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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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Von den Zeichen im Allgemeinen.
der Peitsche. Bei dem auf dem Stalle gezogenen Pferde kommen
dem Dressirenden eine Menge Zeichen zu Gute, deren Bedeutung
es von Jugend auf kennen lernte, und namentlich das angewöhnte
Verständniss sowohl des Lautes einzelner Wörter als des eigen-
thümlichen Ausdrucks derselben.

Aber diese Zeichen allein reichen nicht aus. Man ist genö-
thigt, eine Menge selbstgewählter Zeichen hinzuzufügen, die
zum Theil nicht in eine der drei vorigen Kategorien gehören, mithin
dem Pferde an sich ganz unverständlich sein müssen, deren
Verständniss man ihnen indess mit Hülfe der vorigen erschliesst,
und durch Wiederholung dem Gedächtnisse einprägt.
Diese Zeichen müssen, wenn sie gut gewählt sein sollen, in einer
oder der andern Weise jenen dreien nahe stehen, und den Ein-
druck dessen hervorbringen, was sie veranlassen
sollen
. Es würde ein Fehler sein, sich des Sporns bedienen zu
wollen, um das Pferd zum langsamen Gang zu bewegen. Obschon
hier nicht im eigentlichen Sinne vom Fliehen vor dem Schmerz-
bringenden die Rede sein kann, so liegt doch eine Analogie darin,
dass das Thier vor dem Sporn läuft.

Sie müssen aber ferner mit der grössten Consequenz ange-
wendet werden, damit sie sich durch die Wiederholung dem Ge-
dächtniss einprägen. Braucht man bald dieses, bald jenes Zeichen
für dieselbe Anforderung, oder eines für verschiedene, so wird
man das Pferd verwirren. Was die Consequenz vermag, sehen
wir aus der Erfahrung, dass die Pferde der Kunstreiter auf die
ihnen um die Ohren knallende, so gefürchtete Peitsche zulaufen.

Die Abrichtung zu den selbstgewählten Zeichen
beruht darauf, dass man sie den bekannten Zeichen anfangs hinzu-
fügt, nach und nach die bekannten fortlässt und die neuen allein
braucht, beim Nichterkennen aber die alten corrigirend mitge-
braucht, bis sie allein verstanden werden, und das Gedächtniss sie
bewahrt. Nur hüte man sich, ein Glied in der Kette fehlen
zu lassen.

Der Reiter z. B. kann keinen Menschen neben sich haben, der ihm
das Pferd mit der grossen Peitsche, vor der es zu laufen gewohnt
ist, treibt. Er braucht die Gerte zuerst mit der Peitsche zugleich,
dann allein, wenn das Thier stärker laufen soll, und später nur

Von den Zeichen im Allgemeinen.
der Peitsche. Bei dem auf dem Stalle gezogenen Pferde kommen
dem Dressirenden eine Menge Zeichen zu Gute, deren Bedeutung
es von Jugend auf kennen lernte, und namentlich das angewöhnte
Verständniss sowohl des Lautes einzelner Wörter als des eigen-
thümlichen Ausdrucks derselben.

Aber diese Zeichen allein reichen nicht aus. Man ist genö-
thigt, eine Menge selbstgewählter Zeichen hinzuzufügen, die
zum Theil nicht in eine der drei vorigen Kategorien gehören, mithin
dem Pferde an sich ganz unverständlich sein müssen, deren
Verständniss man ihnen indess mit Hülfe der vorigen erschliesst,
und durch Wiederholung dem Gedächtnisse einprägt.
Diese Zeichen müssen, wenn sie gut gewählt sein sollen, in einer
oder der andern Weise jenen dreien nahe stehen, und den Ein-
druck dessen hervorbringen, was sie veranlassen
sollen
. Es würde ein Fehler sein, sich des Sporns bedienen zu
wollen, um das Pferd zum langsamen Gang zu bewegen. Obschon
hier nicht im eigentlichen Sinne vom Fliehen vor dem Schmerz-
bringenden die Rede sein kann, so liegt doch eine Analogie darin,
dass das Thier vor dem Sporn läuft.

