Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

in den allerältesten Zeiten.
Entfernung, zeigeten, allwo wir unsern Durst stillen soll-
ten. Wir legten uns daher auf den Rücken, und rutsch-
ten eine Stunde lang auf dieser grünen Bahn, kamen also
ganz vergnügt und weit geschwinder fort, als auf den Füs-
sen würde möglich gewesen seyn. Die Nacht und der
Durst waren unsere Sporen, und nöthigten uns den
Weg zu beschleinigen. Wir glitschten auf diese Art so
lange fort als es der Weg verstattete; und wenn wir Stei-
ne antrafen, so den Schultern wehe thaten, kehrten wir
uns um, und glitschen auf dem Bauch, oder krochen auf
allen vieren rückwärts; und so erreichten wir nach und
nach das Kloster, aber so zerstöret und ermüdet, der un-
gewöhnlichen Art zu reisen wegen, daß wir weder Arm
noch Bein fühleten. Zu unserm grossen Unglück fanden
wir daselbst weder Wein noch Wasser, und musten daher
zum Strom schicken, so fast eine Viertelmeile davon ent-
fernet war, über einen sehr rauhen Weg.

§. 52.

Wer nach dem allen was von denen versteinerten Pflan-
zen und Thieren gesagt worden, noch ferner zweifeln woll-
te, daß es ehemahls wirkliche Pflanzen und Thiere gewe-
sen, der müste in Wahrheit sehr ungläubig seyn. Doch
findet man ausser denen von mir angeführten Beweißthü-
mern noch mehrere bey dem gelehrten Engelländer Rajo,
welcher die Beweißthümer von beyden Seiten anführet,
deren sich die beyden berühmten Naturkündiger Wood-
wart
und Plot bey ihren Streitigkeiten über die gebilde-
ten Steine bedienet haben. Denn D. Plot hielt derglei-
chen Steine für ein Spiel der Natur, und schrieb ihren
Ursprung einer bildenden Kraft zu. D. Woodwart hin-
gegen behauptete, daß es wirklich versteinerte Pflanzen
und Thiere wären, welcher Meynung auch gedachter Ra-
jus
beypflichtet. Er führet unter andern die Zungenstei-
ne (glossopetras) zum Exempel an, welche auf der Insel

Malta

in den alleraͤlteſten Zeiten.
Entfernung, zeigeten, allwo wir unſern Durſt ſtillen ſoll-
ten. Wir legten uns daher auf den Ruͤcken, und rutſch-
ten eine Stunde lang auf dieſer gruͤnen Bahn, kamen alſo
ganz vergnuͤgt und weit geſchwinder fort, als auf den Fuͤſ-
ſen wuͤrde moͤglich geweſen ſeyn. Die Nacht und der
Durſt waren unſere Sporen, und noͤthigten uns den
Weg zu beſchleinigen. Wir glitſchten auf dieſe Art ſo
lange fort als es der Weg verſtattete; und wenn wir Stei-
ne antrafen, ſo den Schultern wehe thaten, kehrten wir
uns um, und glitſchen auf dem Bauch, oder krochen auf
allen vieren ruͤckwaͤrts; und ſo erreichten wir nach und
nach das Kloſter, aber ſo zerſtoͤret und ermuͤdet, der un-
gewoͤhnlichen Art zu reiſen wegen, daß wir weder Arm
noch Bein fuͤhleten. Zu unſerm groſſen Ungluͤck fanden
wir daſelbſt weder Wein noch Waſſer, und muſten daher
zum Strom ſchicken, ſo faſt eine Viertelmeile davon ent-
fernet war, uͤber einen ſehr rauhen Weg.

§. 52.

Wer nach dem allen was von denen verſteinerten Pflan-
zen und Thieren geſagt worden, noch ferner zweifeln woll-
te, daß es ehemahls wirkliche Pflanzen und Thiere gewe-
ſen, der muͤſte in Wahrheit ſehr unglaͤubig ſeyn. Doch
findet man auſſer denen von mir angefuͤhrten Beweißthuͤ-
mern noch mehrere bey dem gelehrten Engellaͤnder Rajo,
welcher die Beweißthuͤmer von beyden Seiten anfuͤhret,
deren ſich die beyden beruͤhmten Naturkuͤndiger Wood-
wart
und Plot bey ihren Streitigkeiten uͤber die gebilde-
ten Steine bedienet haben. Denn D. Plot hielt derglei-
chen Steine fuͤr ein Spiel der Natur, und ſchrieb ihren
Urſprung einer bildenden Kraft zu. D. Woodwart hin-
gegen behauptete, daß es wirklich verſteinerte Pflanzen
und Thiere waͤren, welcher Meynung auch gedachter Ra-
jus
beypflichtet. Er fuͤhret unter andern die Zungenſtei-
ne (gloſſopetras) zum Exempel an, welche auf der Inſel

