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Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ein anderes Obdach suchen. Vorher aber möchte ich Ein Mal, nur Ein Mal recht lustig sein, und zwar mit dir; ich möchte recht herzlich und fleißig mit dir tanzen irgendwo, denn das Tanzen aus dem Traume steckt mir immerfort im Sinn! -- Jedenfalls will ich dabei sein und sehen, wo du unterkommst, sagte Sali, und tanzen wollte ich auch gerne mit dir, du herziges Kind! aber wo? -- Es ist morgen Kirchweih an zwei Orten nicht sehr weit von hier, erwiderte Vrenchen, da kennt und beachtet man uns weniger; draußen am Wasser will ich auf dich warten, und dann können wir gehen, wohin es uns gefällt, um uns lustig zu machen, einmal, Ein Mal nur! Aber je, wir haben ja gar kein Geld! setzte es traurig hinzu, da kann nichts daraus werden! -- Laß nur, sagte Sali, ich will schon etwas mitbringen!-- Doch nicht von deinem Vater, von -- von dem Gestohlenen? -- Nein, sei nur ruhig! ich habe noch meine silberne Uhr bewahrt bis dahin, die will ich verkaufen. -- Ich will dir nicht abrathen, sagte Vrenchen erröthend, denn ich glaube, ich müßte sterben, wenn ich nicht morgen mit dir tanzen könnte. -- Es wäre das Beste, wir Beide könnten sterben! sagte Sali, sie umarmten sich wehmüthig und schmerzlich zum Abschied, und als sie von einander ließen, lachten sie sich doch freundlich an in der sicheren Hoffnung auf den nächsten Tag. Aber wann willst du denn kommen! rief Vrenchen noch; -- spätestens um eilf Uhr Mittags, erwiderte er, wir

ein anderes Obdach suchen. Vorher aber möchte ich Ein Mal, nur Ein Mal recht lustig sein, und zwar mit dir; ich möchte recht herzlich und fleißig mit dir tanzen irgendwo, denn das Tanzen aus dem Traume steckt mir immerfort im Sinn! — Jedenfalls will ich dabei sein und sehen, wo du unterkommst, sagte Sali, und tanzen wollte ich auch gerne mit dir, du herziges Kind! aber wo? — Es ist morgen Kirchweih an zwei Orten nicht sehr weit von hier, erwiderte Vrenchen, da kennt und beachtet man uns weniger; draußen am Wasser will ich auf dich warten, und dann können wir gehen, wohin es uns gefällt, um uns lustig zu machen, einmal, Ein Mal nur! Aber je, wir haben ja gar kein Geld! setzte es traurig hinzu, da kann nichts daraus werden! — Laß nur, sagte Sali, ich will schon etwas mitbringen!— Doch nicht von deinem Vater, von — von dem Gestohlenen? — Nein, sei nur ruhig! ich habe noch meine silberne Uhr bewahrt bis dahin, die will ich verkaufen. — Ich will dir nicht abrathen, sagte Vrenchen erröthend, denn ich glaube, ich müßte sterben, wenn ich nicht morgen mit dir tanzen könnte. — Es wäre das Beste, wir Beide könnten sterben! sagte Sali, sie umarmten sich wehmüthig und schmerzlich zum Abschied, und als sie von einander ließen, lachten sie sich doch freundlich an in der sicheren Hoffnung auf den nächsten Tag. Aber wann willst du denn kommen! rief Vrenchen noch; — spätestens um eilf Uhr Mittags, erwiderte er, wir

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[0076] ein anderes Obdach suchen. Vorher aber möchte ich Ein Mal, nur Ein Mal recht lustig sein, und zwar mit dir; ich möchte recht herzlich und fleißig mit dir tanzen irgendwo, denn das Tanzen aus dem Traume steckt mir immerfort im Sinn! — Jedenfalls will ich dabei sein und sehen, wo du unterkommst, sagte Sali, und tanzen wollte ich auch gerne mit dir, du herziges Kind! aber wo? — Es ist morgen Kirchweih an zwei Orten nicht sehr weit von hier, erwiderte Vrenchen, da kennt und beachtet man uns weniger; draußen am Wasser will ich auf dich warten, und dann können wir gehen, wohin es uns gefällt, um uns lustig zu machen, einmal, Ein Mal nur! Aber je, wir haben ja gar kein Geld! setzte es traurig hinzu, da kann nichts daraus werden! — Laß nur, sagte Sali, ich will schon etwas mitbringen!— Doch nicht von deinem Vater, von — von dem Gestohlenen? — Nein, sei nur ruhig! ich habe noch meine silberne Uhr bewahrt bis dahin, die will ich verkaufen. — Ich will dir nicht abrathen, sagte Vrenchen erröthend, denn ich glaube, ich müßte sterben, wenn ich nicht morgen mit dir tanzen könnte. — Es wäre das Beste, wir Beide könnten sterben! sagte Sali, sie umarmten sich wehmüthig und schmerzlich zum Abschied, und als sie von einander ließen, lachten sie sich doch freundlich an in der sicheren Hoffnung auf den nächsten Tag. Aber wann willst du denn kommen! rief Vrenchen noch; — spätestens um eilf Uhr Mittags, erwiderte er, wir

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:34:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:34:29Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/76>, abgerufen am 26.04.2024.