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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Amnios.
z. Th. spindelförmig ausgezogenen Elementen bestand. Bei einem
7 Wochen alten Embryo des Menschen war die äussere Lage schon
ziemlich deutlich faserig wie Bindegewebe, zeigte jedoch noch ziem-
lich viele kernhaltige Zellenkörper und wie sternförmige anastomo-
sirende Zellen. Diesem zufolge scheint das Amnios auch hier, wie
beim Hühnchen, eine Fortsetzung nicht blos der Epidermis, sondern
der ganzen Haut zu sein. Bemerkenswerth ist, dass das Amnios
des Hühnchens deutlich contractil ist. K. E. v. Baer ist derContractilität des
Amnios.

Erste, der angibt, dass das Amnios am 7. Tage bald an dem einen,
bald an dem andern Ende sich zusammenziehe und runzle und so
dem Embryo eine oscillatorische Bewegung mittheile, doch blieb
diese Beobachtung lange Zeit unberücksichtigt und wurde erst im
Jahre 1854 durch Remak der Vergessenheit entrissen (Müll. Arch.
S. 369). Remak beobachtete die Contractionen des Amnios am
7. Tage und wies zugleich spindelförmige, einkernige Muskelfasern
in der Faserschicht des Amnios nach, welche Angabe ich mit Vul-
pian
bestätigen kann. Dieser Autor gibt ausserdem an (Brown Se-
quard
, Journal de Phys. I. pag. 619), dass die Bewegungen des Am-
nios bis zu den letzten Brüttagen bleiben. Die entferntere Ursache
dieser Bewegungen anlangend, so glaubte v. Baer, dass dieselben
durch die Kälte veranlasst werden, und Remak deutet wenigstens an,
dass dieselben innerhalb des Eies vielleicht nicht vorhanden seien,
Vulpian hat jedoch gezeigt, dass, wenn man zwischen dem 6. und
8. Tage ein Ei in einem dunklen Raume durch ein Licht erhellt, ganz
entschiedene Bewegungen des Embryo wahrgenommen werden, die
er auf Rechnung des Amnios setzt, wobei jedoch zu bemerken ist,
dass, wie schon v. Baer gezeigt hat und auch Remak und Vulpian
zugeben, der Embryo schon am 7. Tage schwache selbständige
Bewegungen zeigt. Noch erwähne ich Ihnen, dass ich eben so we-
nig, wie Vulpian und Remak, Nerven im Amnios aufzufinden im Stande
war, so wie dass von Bewegungen des Amnios von Säugern nichts
bekannt ist.

Das Amnios hat zu keiner Zeit und bei keinem Geschöpfe selb-
ständige Gefässe.



Amnios.
z. Th. spindelförmig ausgezogenen Elementen bestand. Bei einem
7 Wochen alten Embryo des Menschen war die äussere Lage schon
ziemlich deutlich faserig wie Bindegewebe, zeigte jedoch noch ziem-
lich viele kernhaltige Zellenkörper und wie sternförmige anastomo-
sirende Zellen. Diesem zufolge scheint das Amnios auch hier, wie
beim Hühnchen, eine Fortsetzung nicht blos der Epidermis, sondern
der ganzen Haut zu sein. Bemerkenswerth ist, dass das Amnios
des Hühnchens deutlich contractil ist. K. E. v. Baer ist derContractilität des
Amnios.

