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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Der Graf von Benavente.
Geschichte nichts von sich zu erzählen hinterlassen und kann
trotz seines erlauchten Namens zu der Reihe der Dunkelmänner
gezählt werden. Er residirte meist in seinem Stammhause zu
Valladolid und gab bei den Jesuiten glänzende Feste. Als die
ihrer Zeit in Spanien verehrte visionäre Nonne Suor Luisa
(dieselbe welche die Infantin Maria dem Prinzen von Wales
bei seinem Abschied zu besuchen ans Herz legte) aus ihrem Ort
Carrion vom heiligen Uffiz nach Valladolid versetzt wurde (sie
erwies sich als apokryph und verschwand in klösterlicher Ab-
geschlossenheit), erschien mit grossem Gefolge auch Don An-
tonio; er hielt eine Scheere, um ihr (wie einst San Ildefonso mit
dem Messer König Receswinths der hl. Leocadia) die Hälfte
ihres Schleiers abzuschneiden. Nach der Revolution von Portugal,
in jener kritischen Zeit, als die Kopflosigkeit des Conde Duque
verschuldete, dass die damals noch leichte Bewältigung des Auf-
stands durch die Sammlung der Streitkräfte auf Katalonien ver-
säumt wurde, und als die spanischen Generale Monterey und
Garay in Estremadura keine Lorbeern ernteten, ernannte ihn der
König zum Gouverneur der portugiesischen Grenze; aber schon
im folgenden Frühjahr (1642) wurde ihm dieser Posten zu seinem
grossen Verdruss wieder abgenommen1).

Das Bildniss unsers D. Antonio zeigt die gute Constitution,
der sich nach obiger Familienchronik das Geschlecht erfreut
haben muss. Es ist ein Jüngling von strammer Haltung bei
fünfzig Jahren und grauen Haaren. Hohe, breite, schön gewölbte
Stirn mit spitzem Schopf, starke schwarze Brauen, dazwischen ent-
springt mit breiter Wurzel eine kurze Entenschnabelnase, der
weisse Schnurrbart deckt eine ungewöhnlich lange Oberlippe.
Diess gesunde Gesicht ist in einem ganz hellen, weichen, warmen
Ton, pastos und verschmolzen gemalt, mit grünlich grauen Halb-
tönen. Der Eindruck der glänzenden mit Gold damascirten
Stahlrüstung ist mit breiten, wilden Pinselstrichen erreicht. Er
legt die Rechte auf den Helm, der (nebst dem Kommandostab)
auf dem Tisch mit carmoisinrother Decke steht, die rothe Schärpe
wiederspiegelnd. An der Halskette bemerkt man Türkise.

Der helle Kopf ruht auf einem tief dunkelrothen Sammt-
vorhang. Himmel und Erde rechts sind eine wüste, blau grün-
liche Fläche.

1) El Conde de Benavente esta muy sentido porque le quitaron el gobierno
de la frontera de Portugal. Memorial historico XVI, 316. 5. April 1642. Vgl.
XIII, 154.

Der Graf von Benavente.
Geschichte nichts von sich zu erzählen hinterlassen und kann
trotz seines erlauchten Namens zu der Reihe der Dunkelmänner
gezählt werden. Er residirte meist in seinem Stammhause zu
Valladolid und gab bei den Jesuiten glänzende Feste. Als die
ihrer Zeit in Spanien verehrte visionäre Nonne Suor Luisa
(dieselbe welche die Infantin Maria dem Prinzen von Wales
bei seinem Abschied zu besuchen ans Herz legte) aus ihrem Ort
Carrion vom heiligen Uffiz nach Valladolid versetzt wurde (sie
erwies sich als apokryph und verschwand in klösterlicher Ab-
geschlossenheit), erschien mit grossem Gefolge auch Don An-
tonio; er hielt eine Scheere, um ihr (wie einst San Ildefonso mit
dem Messer König Receswinths der hl. Leocadia) die Hälfte
ihres Schleiers abzuschneiden. Nach der Revolution von Portugal,
in jener kritischen Zeit, als die Kopflosigkeit des Conde Duque
verschuldete, dass die damals noch leichte Bewältigung des Auf-
stands durch die Sammlung der Streitkräfte auf Katalonien ver-
säumt wurde, und als die spanischen Generale Monterey und
Garay in Estremadura keine Lorbeern ernteten, ernannte ihn der
König zum Gouverneur der portugiesischen Grenze; aber schon
im folgenden Frühjahr (1642) wurde ihm dieser Posten zu seinem
grossen Verdruss wieder abgenommen1).

