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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

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II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft.
einem subjectiven, aber dem menschlichen Geschlecht
unnachlaslich anhängenden Grunde allein gemäs ist.

§. 76.
Anmerkung.

Diese Betrachtung, welche es gar sehr verdient in der
Transscendentalphilosophie umständlich ausgeführt zu wer-
den, mag hier nur episodisch, zur Erläuterung (nicht zum
Beweise des hier Vorgetragenen), eintreten.

Die Vernunft ist ein Vermögen der Principien und
geht in ihrer äussersten Forderung aufs Unbedingte, da hin-
gegen der Verstand ihr immer nur unter einer gewissen Be-
dingung, die gegeben werden muß, zu Diensten steht. Ohne
Begriffe des Verstandes aber, denen objective Realität gege-
ben werden muß, kann die Vernunft gar nicht objectiv (syn-
thetisch) urtheilen und enthält, als theoretische Vernunft, für
sich schlechterdings keine constitutive, sondern blos regulative
Principien. Man wird bald inne: daß, wo der Verstand
nicht folgen kann, die Vernunft überschwenglich wird und in
zuvor gegründeten Jdeen (als regulativer Principien), aber
nicht objectiv gültigen Begriffen sich hervorthut, der Verstand
aber, der mit ihr nicht Schritt halten kann aber doch zur
Gültigkeit für Objecte nöthig seyn würde, die Gültigkeit
jener Jdeen der Vernunft nur auf das Subject, aber
doch allgemein für alle von dieser Gattung, d. i. auf
die Bedingung einschränke, daß nach der Natur unseres
(menschlichen) Erkenntnisvermögens oder gar überhaupt nach
dem Begriffe, den wir uns von dem Vermögen eines end-
lichen vernünftigen Wesens überhaupt machen können, nicht
anders als so könne und müsse gedacht werden, ohne doch zu
behaupten, daß der Grund eines solchen Urtheils im Objecte

II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
einem ſubjectiven, aber dem menſchlichen Geſchlecht
unnachlaslich anhaͤngenden Grunde allein gemaͤs iſt.

§. 76.
Anmerkung.

Dieſe Betrachtung, welche es gar ſehr verdient in der
Transſcendentalphiloſophie umſtaͤndlich ausgefuͤhrt zu wer-
den, mag hier nur epiſodiſch, zur Erlaͤuterung (nicht zum
Beweiſe des hier Vorgetragenen), eintreten.

Die Vernunft iſt ein Vermoͤgen der Principien und
geht in ihrer aͤuſſerſten Forderung aufs Unbedingte, da hin-
gegen der Verſtand ihr immer nur unter einer gewiſſen Be-
dingung, die gegeben werden muß, zu Dienſten ſteht. Ohne
Begriffe des Verſtandes aber, denen objective Realitaͤt gege-
ben werden muß, kann die Vernunft gar nicht objectiv (ſyn-
thetiſch) urtheilen und enthaͤlt, als theoretiſche Vernunft, fuͤr
ſich ſchlechterdings keine conſtitutive, ſondern blos regulative
Principien. Man wird bald inne: daß, wo der Verſtand
nicht folgen kann, die Vernunft uͤberſchwenglich wird und in
zuvor gegruͤndeten Jdeen (als regulativer Principien), aber
nicht objectiv guͤltigen Begriffen ſich hervorthut, der Verſtand
aber, der mit ihr nicht Schritt halten kann aber doch zur
Guͤltigkeit fuͤr Objecte noͤthig ſeyn wuͤrde, die Guͤltigkeit
jener Jdeen der Vernunft nur auf das Subject, aber
doch allgemein fuͤr alle von dieſer Gattung, d. i. auf
die Bedingung einſchraͤnke, daß nach der Natur unſeres
(menſchlichen) Erkenntnisvermoͤgens oder gar uͤberhaupt nach
dem Begriffe, den wir uns von dem Vermoͤgen eines end-
lichen vernuͤnftigen Weſens uͤberhaupt machen koͤnnen, nicht
anders als ſo koͤnne und muͤſſe gedacht werden, ohne doch zu
behaupten, daß der Grund eines ſolchen Urtheils im Objecte

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[335/0399] II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. einem ſubjectiven, aber dem menſchlichen Geſchlecht unnachlaslich anhaͤngenden Grunde allein gemaͤs iſt. §. 76. Anmerkung. Dieſe Betrachtung, welche es gar ſehr verdient in der Transſcendentalphiloſophie umſtaͤndlich ausgefuͤhrt zu wer- den, mag hier nur epiſodiſch, zur Erlaͤuterung (nicht zum Beweiſe des hier Vorgetragenen), eintreten. Die Vernunft iſt ein Vermoͤgen der Principien und geht in ihrer aͤuſſerſten Forderung aufs Unbedingte, da hin- gegen der Verſtand ihr immer nur unter einer gewiſſen Be- dingung, die gegeben werden muß, zu Dienſten ſteht. Ohne Begriffe des Verſtandes aber, denen objective Realitaͤt gege- ben werden muß, kann die Vernunft gar nicht objectiv (ſyn- thetiſch) urtheilen und enthaͤlt, als theoretiſche Vernunft, fuͤr ſich ſchlechterdings keine conſtitutive, ſondern blos regulative Principien. Man wird bald inne: daß, wo der Verſtand nicht folgen kann, die Vernunft uͤberſchwenglich wird und in zuvor gegruͤndeten Jdeen (als regulativer Principien), aber nicht objectiv guͤltigen Begriffen ſich hervorthut, der Verſtand aber, der mit ihr nicht Schritt halten kann aber doch zur Guͤltigkeit fuͤr Objecte noͤthig ſeyn wuͤrde, die Guͤltigkeit jener Jdeen der Vernunft nur auf das Subject, aber doch allgemein fuͤr alle von dieſer Gattung, d. i. auf die Bedingung einſchraͤnke, daß nach der Natur unſeres (menſchlichen) Erkenntnisvermoͤgens oder gar uͤberhaupt nach dem Begriffe, den wir uns von dem Vermoͤgen eines end- lichen vernuͤnftigen Weſens uͤberhaupt machen koͤnnen, nicht anders als ſo koͤnne und muͤſſe gedacht werden, ohne doch zu behaupten, daß der Grund eines ſolchen Urtheils im Objecte

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/399>, abgerufen am 26.04.2024.