Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
Eulal. Sie setzen mich in Verlegenheit. Nun
ja, ich will mich nicht zieren. Es war eine Zeit,
wo ich mich selbst für schön hielt; aber der Kummer
hat an meiner Gestalt genagt. -- Ach! die Her-
zensruhe ist es, die den schönsten Zauber über ein
weibliches Gesicht gießt. Der Blick, der brave
Männer fesselt, ist nur der Abglanz einer schönen
Seele.
Gräfin. Nun, Gott gebe mir immer ein so rei-
nes Herz, als aus Ihren Augen leuchtet.
Eulal. (wild und rasch) Ach! Gott behüte Sie dafür!
Gräfin. (erstaunend) Wie?
Eulal. (mit verhaltenen Thränen) Verschonen Sie
mich! -- Ich bin eine Unglückliche. -- Dreyjäh-
rige Leiden geben mir zwar keine Ansprüche auf
Freundschaft einer edlen Seele, -- aber auf Mit-
leid! -- Verschonen Sie mich!
(sie will gehen.)
Gräfin. (sehr liebreich) Bleiben Sie, liebe Ma-
dam Müller! Wirklich, Sie müssen bleiben. Was
ich Ihnen zu sagen habe, ist vielleicht des Anhörens
werth. Ihre Selbstanklage schreckt mich nicht ab.
Mich dünkt, Sie sehen, wie der gute Pascal, ne-
ben Ihrem Stuhl eine Hölle; aber die Teufelchen
existiren nur in Ihrer Einbildung.
Eulal. Sie ſetzen mich in Verlegenheit. Nun
ja, ich will mich nicht zieren. Es war eine Zeit,
wo ich mich ſelbſt fuͤr ſchoͤn hielt; aber der Kummer
hat an meiner Geſtalt genagt. — Ach! die Her-
zensruhe iſt es, die den ſchoͤnſten Zauber uͤber ein
weibliches Geſicht gießt. Der Blick, der brave
Maͤnner feſſelt, iſt nur der Abglanz einer ſchoͤnen
Seele.
Graͤfin. Nun, Gott gebe mir immer ein ſo rei-
nes Herz, als aus Ihren Augen leuchtet.
Eulal. (wild und raſch) Ach! Gott behuͤte Sie dafuͤr!
Graͤfin. (erſtaunend) Wie?
Eulal. (mit verhaltenen Thränen) Verſchonen Sie
mich! — Ich bin eine Ungluͤckliche. — Dreyjaͤh-
rige Leiden geben mir zwar keine Anſpruͤche auf
Freundſchaft einer edlen Seele, — aber auf Mit-
leid! — Verſchonen Sie mich!
(ſie will gehen.)
Graͤfin. (ſehr liebreich) Bleiben Sie, liebe Ma-
dam Muͤller! Wirklich, Sie muͤſſen bleiben. Was
ich Ihnen zu ſagen habe, iſt vielleicht des Anhoͤrens
werth. Ihre Selbſtanklage ſchreckt mich nicht ab.