Sie müssen aber ferner mit der grössten Consequenz ange-
wendet werden, damit sie sich durch die Wiederholung dem Ge-
dächtniss einprägen. Braucht man bald dieses, bald jenes Zeichen
für dieselbe Anforderung, oder eines für verschiedene, so wird
man das Pferd verwirren. Was die Consequenz vermag, sehen
wir aus der Erfahrung, dass die Pferde der Kunstreiter auf die
ihnen um die Ohren knallende, so gefürchtete Peitsche zulaufen.

Die Abrichtung zu den selbstgewählten Zeichen
beruht darauf, dass man sie den bekannten Zeichen anfangs hinzu-
fügt, nach und nach die bekannten fortlässt und die neuen allein
braucht, beim Nichterkennen aber die alten corrigirend mitge-
braucht, bis sie allein verstanden werden, und das Gedächtniss sie
bewahrt. Nur hüte man sich, ein Glied in der Kette fehlen
zu lassen.

Der Reiter z. B. kann keinen Menschen neben sich haben, der ihm
das Pferd mit der grossen Peitsche, vor der es zu laufen gewohnt
ist, treibt. Er braucht die Gerte zuerst mit der Peitsche zugleich,
dann allein, wenn das Thier stärker laufen soll, und später nur

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[45/0067] Von den Zeichen im Allgemeinen. der Peitsche. Bei dem auf dem Stalle gezogenen Pferde kommen dem Dressirenden eine Menge Zeichen zu Gute, deren Bedeutung es von Jugend auf kennen lernte, und namentlich das angewöhnte Verständniss sowohl des Lautes einzelner Wörter als des eigen- thümlichen Ausdrucks derselben. Aber diese Zeichen allein reichen nicht aus. Man ist genö- thigt, eine Menge selbstgewählter Zeichen hinzuzufügen, die zum Theil nicht in eine der drei vorigen Kategorien gehören, mithin dem Pferde an sich ganz unverständlich sein müssen, deren Verständniss man ihnen indess mit Hülfe der vorigen erschliesst, und durch Wiederholung dem Gedächtnisse einprägt. Diese Zeichen müssen, wenn sie gut gewählt sein sollen, in einer oder der andern Weise jenen dreien nahe stehen, und den Ein- druck dessen hervorbringen, was sie veranlassen sollen. Es würde ein Fehler sein, sich des Sporns bedienen zu wollen, um das Pferd zum langsamen Gang zu bewegen. Obschon hier nicht im eigentlichen Sinne vom Fliehen vor dem Schmerz- bringenden die Rede sein kann, so liegt doch eine Analogie darin, dass das Thier vor dem Sporn läuft. Sie müssen aber ferner mit der grössten Consequenz ange- wendet werden, damit sie sich durch die Wiederholung dem Ge- dächtniss einprägen. Braucht man bald dieses, bald jenes Zeichen für dieselbe Anforderung, oder eines für verschiedene, so wird man das Pferd verwirren. Was die Consequenz vermag, sehen wir aus der Erfahrung, dass die Pferde der Kunstreiter auf die ihnen um die Ohren knallende, so gefürchtete Peitsche zulaufen. Die Abrichtung zu den selbstgewählten Zeichen beruht darauf, dass man sie den bekannten Zeichen anfangs hinzu- fügt, nach und nach die bekannten fortlässt und die neuen allein braucht, beim Nichterkennen aber die alten corrigirend mitge- braucht, bis sie allein verstanden werden, und das Gedächtniss sie bewahrt. Nur hüte man sich, ein Glied in der Kette fehlen zu lassen. Der Reiter z. B. kann keinen Menschen neben sich haben, der ihm das Pferd mit der grossen Peitsche, vor der es zu laufen gewohnt ist, treibt. Er braucht die Gerte zuerst mit der Peitsche zugleich, dann allein, wenn das Thier stärker laufen soll, und später nur

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/67>, abgerufen am 26.04.2024.