"verliebt zu werden, seine Empfindungen bey "einer schicklichen Gelegenheit an den Tag zu "legen; auch weiß dann die Cokette schon, was "sie bey solchen Vorfällen zu antworten hat. "Sie glaubt das Ding nicht sogleich, meint, der "Herr wolle sie zum Besten haben, er spiele "den Romanhelden oder, wenn er dringend "wird, und sie glaubt nach und nach überzeugt "werden zu müssen; so kömmt zuerst eine Bitte, "ihrer Schwachheit zu schonen, ihr nicht ein Ge¬ "ständniß abzunöthigen, wobey sie erröthen "müsste; und dann will der entzückte Liebha¬ "ber dem holden Engel um den Hals fallen, "und in Wonne dahinschmelzen; aber die "Schöne protestiert feyerlich gegen alle solche "Freyheiten, verlässt sich überhaupt auf seine "Ehre und Rechtschaffenheit, reicht ihm höch¬ "stens die Backe dar, theilt ihre Gunstverwil¬ "ligungen in unendlich kleine Parcelen, um "täglich nur um ein Haar breit dem Ziele nä¬ "her rücken zu dürfen, damit der schöne Ro¬ "man desto länger dauern möge, und wenn "auf andre Art keine Zeit mehr zu gewinnen "ist, muß ein kleiner Zwist dazwischenkommen, "die völlige Entwickelung aufhalten, und die
"Uhr
„verliebt zu werden, ſeine Empfindungen bey „einer ſchicklichen Gelegenheit an den Tag zu „legen; auch weiß dann die Cokette ſchon, was „ſie bey ſolchen Vorfaͤllen zu antworten hat. „Sie glaubt das Ding nicht ſogleich, meint, der „Herr wolle ſie zum Beſten haben, er ſpiele „den Romanhelden oder, wenn er dringend „wird, und ſie glaubt nach und nach uͤberzeugt „werden zu muͤſſen; ſo koͤmmt zuerſt eine Bitte, „ihrer Schwachheit zu ſchonen, ihr nicht ein Ge¬ „ſtaͤndniß abzunoͤthigen, wobey ſie erroͤthen „muͤſſte; und dann will der entzuͤckte Liebha¬ „ber dem holden Engel um den Hals fallen, „und in Wonne dahinſchmelzen; aber die „Schoͤne proteſtiert feyerlich gegen alle ſolche „Freyheiten, verlaͤſſt ſich uͤberhaupt auf ſeine „Ehre und Rechtſchaffenheit, reicht ihm hoͤch¬ „ſtens die Backe dar, theilt ihre Gunſtverwil¬ „ligungen in unendlich kleine Parcelen, um „taͤglich nur um ein Haar breit dem Ziele naͤ¬ „her ruͤcken zu duͤrfen, damit der ſchoͤne Ro¬ „man deſto laͤnger dauern moͤge, und wenn „auf andre Art keine Zeit mehr zu gewinnen „iſt, muß ein kleiner Zwiſt dazwiſchenkommen, „die voͤllige Entwickelung aufhalten, und die
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„verliebt zu werden, ſeine Empfindungen bey
„einer ſchicklichen Gelegenheit an den Tag zu
„legen; auch weiß dann die Cokette ſchon, was
„ſie bey ſolchen Vorfaͤllen zu antworten hat.
„Sie glaubt das Ding nicht ſogleich, meint, der
„Herr wolle ſie zum Beſten haben, er ſpiele
„den Romanhelden oder, wenn er dringend
„wird, und ſie glaubt nach und nach uͤberzeugt
„werden zu muͤſſen; ſo koͤmmt zuerſt eine Bitte,
„ihrer Schwachheit zu ſchonen, ihr nicht ein Ge¬
„ſtaͤndniß abzunoͤthigen, wobey ſie erroͤthen
„muͤſſte; und dann will der entzuͤckte Liebha¬
„ber dem holden Engel um den Hals fallen,
„und in Wonne dahinſchmelzen; aber die
„Schoͤne proteſtiert feyerlich gegen alle ſolche
„Freyheiten, verlaͤſſt ſich uͤberhaupt auf ſeine
„Ehre und Rechtſchaffenheit, reicht ihm hoͤch¬
„ſtens die Backe dar, theilt ihre Gunſtverwil¬
„ligungen in unendlich kleine Parcelen, um
„taͤglich nur um ein Haar breit dem Ziele naͤ¬
„her ruͤcken zu duͤrfen, damit der ſchoͤne Ro¬
„man deſto laͤnger dauern moͤge, und wenn
„auf andre Art keine Zeit mehr zu gewinnen
„iſt, muß ein kleiner Zwiſt dazwiſchenkommen,
„die voͤllige Entwickelung aufhalten, und die
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/194>, abgerufen am 26.04.2024.
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