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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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Vom Gebisse.
nisch nicht gross genug, die Wirkung hervorzubringen. Der vom
Hals geführte inwendige Zügel ist der mechanisch wirksamste, und
der an den Hals gedrückte auswendige selbst noch grösser
in seiner Wirkung, als der den Kopf bloss in der Genasche bie-
gende an dem Hals gebrauchte inwendige. Eben so wenig, wie eine
blosse Drehung des Kopfes den dahinschreitenden Menschen zur
Wendung zwingt, eben so wenig ist es beim Pferde der Fall.

Der Anzug auf die inwendige Lade, mit an dem
Hals geführtem Zügel ist indess
, trotzdem dass er me-
chanisch am schwächsten wirkt und gänzlich unzureichend ist, die
Wendung hervorzubringen, derjenige, dessen wir uns bedie-
nen müssen, weil er der einzige ist, der nicht die Ver-
biegung des Halses an der Basis
, deren Gefahr wir in
Zukunft kennen lernen werden, zur Folge hat. Aber im näch-
sten Kapitel werden wir auch die mechanisch die Wendung her-
beiführende Hülfe zeigen und lernen, dass wir uns mit gedachtem
Zügelanzuge als Beihülfe völlig begnügen können.

Wie man sich von der Idee nicht losmachen konnte, dass
mit der Richtung, die man der Nase des Pferdes gäbe, auch dem
Körper der Weg gegeben sei, so hat man alle Empfindung von
Widerstand, den die Hand bei der rückführenden oder wendenden
Hülfe erhielt, ob diese nun von den Kiefermuskeln, den Hals-
muskeln
oder dem mangelnden Gleichgewicht ausging,
stets der weicheren oder härteren Beschaffenheit des
Mauls
zugeschrieben, und von jeher geglaubt, dass die Scho-
nung
des Mauls (wie die Arbeitslosigkeit die Hand einer Dame
weich erhält) das Wesentlichste zu seiner Empfindlichkeit
beitrage. Nicht nur zeigen dies die Gründe für die Kappzaum-
dressur. Der alte Meister Xenophon schreibt hierüber weniger
wahr, als über die Lippentöne: "dem Reitknecht muss man aber
Folgendes lehren: erstens das Pferd nie am Zügel zu führen, denn
dies macht auf einer Seite hartmäulig; dann aber den Zaum,
so weit es nöthig ist, von den Kinnladen entfernt zu halten, denn
wenn er ganz nahe an ihnen ist, so macht er das Maul dick und
hart, so dass es unempfindlich wird." Der alte Herr thut, als
wenn das Thier Schwielen im Maule bekäme. Andere suchen es
nicht in der Schwiele, sondern alles in der Form; fleischige, flache

Vom Gebisse.
nisch nicht gross genug, die Wirkung hervorzubringen. Der vom
Hals geführte inwendige Zügel ist der mechanisch wirksamste, und
der an den Hals gedrückte auswendige selbst noch grösser
in seiner Wirkung, als der den Kopf bloss in der Genasche bie-
gende an dem Hals gebrauchte inwendige. Eben so wenig, wie eine
blosse Drehung des Kopfes den dahinschreitenden Menschen zur
Wendung zwingt, eben so wenig ist es beim Pferde der Fall.

Der Anzug auf die inwendige Lade, mit an dem
Hals geführtem Zügel ist indess
, trotzdem dass er me-
chanisch am schwächsten wirkt und gänzlich unzureichend ist, die
Wendung hervorzubringen, derjenige, dessen wir uns bedie-
nen müssen, weil er der einzige ist, der nicht die Ver-
biegung des Halses an der Basis
, deren Gefahr wir in
Zukunft kennen lernen werden, zur Folge hat. Aber im näch-
sten Kapitel werden wir auch die mechanisch die Wendung her-
beiführende Hülfe zeigen und lernen, dass wir uns mit gedachtem
Zügelanzuge als Beihülfe völlig begnügen können.

