber Vasco hat sich auch als häufiger Vorname be-
hauptet, während Velasco in Spanien nur Familienname ist. Er
ist auch im spanischen Künstlerlexikon nicht selten: fünf Velasco
und fünf Velazquez. Der merkwürdigste Namensvetter unseres
Künstlers aber ist jener Velascus in der Signatur des grossen
Gemäldes des Pfingstfestes in Santa Cruz zu Coimbra, vielleicht
der hervorragendste Maler der altportugiesischen Schule, doch
wol nicht identisch mit dem halbmythischen Grao Vasco.


Die Familie.
zurück: Silva war der Name einer fremden eingewanderten Fa-
milie, Velazquez der einer altsevillanischen. Dieser Brauch oder
Missbrauch, den mütterlichen Zunamen anzunehmen, ja den des
mütterlichen Grossvaters oder Oheims, war besonders in Anda-
lusien verbreitet und veranlasste oft rechtliche Verwicklungen.
Der Vater des Dichters Luis de Góngora aus Cordoba hiess Argote.
Familieninteresse, zuweilen Eitelkeit waren die Beweggründe.
Manche Familien erhielten so „des Hauses Schild und Name“
durch die Erbtochter. Oft war das mütterliche Erbe oder Ma-
jorat an die Bedingung des Namens geknüpft. In Calderon’s
Mañana sará otro dia verbietet ein zorniger Vater seinem Sohn
das Haus, weil dieser, das Erbe der Mutter beanspruchend, nicht
nur deren Namen annimmt, sondern zugleich den des Vaters weg-
lässt. War der mütterliche Name der eines grossen Adelsge-
schlechtes, so konnte mancher schwer der Versuchung wider-
stehen, sich Guzman oder Manrique zu nennen. Es wird einmal
als Zeichen von Charakter gelobt, dass Jemand den dunklen
Namen des Vaters beibehält, während alle seine minder ver-
dienstvollen Brüder den vornehmklingenden der Mutter sich bei-
legten. Doch giebt es auch Ausnahmen. Der Vater des Malers
Juan Antonio Escalante hiess Fonseca.

Der Name Diego Velazquez hatte einen guten Klang von
den Tagen der Reconquista und der Conquistadoren her: so hiess
der eine jener Cistercienser, welche den Orden von Calatrava
gründeten, seiner wird in den Acta Sanctorum rühmend gedacht;
ferner der Eroberer und erste Statthalter der Insel Cuba. Der
Personenname Velasco, woraus durch die alte Genetivendung der
Geschlechtsname Velazquez wird, war in Spanien und Portugal
sehr häufig; in den spanischen Bischofslisten kommt Velascus
zuerst in Leon vor (966. 975). In Portugal, wo er meist Valasco,
Valasquiz
lautet (im elften Jahrhundert ein Gil Valasquiz), nimmt
er später die durch Ausfall der Liquida verkürzte Form Vaasco,
Vasco
an, nach Analogie von Pelayo, Payo; Melendez, Mendez;
Venegas, Vegas. Deshalb ist der volle Name Valasco dort selten
geworden, aber Vasco hat sich auch als häufiger Vorname be-
hauptet, während Velasco in Spanien nur Familienname ist. Er
ist auch im spanischen Künstlerlexikon nicht selten: fünf Velasco
und fünf Velazquez. Der merkwürdigste Namensvetter unseres
Künstlers aber ist jener Velascus in der Signatur des grossen
Gemäldes des Pfingstfestes in Santa Cruz zu Coimbra, vielleicht
der hervorragendste Maler der altportugiesischen Schule, doch
wol nicht identisch mit dem halbmythischen Grão Vasco.


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[109/0129] Die Familie. zurück: Silva war der Name einer fremden eingewanderten Fa- milie, Velazquez der einer altsevillanischen. Dieser Brauch oder Missbrauch, den mütterlichen Zunamen anzunehmen, ja den des mütterlichen Grossvaters oder Oheims, war besonders in Anda- lusien verbreitet und veranlasste oft rechtliche Verwicklungen. Der Vater des Dichters Luis de Góngora aus Cordoba hiess Argote. Familieninteresse, zuweilen Eitelkeit waren die Beweggründe. Manche Familien erhielten so „des Hauses Schild und Name“ durch die Erbtochter. Oft war das mütterliche Erbe oder Ma- jorat an die Bedingung des Namens geknüpft. In Calderon’s Mañana sará otro dia verbietet ein zorniger Vater seinem Sohn das Haus, weil dieser, das Erbe der Mutter beanspruchend, nicht nur deren Namen annimmt, sondern zugleich den des Vaters weg- lässt. War der mütterliche Name der eines grossen Adelsge- schlechtes, so konnte mancher schwer der Versuchung wider- stehen, sich Guzman oder Manrique zu nennen. Es wird einmal als Zeichen von Charakter gelobt, dass Jemand den dunklen Namen des Vaters beibehält, während alle seine minder ver- dienstvollen Brüder den vornehmklingenden der Mutter sich bei- legten. Doch giebt es auch Ausnahmen. Der Vater des Malers Juan Antonio Escalante hiess Fonseca. Der Name Diego Velazquez hatte einen guten Klang von den Tagen der Reconquista und der Conquistadoren her: so hiess der eine jener Cistercienser, welche den Orden von Calatrava gründeten, seiner wird in den Acta Sanctorum rühmend gedacht; ferner der Eroberer und erste Statthalter der Insel Cuba. Der Personenname Velasco, woraus durch die alte Genetivendung der Geschlechtsname Velazquez wird, war in Spanien und Portugal sehr häufig; in den spanischen Bischofslisten kommt Velascus zuerst in Leon vor (966. 975). In Portugal, wo er meist Valasco, Valasquiz lautet (im elften Jahrhundert ein Gil Valasquiz), nimmt er später die durch Ausfall der Liquida verkürzte Form Vaasco, Vasco an, nach Analogie von Pelayo, Payo; Melendez, Mendez; Venegas, Vegas. Deshalb ist der volle Name Valasco dort selten geworden, aber Vasco hat sich auch als häufiger Vorname be- hauptet, während Velasco in Spanien nur Familienname ist. Er ist auch im spanischen Künstlerlexikon nicht selten: fünf Velasco und fünf Velazquez. Der merkwürdigste Namensvetter unseres Künstlers aber ist jener Velascus in der Signatur des grossen Gemäldes des Pfingstfestes in Santa Cruz zu Coimbra, vielleicht der hervorragendste Maler der altportugiesischen Schule, doch wol nicht identisch mit dem halbmythischen Grão Vasco.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/129>, abgerufen am 26.04.2024.