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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Die Saat.

Nach den Untersuchungen von F. Haberlandt 1) verlieren auf schüttbodenähnliche Art
aufbewahrte Getreidekörner am frühzeitigsten ihre Keimfähigkeit, weniger rasch die im luft-
trockenen Zustande, in nachträglich luftdicht verschlossenen Fläschchen eingefüllten Körner.
Am längsten erhalten ihre Keimfähigkeit die vor der luftdichten Aufbewahrung künstlich bei
einer Temperatur von 50--60 ° R. getrockneten Getreidekörner.

[Tabelle]

In manchen Jahrgängen gedeiht dieser oder jener Same vorzüglicher, um denselben
zur Reserve für spätere Jahre zurückbehalten zu können, empfiehlt daher Haberlandt besonders
für werthvollere Sämereien die Aufbewahrung in Gefäßen aus verzinntem Eisenblech oder
Glas, welche nach ihrer Füllung mit künstlich getrockneten Samen zugelöthet oder verpicht
werden sollen.

Von den Getreidearten leidet die Entwicklungsfähigkeit nach dem Vorangeführten
schon nach einer einjährigen gewöhnlichen Aufbewahrung, weshalb von denselben
stets frischer, d. h. von der vorangegangenen Ernte gewonnener Same verwendet werden
soll. Bei dem Weizen, welcher auf dem Schüttboden aufbewahrt seine volle Keimfähig-
keit durch 3 Jahre behält, empfiehlt es sich dennoch, überjährigen Samen zur Saat zu
nehmen, da dieser von dem Steinbrandpilz -- dessen Sporen nach den Untersuchungen
von Dr. J. Kühn 2) schon nach dem zweiten Jahre ihre Keimfähigkeit verlieren --
viel weniger zu leiden hat. In meist noch kürzerer Zeit büßen die gerbstoffreichen
und ölhaltigen Samen ihre Lebensfähigkeit ein. Am längsten bleiben noch die Samen der
Hülsenfrüchte keimfähig, obwohl auch hier ein einjähriger Same wegen der rascheren
Entwickelung der Saat vorzuziehen ist. In Fällen, wo älterer Same verwendet wird,
weil derselbe viel vollkommener als der jüngst geerntete ist, muß man den größeren Aus-
fall durch keimunfähige Samen durch ein größeres Saatquantum zu decken suchen.

Um sich von der Keimfähigkeit der Samen zu überzeugen, unternimmt man vor deren
Verwendung eine Keimprobe, die in der Weise auszuführen ist, daß man etwa 100
Körner auf einen Teller zwischen mäßig feucht gehaltene Lagen von Fließpapier legt und
diesen dann in der Nähe eines warmen Ortes bringt. Zu demselben Zwecke dient auch
der vorzügliche Nobbe'sche Keimapparat 3) aus porösem, gebranntem Thon, Fig. 70 u. 71
(s. S. 206). Derselbe besteht aus einer kreisförmigen Mulde zur Aufnahme der an-
gequellten Samen, welche von einer Rinne mit senkrechten Wänden zur Aufnahme des
Wassers umgeben ist. Der während der Keimprobe über den Apparat gelegte Deckel von

1) Centralblatt f. ges. Landescultur 1868 Nr. 12 und Wiener landw. Zeitung 1873.
S. 126.
2) Dr. J. Kühn, Die Krankheiten der Culturgewächse. Berlin 1858. S. 85.
3) Landw. Versuchsstation. XII. S. 468.
Die Saat.

Nach den Unterſuchungen von F. Haberlandt 1) verlieren auf ſchüttbodenähnliche Art
aufbewahrte Getreidekörner am frühzeitigſten ihre Keimfähigkeit, weniger raſch die im luft-
trockenen Zuſtande, in nachträglich luftdicht verſchloſſenen Fläſchchen eingefüllten Körner.
Am längſten erhalten ihre Keimfähigkeit die vor der luftdichten Aufbewahrung künſtlich bei
einer Temperatur von 50—60 ° R. getrockneten Getreidekörner.

[Tabelle]

In manchen Jahrgängen gedeiht dieſer oder jener Same vorzüglicher, um denſelben
zur Reſerve für ſpätere Jahre zurückbehalten zu können, empfiehlt daher Haberlandt beſonders
für werthvollere Sämereien die Aufbewahrung in Gefäßen aus verzinntem Eiſenblech oder
Glas, welche nach ihrer Füllung mit künſtlich getrockneten Samen zugelöthet oder verpicht
werden ſollen.

Von den Getreidearten leidet die Entwicklungsfähigkeit nach dem Vorangeführten
ſchon nach einer einjährigen gewöhnlichen Aufbewahrung, weshalb von denſelben
ſtets friſcher, d. h. von der vorangegangenen Ernte gewonnener Same verwendet werden
ſoll. Bei dem Weizen, welcher auf dem Schüttboden aufbewahrt ſeine volle Keimfähig-
keit durch 3 Jahre behält, empfiehlt es ſich dennoch, überjährigen Samen zur Saat zu
nehmen, da dieſer von dem Steinbrandpilz — deſſen Sporen nach den Unterſuchungen
von Dr. J. Kühn 2) ſchon nach dem zweiten Jahre ihre Keimfähigkeit verlieren —
viel weniger zu leiden hat. In meiſt noch kürzerer Zeit büßen die gerbſtoffreichen
und ölhaltigen Samen ihre Lebensfähigkeit ein. Am längſten bleiben noch die Samen der
Hülſenfrüchte keimfähig, obwohl auch hier ein einjähriger Same wegen der raſcheren
Entwickelung der Saat vorzuziehen iſt. In Fällen, wo älterer Same verwendet wird,
weil derſelbe viel vollkommener als der jüngſt geerntete iſt, muß man den größeren Aus-
fall durch keimunfähige Samen durch ein größeres Saatquantum zu decken ſuchen.