Wie man sich von der Idee nicht losmachen konnte, dass
mit der Richtung, die man der Nase des Pferdes gäbe, auch dem
Körper der Weg gegeben sei, so hat man alle Empfindung von
Widerstand, den die Hand bei der rückführenden oder wendenden
Hülfe erhielt, ob diese nun von den Kiefermuskeln, den Hals-
muskeln
oder dem mangelnden Gleichgewicht ausging,
stets der weicheren oder härteren Beschaffenheit des
Mauls
zugeschrieben, und von jeher geglaubt, dass die Scho-
nung
des Mauls (wie die Arbeitslosigkeit die Hand einer Dame
weich erhält) das Wesentlichste zu seiner Empfindlichkeit
beitrage. Nicht nur zeigen dies die Gründe für die Kappzaum-
dressur. Der alte Meister Xenophon schreibt hierüber weniger
wahr, als über die Lippentöne: „dem Reitknecht muss man aber
Folgendes lehren: erstens das Pferd nie am Zügel zu führen, denn
dies macht auf einer Seite hartmäulig; dann aber den Zaum,
so weit es nöthig ist, von den Kinnladen entfernt zu halten, denn
wenn er ganz nahe an ihnen ist, so macht er das Maul dick und
hart, so dass es unempfindlich wird.“ Der alte Herr thut, als
wenn das Thier Schwielen im Maule bekäme. Andere suchen es
nicht in der Schwiele, sondern alles in der Form; fleischige, flache

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[57/0079] Vom Gebisse. nisch nicht gross genug, die Wirkung hervorzubringen. Der vom Hals geführte inwendige Zügel ist der mechanisch wirksamste, und der an den Hals gedrückte auswendige selbst noch grösser in seiner Wirkung, als der den Kopf bloss in der Genasche bie- gende an dem Hals gebrauchte inwendige. Eben so wenig, wie eine blosse Drehung des Kopfes den dahinschreitenden Menschen zur Wendung zwingt, eben so wenig ist es beim Pferde der Fall. Der Anzug auf die inwendige Lade, mit an dem Hals geführtem Zügel ist indess, trotzdem dass er me- chanisch am schwächsten wirkt und gänzlich unzureichend ist, die Wendung hervorzubringen, derjenige, dessen wir uns bedie- nen müssen, weil er der einzige ist, der nicht die Ver- biegung des Halses an der Basis, deren Gefahr wir in Zukunft kennen lernen werden, zur Folge hat. Aber im näch- sten Kapitel werden wir auch die mechanisch die Wendung her- beiführende Hülfe zeigen und lernen, dass wir uns mit gedachtem Zügelanzuge als Beihülfe völlig begnügen können. Wie man sich von der Idee nicht losmachen konnte, dass mit der Richtung, die man der Nase des Pferdes gäbe, auch dem Körper der Weg gegeben sei, so hat man alle Empfindung von Widerstand, den die Hand bei der rückführenden oder wendenden Hülfe erhielt, ob diese nun von den Kiefermuskeln, den Hals- muskeln oder dem mangelnden Gleichgewicht ausging, stets der weicheren oder härteren Beschaffenheit des Mauls zugeschrieben, und von jeher geglaubt, dass die Scho- nung des Mauls (wie die Arbeitslosigkeit die Hand einer Dame weich erhält) das Wesentlichste zu seiner Empfindlichkeit beitrage. Nicht nur zeigen dies die Gründe für die Kappzaum- dressur. Der alte Meister Xenophon schreibt hierüber weniger wahr, als über die Lippentöne: „dem Reitknecht muss man aber Folgendes lehren: erstens das Pferd nie am Zügel zu führen, denn dies macht auf einer Seite hartmäulig; dann aber den Zaum, so weit es nöthig ist, von den Kinnladen entfernt zu halten, denn wenn er ganz nahe an ihnen ist, so macht er das Maul dick und hart, so dass es unempfindlich wird.“ Der alte Herr thut, als wenn das Thier Schwielen im Maule bekäme. Andere suchen es nicht in der Schwiele, sondern alles in der Form; fleischige, flache

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/79>, abgerufen am 27.04.2024.