Erste, der angibt, dass das Amnios am 7. Tage bald an dem einen,
bald an dem andern Ende sich zusammenziehe und runzle und so
dem Embryo eine oscillatorische Bewegung mittheile, doch blieb
diese Beobachtung lange Zeit unberücksichtigt und wurde erst im
Jahre 1854 durch Remak der Vergessenheit entrissen (Müll. Arch.
S. 369). Remak beobachtete die Contractionen des Amnios am
7. Tage und wies zugleich spindelförmige, einkernige Muskelfasern
in der Faserschicht des Amnios nach, welche Angabe ich mit Vul-
pian
bestätigen kann. Dieser Autor gibt ausserdem an (Brown Sé-
quard
, Journal de Phys. I. pag. 619), dass die Bewegungen des Am-
nios bis zu den letzten Brüttagen bleiben. Die entferntere Ursache
dieser Bewegungen anlangend, so glaubte v. Baer, dass dieselben
durch die Kälte veranlasst werden, und Remak deutet wenigstens an,
dass dieselben innerhalb des Eies vielleicht nicht vorhanden seien,
Vulpian hat jedoch gezeigt, dass, wenn man zwischen dem 6. und
8. Tage ein Ei in einem dunklen Raume durch ein Licht erhellt, ganz
entschiedene Bewegungen des Embryo wahrgenommen werden, die
er auf Rechnung des Amnios setzt, wobei jedoch zu bemerken ist,
dass, wie schon v. Baer gezeigt hat und auch Remak und Vulpian
zugeben, der Embryo schon am 7. Tage schwache selbständige
Bewegungen zeigt. Noch erwähne ich Ihnen, dass ich eben so we-
nig, wie Vulpian und Remak, Nerven im Amnios aufzufinden im Stande
war, so wie dass von Bewegungen des Amnios von Säugern nichts
bekannt ist.

Das Amnios hat zu keiner Zeit und bei keinem Geschöpfe selb-
ständige Gefässe.



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[101/0117] Amnios. z. Th. spindelförmig ausgezogenen Elementen bestand. Bei einem 7 Wochen alten Embryo des Menschen war die äussere Lage schon ziemlich deutlich faserig wie Bindegewebe, zeigte jedoch noch ziem- lich viele kernhaltige Zellenkörper und wie sternförmige anastomo- sirende Zellen. Diesem zufolge scheint das Amnios auch hier, wie beim Hühnchen, eine Fortsetzung nicht blos der Epidermis, sondern der ganzen Haut zu sein. Bemerkenswerth ist, dass das Amnios des Hühnchens deutlich contractil ist. K. E. v. Baer ist der Erste, der angibt, dass das Amnios am 7. Tage bald an dem einen, bald an dem andern Ende sich zusammenziehe und runzle und so dem Embryo eine oscillatorische Bewegung mittheile, doch blieb diese Beobachtung lange Zeit unberücksichtigt und wurde erst im Jahre 1854 durch Remak der Vergessenheit entrissen (Müll. Arch. S. 369). Remak beobachtete die Contractionen des Amnios am 7. Tage und wies zugleich spindelförmige, einkernige Muskelfasern in der Faserschicht des Amnios nach, welche Angabe ich mit Vul- pian bestätigen kann. Dieser Autor gibt ausserdem an (Brown Sé- quard, Journal de Phys. I. pag. 619), dass die Bewegungen des Am- nios bis zu den letzten Brüttagen bleiben. Die entferntere Ursache dieser Bewegungen anlangend, so glaubte v. Baer, dass dieselben durch die Kälte veranlasst werden, und Remak deutet wenigstens an, dass dieselben innerhalb des Eies vielleicht nicht vorhanden seien, Vulpian hat jedoch gezeigt, dass, wenn man zwischen dem 6. und 8. Tage ein Ei in einem dunklen Raume durch ein Licht erhellt, ganz entschiedene Bewegungen des Embryo wahrgenommen werden, die er auf Rechnung des Amnios setzt, wobei jedoch zu bemerken ist, dass, wie schon v. Baer gezeigt hat und auch Remak und Vulpian zugeben, der Embryo schon am 7. Tage schwache selbständige Bewegungen zeigt. Noch erwähne ich Ihnen, dass ich eben so we- nig, wie Vulpian und Remak, Nerven im Amnios aufzufinden im Stande war, so wie dass von Bewegungen des Amnios von Säugern nichts bekannt ist. Contractilität des Amnios. Das Amnios hat zu keiner Zeit und bei keinem Geschöpfe selb- ständige Gefässe.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/117>, abgerufen am 26.04.2024.