Mich duͤnkt, Sie ſehen, wie der gute Paſcal, ne-
ben Ihrem Stuhl eine Hoͤlle; aber die Teufelchen
exiſtiren nur in Ihrer Einbildung.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0102" n="94"/>
            <sp who="#EUL">
              <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker>
              <p>Sie &#x017F;etzen mich in Verlegenheit. Nun<lb/>
ja, ich will mich nicht zieren. Es war eine Zeit,<lb/>
wo ich mich &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r &#x017F;cho&#x0364;n hielt; aber der Kummer<lb/>
hat an meiner Ge&#x017F;talt genagt. &#x2014; Ach! die Her-<lb/>
zensruhe i&#x017F;t es, die den &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Zauber u&#x0364;ber ein<lb/>
weibliches Ge&#x017F;icht gießt. Der Blick, der brave<lb/>
Ma&#x0364;nner fe&#x017F;&#x017F;elt, i&#x017F;t nur der Abglanz einer &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Seele.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#GRAFIN">
              <speaker> <hi rendition="#fr">Gra&#x0364;fin.</hi> </speaker>
              <p>Nun, Gott gebe mir immer ein &#x017F;o rei-<lb/>
nes Herz, als aus Ihren Augen leuchtet.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#EUL">
              <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker>
              <stage>(wild und ra&#x017F;ch)</stage>
              <p>Ach! Gott behu&#x0364;te Sie dafu&#x0364;r!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#GRAFIN">
              <speaker> <hi rendition="#fr">Gra&#x0364;fin.</hi> </speaker>
              <stage>(er&#x017F;taunend)</stage>
              <p>Wie?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#EUL">
              <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker>
              <stage>(mit verhaltenen Thränen)</stage>
              <p>Ver&#x017F;chonen Sie<lb/>
mich! &#x2014; Ich bin eine Unglu&#x0364;ckliche. &#x2014; Dreyja&#x0364;h-<lb/>
rige Leiden geben mir zwar keine An&#x017F;pru&#x0364;che auf<lb/>
Freund&#x017F;chaft einer edlen Seele, &#x2014; aber auf Mit-<lb/>
leid! &#x2014; Ver&#x017F;chonen Sie mich!</p>
              <stage>(&#x017F;ie will gehen.)</stage>
            </sp><lb/>
            <sp who="#GRAFIN">
              <speaker> <hi rendition="#fr">Gra&#x0364;fin.</hi> </speaker>
              <stage>(&#x017F;ehr liebreich)</stage>
              <p>Bleiben Sie, liebe Ma-<lb/>
dam Mu&#x0364;ller! Wirklich, Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en bleiben. Was<lb/>
ich Ihnen zu &#x017F;agen habe, i&#x017F;t vielleicht des Anho&#x0364;rens<lb/>
werth. Ihre Selb&#x017F;tanklage &#x017F;chreckt mich nicht ab.<lb/>
Mich du&#x0364;nkt, Sie &#x017F;ehen, wie der gute Pa&#x017F;cal, ne-<lb/>
ben Ihrem Stuhl eine Ho&#x0364;lle; aber die Teufelchen<lb/>
exi&#x017F;tiren nur in Ihrer Einbildung.</p>
            </sp><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0102] Eulal. Sie ſetzen mich in Verlegenheit. Nun ja, ich will mich nicht zieren. Es war eine Zeit, wo ich mich ſelbſt fuͤr ſchoͤn hielt; aber der Kummer hat an meiner Geſtalt genagt. — Ach! die Her- zensruhe iſt es, die den ſchoͤnſten Zauber uͤber ein weibliches Geſicht gießt. Der Blick, der brave Maͤnner feſſelt, iſt nur der Abglanz einer ſchoͤnen Seele. Graͤfin. Nun, Gott gebe mir immer ein ſo rei- nes Herz, als aus Ihren Augen leuchtet. Eulal. (wild und raſch) Ach! Gott behuͤte Sie dafuͤr! Graͤfin. (erſtaunend) Wie? Eulal. (mit verhaltenen Thränen) Verſchonen Sie mich! — Ich bin eine Ungluͤckliche. — Dreyjaͤh- rige Leiden geben mir zwar keine Anſpruͤche auf Freundſchaft einer edlen Seele, — aber auf Mit- leid! — Verſchonen Sie mich! (ſie will gehen.) Graͤfin. (ſehr liebreich) Bleiben Sie, liebe Ma- dam Muͤller! Wirklich, Sie muͤſſen bleiben. Was ich Ihnen zu ſagen habe, iſt vielleicht des Anhoͤrens werth. Ihre Selbſtanklage ſchreckt mich nicht ab. Mich duͤnkt, Sie ſehen, wie der gute Paſcal, ne- ben Ihrem Stuhl eine Hoͤlle; aber die Teufelchen exiſtiren nur in Ihrer Einbildung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/102
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/102>, abgerufen am 26.04.2024.