Um ſich von der Keimfähigkeit der Samen zu überzeugen, unternimmt man vor deren
Verwendung eine Keimprobe, die in der Weiſe auszuführen iſt, daß man etwa 100
Körner auf einen Teller zwiſchen mäßig feucht gehaltene Lagen von Fließpapier legt und
dieſen dann in der Nähe eines warmen Ortes bringt. Zu demſelben Zwecke dient auch
der vorzügliche Nobbe'ſche Keimapparat 3) aus poröſem, gebranntem Thon, Fig. 70 u. 71
(ſ. S. 206). Derſelbe beſteht aus einer kreisförmigen Mulde zur Aufnahme der an-
gequellten Samen, welche von einer Rinne mit ſenkrechten Wänden zur Aufnahme des
Waſſers umgeben iſt. Der während der Keimprobe über den Apparat gelegte Deckel von

1) Centralblatt f. geſ. Landescultur 1868 Nr. 12 und Wiener landw. Zeitung 1873.
S. 126.
2) Dr. J. Kühn, Die Krankheiten der Culturgewächſe. Berlin 1858. S. 85.
3) Landw. Verſuchsſtation. XII. S. 468.
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[205/0223] Die Saat. Nach den Unterſuchungen von F. Haberlandt 1) verlieren auf ſchüttbodenähnliche Art aufbewahrte Getreidekörner am frühzeitigſten ihre Keimfähigkeit, weniger raſch die im luft- trockenen Zuſtande, in nachträglich luftdicht verſchloſſenen Fläſchchen eingefüllten Körner. Am längſten erhalten ihre Keimfähigkeit die vor der luftdichten Aufbewahrung künſtlich bei einer Temperatur von 50—60 ° R. getrockneten Getreidekörner. In manchen Jahrgängen gedeiht dieſer oder jener Same vorzüglicher, um denſelben zur Reſerve für ſpätere Jahre zurückbehalten zu können, empfiehlt daher Haberlandt beſonders für werthvollere Sämereien die Aufbewahrung in Gefäßen aus verzinntem Eiſenblech oder Glas, welche nach ihrer Füllung mit künſtlich getrockneten Samen zugelöthet oder verpicht werden ſollen. Von den Getreidearten leidet die Entwicklungsfähigkeit nach dem Vorangeführten ſchon nach einer einjährigen gewöhnlichen Aufbewahrung, weshalb von denſelben ſtets friſcher, d. h. von der vorangegangenen Ernte gewonnener Same verwendet werden ſoll. Bei dem Weizen, welcher auf dem Schüttboden aufbewahrt ſeine volle Keimfähig- keit durch 3 Jahre behält, empfiehlt es ſich dennoch, überjährigen Samen zur Saat zu nehmen, da dieſer von dem Steinbrandpilz — deſſen Sporen nach den Unterſuchungen von Dr. J. Kühn 2) ſchon nach dem zweiten Jahre ihre Keimfähigkeit verlieren — viel weniger zu leiden hat. In meiſt noch kürzerer Zeit büßen die gerbſtoffreichen und ölhaltigen Samen ihre Lebensfähigkeit ein. Am längſten bleiben noch die Samen der Hülſenfrüchte keimfähig, obwohl auch hier ein einjähriger Same wegen der raſcheren Entwickelung der Saat vorzuziehen iſt. In Fällen, wo älterer Same verwendet wird, weil derſelbe viel vollkommener als der jüngſt geerntete iſt, muß man den größeren Aus- fall durch keimunfähige Samen durch ein größeres Saatquantum zu decken ſuchen. Um ſich von der Keimfähigkeit der Samen zu überzeugen, unternimmt man vor deren Verwendung eine Keimprobe, die in der Weiſe auszuführen iſt, daß man etwa 100 Körner auf einen Teller zwiſchen mäßig feucht gehaltene Lagen von Fließpapier legt und dieſen dann in der Nähe eines warmen Ortes bringt. Zu demſelben Zwecke dient auch der vorzügliche Nobbe'ſche Keimapparat 3) aus poröſem, gebranntem Thon, Fig. 70 u. 71 (ſ. S. 206). Derſelbe beſteht aus einer kreisförmigen Mulde zur Aufnahme der an- gequellten Samen, welche von einer Rinne mit ſenkrechten Wänden zur Aufnahme des Waſſers umgeben iſt. Der während der Keimprobe über den Apparat gelegte Deckel von 1) Centralblatt f. geſ. Landescultur 1868 Nr. 12 und Wiener landw. Zeitung 1873. S. 126. 2) Dr. J. Kühn, Die Krankheiten der Culturgewächſe. Berlin 1858. S. 85. 3) Landw. Verſuchsſtation. XII. S. 468.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft01_1875/223>, abgerufen am 26.04.2024.