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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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baut, in kleinerem Maßstabe, aber immer poe¬
tisch. Eine Menge Thäler und Einschnitte, von
Gewässern durchzogen, versprachen eine reiche Zu¬
flucht für fortwährende Streifereien, vorzüglich
war es ein rechtes Waldland. Die Formen wa¬
ren eben nicht malerisch, meistens sogar mono¬
ton, und doch waren die Gegenstände groß und
schön durch ihr Dasein, durch ihre Bedeutung,
durch den Contrast, in welchem sie zu einander
standen und erst in den Ueber- und Durchgängen
gab es eine Menge malerischer Anblicke, welche
gesucht sein wollten, indessen das reichste Detail
an Bäumen und Steinen bei jedem Schritte ent¬
gegensprang. Kurz, es war nicht eine raffinirte
schöne Gegend, deren Hauptzüge in einem Tage
erschöpft sind, sondern eine solide Landschaft,
welche bei anscheinender Härte und Schroffheit
tief und lebendig war. Dieser und jener Berg
lag gleich einem Wallrosse träg und einförmig
da, aber wenn man in ihn hineinging, so bot er
alle Wunder der Phantasie so reichlich, daß einem
die Wahl schwer wurde.

Indessen wir auf einem anderen Wege nach

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baut, in kleinerem Maßſtabe, aber immer poe¬
tiſch. Eine Menge Thaͤler und Einſchnitte, von
Gewaͤſſern durchzogen, verſprachen eine reiche Zu¬
flucht fuͤr fortwaͤhrende Streifereien, vorzuͤglich
war es ein rechtes Waldland. Die Formen wa¬
ren eben nicht maleriſch, meiſtens ſogar mono¬
ton, und doch waren die Gegenſtaͤnde groß und
ſchoͤn durch ihr Daſein, durch ihre Bedeutung,
durch den Contraſt, in welchem ſie zu einander
ſtanden und erſt in den Ueber- und Durchgaͤngen
gab es eine Menge maleriſcher Anblicke, welche
geſucht ſein wollten, indeſſen das reichſte Detail
an Baͤumen und Steinen bei jedem Schritte ent¬
gegenſprang. Kurz, es war nicht eine raffinirte
ſchoͤne Gegend, deren Hauptzuͤge in einem Tage
erſchoͤpft ſind, ſondern eine ſolide Landſchaft,
welche bei anſcheinender Haͤrte und Schroffheit
tief und lebendig war. Dieſer und jener Berg
lag gleich einem Wallroſſe traͤg und einfoͤrmig
da, aber wenn man in ihn hineinging, ſo bot er
alle Wunder der Phantaſie ſo reichlich, daß einem
die Wahl ſchwer wurde.

Indeſſen wir auf einem anderen Wege nach

3 *
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[35/0045] baut, in kleinerem Maßſtabe, aber immer poe¬ tiſch. Eine Menge Thaͤler und Einſchnitte, von Gewaͤſſern durchzogen, verſprachen eine reiche Zu¬ flucht fuͤr fortwaͤhrende Streifereien, vorzuͤglich war es ein rechtes Waldland. Die Formen wa¬ ren eben nicht maleriſch, meiſtens ſogar mono¬ ton, und doch waren die Gegenſtaͤnde groß und ſchoͤn durch ihr Daſein, durch ihre Bedeutung, durch den Contraſt, in welchem ſie zu einander ſtanden und erſt in den Ueber- und Durchgaͤngen gab es eine Menge maleriſcher Anblicke, welche geſucht ſein wollten, indeſſen das reichſte Detail an Baͤumen und Steinen bei jedem Schritte ent¬ gegenſprang. Kurz, es war nicht eine raffinirte ſchoͤne Gegend, deren Hauptzuͤge in einem Tage erſchoͤpft ſind, ſondern eine ſolide Landſchaft, welche bei anſcheinender Haͤrte und Schroffheit tief und lebendig war. Dieſer und jener Berg lag gleich einem Wallroſſe traͤg und einfoͤrmig da, aber wenn man in ihn hineinging, ſo bot er alle Wunder der Phantaſie ſo reichlich, daß einem die Wahl ſchwer wurde. Indeſſen wir auf einem anderen Wege nach 3 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/45>, abgerufen am 26.04.2024.