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Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.

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III. Abtheilung.
staben nöthigen Bewegungen nicht so geschickt aus-
führen, wenn sich nicht der untere Kiefer hinabbe-
gäbe, den inneren Mund erweiterte, und dem
Spiele der Zunge Raum verschafte. Man kann
zwar bey fest zusammen geschlossenen Zähnen zur
Noth und mit etwas Mühe noch immer vernehm-
lich sprechen, allein da ist die Sprache von ihrem
Wohlklang, und ihrer Annehmlichkeit so weit ent-
fernet, daß sie vielmehr zurückschrecket. Es ist der
karakteristische Ausdruck der Rachgier und Wuth,
das Zähneknirschen. Die Zunge ziehet sich nämlich
gegen den Schlund zurück, so daß ihre Spitze in
die Mitte des Mundes, wo er eben am geräumig-
sten ist, zu liegen kömmt, folglich freyeres Feld zu
ihren Bewegungen findet. Sie formet da alle Buch-
staben, aber die meisten sehr undeutlich. Dazu
kömmt, daß die Zähne nie so genau zusammen auf-
einander schließen, daß nicht der Schall der Stim-
me durch die Zwischenräume, obschon sehr gedämpft,
doch immer noch hörbar durchdringen könnte. Es
ist also ausgemacht, daß zur Vollkommenheit der
Sprache sich nicht nur die Lippen öffnen, sondern
auch die zwey Reihen Zähne nach einem gewißen

Ver-

III. Abtheilung.
ſtaben noͤthigen Bewegungen nicht ſo geſchickt aus-
fuͤhren, wenn ſich nicht der untere Kiefer hinabbe-
gaͤbe, den inneren Mund erweiterte, und dem
Spiele der Zunge Raum verſchafte. Man kann
zwar bey feſt zuſammen geſchloſſenen Zaͤhnen zur
Noth und mit etwas Muͤhe noch immer vernehm-
lich ſprechen, allein da iſt die Sprache von ihrem
Wohlklang, und ihrer Annehmlichkeit ſo weit ent-
fernet, daß ſie vielmehr zuruͤckſchrecket. Es iſt der
karakteriſtiſche Ausdruck der Rachgier und Wuth,
das Zaͤhneknirſchen. Die Zunge ziehet ſich naͤmlich
gegen den Schlund zuruͤck, ſo daß ihre Spitze in
die Mitte des Mundes, wo er eben am geraͤumig-
ſten iſt, zu liegen koͤmmt, folglich freyeres Feld zu
ihren Bewegungen findet. Sie formet da alle Buch-
ſtaben, aber die meiſten ſehr undeutlich. Dazu
koͤmmt, daß die Zaͤhne nie ſo genau zuſammen auf-
einander ſchließen, daß nicht der Schall der Stim-
me durch die Zwiſchenraͤume, obſchon ſehr gedaͤmpft,
doch immer noch hoͤrbar durchdringen koͤnnte. Es
iſt alſo ausgemacht, daß zur Vollkommenheit der
Sprache ſich nicht nur die Lippen oͤffnen, ſondern
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Ver-
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[130/0170] III. Abtheilung. ſtaben noͤthigen Bewegungen nicht ſo geſchickt aus- fuͤhren, wenn ſich nicht der untere Kiefer hinabbe- gaͤbe, den inneren Mund erweiterte, und dem Spiele der Zunge Raum verſchafte. Man kann zwar bey feſt zuſammen geſchloſſenen Zaͤhnen zur Noth und mit etwas Muͤhe noch immer vernehm- lich ſprechen, allein da iſt die Sprache von ihrem Wohlklang, und ihrer Annehmlichkeit ſo weit ent- fernet, daß ſie vielmehr zuruͤckſchrecket. Es iſt der karakteriſtiſche Ausdruck der Rachgier und Wuth, das Zaͤhneknirſchen. Die Zunge ziehet ſich naͤmlich gegen den Schlund zuruͤck, ſo daß ihre Spitze in die Mitte des Mundes, wo er eben am geraͤumig- ſten iſt, zu liegen koͤmmt, folglich freyeres Feld zu ihren Bewegungen findet. Sie formet da alle Buch- ſtaben, aber die meiſten ſehr undeutlich. Dazu koͤmmt, daß die Zaͤhne nie ſo genau zuſammen auf- einander ſchließen, daß nicht der Schall der Stim- me durch die Zwiſchenraͤume, obſchon ſehr gedaͤmpft, doch immer noch hoͤrbar durchdringen koͤnnte. Es iſt alſo ausgemacht, daß zur Vollkommenheit der Sprache ſich nicht nur die Lippen oͤffnen, ſondern auch die zwey Reihen Zaͤhne nach einem gewißen Ver-

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Zitationshilfe: Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/170>, abgerufen am 26.04.2024.