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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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Vom Gehorsam.
blutende, schweisstriefende Pferd folgt zitternd, wohin er es führt.
Er steigt ab, giebt ihm sein Zeichen, reiht es in seine Heerde ein,
aus der er es zu seinem Gebrauche wieder einfängt, ohne dass
es je wieder ein Zeichen des Ungehorsams gäbe. Dies ist die Be-
schreibung der Schriftsteller und Augenzeugen in solcher Ueberein-
stimmung, dass an der Wahrheit nicht zu zweifeln ist. Nur bei
der Werthlosigkeit der Thiere und der Unendlichkeit der baum-
losen Steppe kann ein solches Verfahren Anwendung finden; merk-
würdig aber bleibt es, dass dieser eine Ritt den Willen eines so
unbändigen Thieres für immer gebrochen, und es dem Menschen
unterthänig gemacht hat.

Eine andere Art des Unterwerfens ist die seltsame Procedur
der "Flüsterer", die ihr geheimnissvolles Wesen in Schottland und
Irland treiben sollen. Ein dem Pferde in das Ohr geflüstertes
Wort soll es an allen Gliedern zittern machen; das böseste Thier
soll zum Lamme umgewandelt und dem Willen des Flüsterers un-
terworfen sein. Reisebeschreibungen erzählen Wunderdinge von dieser
Kunst, die indess zu mysteriös klingt, um Glauben zu verdienen.

Eine genaue Kenntniss des Pferdes, um beurtheilen zu können,
was ihm leicht und schwer wird, eine grosse Aufmerksamkeit auf
die Quelle des mangelnden Erfolgs, ein ruhiges Temperament des
Reiters und ein wohlwollendes Herz, richtige Anwendung von Lohn
und Strafe, Muth, der den Kampf nicht scheut, Vermeidung von
Uebermuth, der ihn sucht, nebst Kenntniss und Anwendung der
geeigneten Hülfen und Lectionen werden uns auch ohne die ge-
heimnissvolle Kunst der Flüsterer die Mittel geben, uns Gehorsam
zu verschaffen.



6*

Vom Gehorsam.
blutende, schweisstriefende Pferd folgt zitternd, wohin er es führt.
Er steigt ab, giebt ihm sein Zeichen, reiht es in seine Heerde ein,
aus der er es zu seinem Gebrauche wieder einfängt, ohne dass
es je wieder ein Zeichen des Ungehorsams gäbe. Dies ist die Be-
schreibung der Schriftsteller und Augenzeugen in solcher Ueberein-
stimmung, dass an der Wahrheit nicht zu zweifeln ist. Nur bei
der Werthlosigkeit der Thiere und der Unendlichkeit der baum-
losen Steppe kann ein solches Verfahren Anwendung finden; merk-
würdig aber bleibt es, dass dieser eine Ritt den Willen eines so
unbändigen Thieres für immer gebrochen, und es dem Menschen
unterthänig gemacht hat.

Eine andere Art des Unterwerfens ist die seltsame Procedur
der „Flüsterer“, die ihr geheimnissvolles Wesen in Schottland und
Irland treiben sollen. Ein dem Pferde in das Ohr geflüstertes
Wort soll es an allen Gliedern zittern machen; das böseste Thier
soll zum Lamme umgewandelt und dem Willen des Flüsterers un-
terworfen sein. Reisebeschreibungen erzählen Wunderdinge von dieser
Kunst, die indess zu mysteriös klingt, um Glauben zu verdienen.

Eine genaue Kenntniss des Pferdes, um beurtheilen zu können,
was ihm leicht und schwer wird, eine grosse Aufmerksamkeit auf
die Quelle des mangelnden Erfolgs, ein ruhiges Temperament des
Reiters und ein wohlwollendes Herz, richtige Anwendung von Lohn
und Strafe, Muth, der den Kampf nicht scheut, Vermeidung von
Uebermuth, der ihn sucht, nebst Kenntniss und Anwendung der
geeigneten Hülfen und Lectionen werden uns auch ohne die ge-
heimnissvolle Kunst der Flüsterer die Mittel geben, uns Gehorsam
zu verschaffen.



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[83/0105] Vom Gehorsam. blutende, schweisstriefende Pferd folgt zitternd, wohin er es führt. Er steigt ab, giebt ihm sein Zeichen, reiht es in seine Heerde ein, aus der er es zu seinem Gebrauche wieder einfängt, ohne dass es je wieder ein Zeichen des Ungehorsams gäbe. Dies ist die Be- schreibung der Schriftsteller und Augenzeugen in solcher Ueberein- stimmung, dass an der Wahrheit nicht zu zweifeln ist. Nur bei der Werthlosigkeit der Thiere und der Unendlichkeit der baum- losen Steppe kann ein solches Verfahren Anwendung finden; merk- würdig aber bleibt es, dass dieser eine Ritt den Willen eines so unbändigen Thieres für immer gebrochen, und es dem Menschen unterthänig gemacht hat. Eine andere Art des Unterwerfens ist die seltsame Procedur der „Flüsterer“, die ihr geheimnissvolles Wesen in Schottland und Irland treiben sollen. Ein dem Pferde in das Ohr geflüstertes Wort soll es an allen Gliedern zittern machen; das böseste Thier soll zum Lamme umgewandelt und dem Willen des Flüsterers un- terworfen sein. Reisebeschreibungen erzählen Wunderdinge von dieser Kunst, die indess zu mysteriös klingt, um Glauben zu verdienen. Eine genaue Kenntniss des Pferdes, um beurtheilen zu können, was ihm leicht und schwer wird, eine grosse Aufmerksamkeit auf die Quelle des mangelnden Erfolgs, ein ruhiges Temperament des Reiters und ein wohlwollendes Herz, richtige Anwendung von Lohn und Strafe, Muth, der den Kampf nicht scheut, Vermeidung von Uebermuth, der ihn sucht, nebst Kenntniss und Anwendung der geeigneten Hülfen und Lectionen werden uns auch ohne die ge- heimnissvolle Kunst der Flüsterer die Mittel geben, uns Gehorsam zu verschaffen. 6*

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/105>, abgerufen am 26.04.2024.