Das Bildniss unsers D. Antonio zeigt die gute Constitution,
der sich nach obiger Familienchronik das Geschlecht erfreut
haben muss. Es ist ein Jüngling von strammer Haltung bei
fünfzig Jahren und grauen Haaren. Hohe, breite, schön gewölbte
Stirn mit spitzem Schopf, starke schwarze Brauen, dazwischen ent-
springt mit breiter Wurzel eine kurze Entenschnabelnase, der
weisse Schnurrbart deckt eine ungewöhnlich lange Oberlippe.
Diess gesunde Gesicht ist in einem ganz hellen, weichen, warmen
Ton, pastos und verschmolzen gemalt, mit grünlich grauen Halb-
tönen. Der Eindruck der glänzenden mit Gold damascirten
Stahlrüstung ist mit breiten, wilden Pinselstrichen erreicht. Er
legt die Rechte auf den Helm, der (nebst dem Kommandostab)
auf dem Tisch mit carmoisinrother Decke steht, die rothe Schärpe
wiederspiegelnd. An der Halskette bemerkt man Türkise.

Der helle Kopf ruht auf einem tief dunkelrothen Sammt-
vorhang. Himmel und Erde rechts sind eine wüste, blau grün-
liche Fläche.

1) El Conde de Benavente está muy sentido porque le quitaron el gobierno
de la frontera de Portugal. Memorial histórico XVI, 316. 5. April 1642. Vgl.
XIII, 154.
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[75/0095] Der Graf von Benavente. Geschichte nichts von sich zu erzählen hinterlassen und kann trotz seines erlauchten Namens zu der Reihe der Dunkelmänner gezählt werden. Er residirte meist in seinem Stammhause zu Valladolid und gab bei den Jesuiten glänzende Feste. Als die ihrer Zeit in Spanien verehrte visionäre Nonne Suor Luisa (dieselbe welche die Infantin Maria dem Prinzen von Wales bei seinem Abschied zu besuchen ans Herz legte) aus ihrem Ort Carrion vom heiligen Uffiz nach Valladolid versetzt wurde (sie erwies sich als apokryph und verschwand in klösterlicher Ab- geschlossenheit), erschien mit grossem Gefolge auch Don An- tonio; er hielt eine Scheere, um ihr (wie einst San Ildefonso mit dem Messer König Receswinths der hl. Leocadia) die Hälfte ihres Schleiers abzuschneiden. Nach der Revolution von Portugal, in jener kritischen Zeit, als die Kopflosigkeit des Conde Duque verschuldete, dass die damals noch leichte Bewältigung des Auf- stands durch die Sammlung der Streitkräfte auf Katalonien ver- säumt wurde, und als die spanischen Generale Monterey und Garay in Estremadura keine Lorbeern ernteten, ernannte ihn der König zum Gouverneur der portugiesischen Grenze; aber schon im folgenden Frühjahr (1642) wurde ihm dieser Posten zu seinem grossen Verdruss wieder abgenommen 1). Das Bildniss unsers D. Antonio zeigt die gute Constitution, der sich nach obiger Familienchronik das Geschlecht erfreut haben muss. Es ist ein Jüngling von strammer Haltung bei fünfzig Jahren und grauen Haaren. Hohe, breite, schön gewölbte Stirn mit spitzem Schopf, starke schwarze Brauen, dazwischen ent- springt mit breiter Wurzel eine kurze Entenschnabelnase, der weisse Schnurrbart deckt eine ungewöhnlich lange Oberlippe. Diess gesunde Gesicht ist in einem ganz hellen, weichen, warmen Ton, pastos und verschmolzen gemalt, mit grünlich grauen Halb- tönen. Der Eindruck der glänzenden mit Gold damascirten Stahlrüstung ist mit breiten, wilden Pinselstrichen erreicht. Er legt die Rechte auf den Helm, der (nebst dem Kommandostab) auf dem Tisch mit carmoisinrother Decke steht, die rothe Schärpe wiederspiegelnd. An der Halskette bemerkt man Türkise. Der helle Kopf ruht auf einem tief dunkelrothen Sammt- vorhang. Himmel und Erde rechts sind eine wüste, blau grün- liche Fläche. 1) El Conde de Benavente está muy sentido porque le quitaron el gobierno de la frontera de Portugal. Memorial histórico XVI, 316. 5. April 1642. Vgl. XIII, 154.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/95>, abgerufen am 26.04.2024.