Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

schrey verdorben, wie viel schlaflose Nächte sie
dem sorgsamen Vater gemacht haben, der
alle Kräfte aufboth, für seine Familie zu ar¬
beiten, sich manche Bequemlichkeit entziehn,
vor manchem Schurken sich krümmen musste,
um Unterhalt für die Seinigen zu erringen.
Gutgeartete Gemüther werden indessen nie
so sehr das Gefühl der Dankbarkeit ersticken,
daß sie meiner Ermahnungen bedürften, und
für niedre Seelen schreibe ich nicht. Nur er¬
innere ich so viel, daß wenn auch Kinder Ur¬
sache hätten, sich der Schwachheiten, oder gar
der Laster ihrer Eltern zu schämen, sie doch
weiser und besser handeln, wenn sie die Feh¬
ler derselben so viel möglich zu verstecken su¬
chen, und im äussern Umgange nie die Ehrer¬
biethung aus den Augen setzen, die sie ihnen
in so manchem Betrachte schuldig sind. Se¬
gen des Himmels und Achtung aller gutge¬
sinnten Menschen sind der sichre Preis der
Sorgfalt, welche die Söhne und Töchter auf
die Pflege, Erhaltung und edle Behandlung
ihrer Eltern verwenden.

4.

ſchrey verdorben, wie viel ſchlafloſe Naͤchte ſie
dem ſorgſamen Vater gemacht haben, der
alle Kraͤfte aufboth, fuͤr ſeine Familie zu ar¬
beiten, ſich manche Bequemlichkeit entziehn,
vor manchem Schurken ſich kruͤmmen muſſte,
um Unterhalt fuͤr die Seinigen zu erringen.
Gutgeartete Gemuͤther werden indeſſen nie
ſo ſehr das Gefuͤhl der Dankbarkeit erſticken,
daß ſie meiner Ermahnungen beduͤrften, und
fuͤr niedre Seelen ſchreibe ich nicht. Nur er¬
innere ich ſo viel, daß wenn auch Kinder Ur¬
ſache haͤtten, ſich der Schwachheiten, oder gar
der Laſter ihrer Eltern zu ſchaͤmen, ſie doch
weiſer und beſſer handeln, wenn ſie die Feh¬
ler derſelben ſo viel moͤglich zu verſtecken ſu¬
chen, und im aͤuſſern Umgange nie die Ehrer¬
biethung aus den Augen ſetzen, die ſie ihnen
in ſo manchem Betrachte ſchuldig ſind. Se¬
gen des Himmels und Achtung aller gutge¬
ſinnten Menſchen ſind der ſichre Preis der
Sorgfalt, welche die Soͤhne und Toͤchter auf
die Pflege, Erhaltung und edle Behandlung
ihrer Eltern verwenden.

4.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0139" n="109"/>
&#x017F;chrey verdorben, wie viel &#x017F;chlaflo&#x017F;e Na&#x0364;chte &#x017F;ie<lb/>
dem &#x017F;org&#x017F;amen Vater gemacht haben, der<lb/>
alle Kra&#x0364;fte aufboth, fu&#x0364;r &#x017F;eine Familie zu ar¬<lb/>
beiten, &#x017F;ich manche Bequemlichkeit entziehn,<lb/>
vor manchem Schurken &#x017F;ich kru&#x0364;mmen mu&#x017F;&#x017F;te,<lb/>
um Unterhalt fu&#x0364;r die Seinigen zu erringen.<lb/>
Gutgeartete Gemu&#x0364;ther werden inde&#x017F;&#x017F;en nie<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr das Gefu&#x0364;hl der Dankbarkeit er&#x017F;ticken,<lb/>
daß &#x017F;ie meiner Ermahnungen bedu&#x0364;rften, und<lb/>
fu&#x0364;r niedre Seelen &#x017F;chreibe ich nicht. Nur er¬<lb/>
innere ich &#x017F;o viel, daß wenn auch Kinder Ur¬<lb/>
&#x017F;ache ha&#x0364;tten, &#x017F;ich der Schwachheiten, oder gar<lb/>
der La&#x017F;ter ihrer Eltern zu &#x017F;cha&#x0364;men, &#x017F;ie doch<lb/>
wei&#x017F;er und be&#x017F;&#x017F;er handeln, wenn &#x017F;ie die Feh¬<lb/>
ler der&#x017F;elben &#x017F;o viel mo&#x0364;glich zu ver&#x017F;tecken &#x017F;<lb/>
chen, und im a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern Umgange nie die Ehrer¬<lb/>
biethung aus den Augen &#x017F;etzen, die &#x017F;ie ihnen<lb/>
in &#x017F;o manchem Betrachte &#x017F;chuldig &#x017F;ind. Se¬<lb/>
gen des Himmels und Achtung aller gutge¬<lb/>
&#x017F;innten Men&#x017F;chen &#x017F;ind der &#x017F;ichre Preis der<lb/>
Sorgfalt, welche die So&#x0364;hne und To&#x0364;chter auf<lb/>
die Pflege, Erhaltung und edle Behandlung<lb/>
ihrer Eltern verwenden.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">4.<lb/></fw>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0139] ſchrey verdorben, wie viel ſchlafloſe Naͤchte ſie dem ſorgſamen Vater gemacht haben, der alle Kraͤfte aufboth, fuͤr ſeine Familie zu ar¬ beiten, ſich manche Bequemlichkeit entziehn, vor manchem Schurken ſich kruͤmmen muſſte, um Unterhalt fuͤr die Seinigen zu erringen. Gutgeartete Gemuͤther werden indeſſen nie ſo ſehr das Gefuͤhl der Dankbarkeit erſticken, daß ſie meiner Ermahnungen beduͤrften, und fuͤr niedre Seelen ſchreibe ich nicht. Nur er¬ innere ich ſo viel, daß wenn auch Kinder Ur¬ ſache haͤtten, ſich der Schwachheiten, oder gar der Laſter ihrer Eltern zu ſchaͤmen, ſie doch weiſer und beſſer handeln, wenn ſie die Feh¬ ler derſelben ſo viel moͤglich zu verſtecken ſu¬ chen, und im aͤuſſern Umgange nie die Ehrer¬ biethung aus den Augen ſetzen, die ſie ihnen in ſo manchem Betrachte ſchuldig ſind. Se¬ gen des Himmels und Achtung aller gutge¬ ſinnten Menſchen ſind der ſichre Preis der Sorgfalt, welche die Soͤhne und Toͤchter auf die Pflege, Erhaltung und edle Behandlung ihrer Eltern verwenden. 4.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/139
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/139>, abgerufen am 26.04.2024.