Malta
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0107" n="93"/><fw place="top" type="header">in den allera&#x0364;lte&#x017F;ten Zeiten.</fw><lb/>
Entfernung, zeigeten, allwo wir un&#x017F;ern Dur&#x017F;t &#x017F;tillen &#x017F;oll-<lb/>
ten. Wir legten uns daher auf den Ru&#x0364;cken, und rut&#x017F;ch-<lb/>
ten eine Stunde lang auf die&#x017F;er gru&#x0364;nen Bahn, kamen al&#x017F;o<lb/>
ganz vergnu&#x0364;gt und weit ge&#x017F;chwinder fort, als auf den Fu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en wu&#x0364;rde mo&#x0364;glich gewe&#x017F;en &#x017F;eyn. Die Nacht und der<lb/>
Dur&#x017F;t waren un&#x017F;ere Sporen, und no&#x0364;thigten uns den<lb/>
Weg zu be&#x017F;chleinigen. Wir glit&#x017F;chten auf die&#x017F;e Art &#x017F;o<lb/>
lange fort als es der Weg ver&#x017F;tattete; und wenn wir Stei-<lb/>
ne antrafen, &#x017F;o den Schultern wehe thaten, kehrten wir<lb/>
uns um, und glit&#x017F;chen auf dem Bauch, oder krochen auf<lb/>
allen vieren ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts; und &#x017F;o erreichten wir nach und<lb/>
nach das Klo&#x017F;ter, aber &#x017F;o zer&#x017F;to&#x0364;ret und ermu&#x0364;det, der un-<lb/>
gewo&#x0364;hnlichen Art zu rei&#x017F;en wegen, daß wir weder Arm<lb/>
noch Bein fu&#x0364;hleten. Zu un&#x017F;erm gro&#x017F;&#x017F;en Unglu&#x0364;ck fanden<lb/>
wir da&#x017F;elb&#x017F;t weder Wein noch Wa&#x017F;&#x017F;er, und mu&#x017F;ten daher<lb/>
zum Strom &#x017F;chicken, &#x017F;o fa&#x017F;t eine Viertelmeile davon ent-<lb/>
fernet war, u&#x0364;ber einen &#x017F;ehr rauhen Weg.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 52.</head><lb/>
        <p>Wer nach dem allen was von denen ver&#x017F;teinerten Pflan-<lb/>
zen und Thieren ge&#x017F;agt worden, noch ferner zweifeln woll-<lb/>
te, daß es ehemahls wirkliche Pflanzen und Thiere gewe-<lb/>
&#x017F;en, der mu&#x0364;&#x017F;te in Wahrheit &#x017F;ehr ungla&#x0364;ubig &#x017F;eyn. Doch<lb/>
findet man au&#x017F;&#x017F;er denen von mir angefu&#x0364;hrten Beweißthu&#x0364;-<lb/>
mern noch mehrere bey dem gelehrten Engella&#x0364;nder <hi rendition="#aq">Rajo,</hi><lb/>
welcher die Beweißthu&#x0364;mer von beyden Seiten anfu&#x0364;hret,<lb/>
deren &#x017F;ich die beyden beru&#x0364;hmten Naturku&#x0364;ndiger <hi rendition="#fr">Wood-<lb/>
wart</hi> und <hi rendition="#fr">Plot</hi> bey ihren Streitigkeiten u&#x0364;ber die gebilde-<lb/>
ten Steine bedienet haben. Denn D. <hi rendition="#fr">Plot</hi> hielt derglei-<lb/>
chen Steine fu&#x0364;r ein Spiel der Natur, und &#x017F;chrieb ihren<lb/>
Ur&#x017F;prung einer bildenden Kraft zu. D. <hi rendition="#fr">Woodwart</hi> hin-<lb/>
gegen behauptete, daß es wirklich ver&#x017F;teinerte Pflanzen<lb/>
und Thiere wa&#x0364;ren, welcher Meynung auch gedachter <hi rendition="#aq">Ra-<lb/>
jus</hi> beypflichtet. Er fu&#x0364;hret unter andern die Zungen&#x017F;tei-<lb/>
ne <hi rendition="#aq">(glo&#x017F;&#x017F;opetras)</hi> zum Exempel an, welche auf der In&#x017F;el<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Malta</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0107] in den alleraͤlteſten Zeiten. Entfernung, zeigeten, allwo wir unſern Durſt ſtillen ſoll- ten. Wir legten uns daher auf den Ruͤcken, und rutſch- ten eine Stunde lang auf dieſer gruͤnen Bahn, kamen alſo ganz vergnuͤgt und weit geſchwinder fort, als auf den Fuͤſ- ſen wuͤrde moͤglich geweſen ſeyn. Die Nacht und der Durſt waren unſere Sporen, und noͤthigten uns den Weg zu beſchleinigen. Wir glitſchten auf dieſe Art ſo lange fort als es der Weg verſtattete; und wenn wir Stei- ne antrafen, ſo den Schultern wehe thaten, kehrten wir uns um, und glitſchen auf dem Bauch, oder krochen auf allen vieren ruͤckwaͤrts; und ſo erreichten wir nach und nach das Kloſter, aber ſo zerſtoͤret und ermuͤdet, der un- gewoͤhnlichen Art zu reiſen wegen, daß wir weder Arm noch Bein fuͤhleten. Zu unſerm groſſen Ungluͤck fanden wir daſelbſt weder Wein noch Waſſer, und muſten daher zum Strom ſchicken, ſo faſt eine Viertelmeile davon ent- fernet war, uͤber einen ſehr rauhen Weg. §. 52. Wer nach dem allen was von denen verſteinerten Pflan- zen und Thieren geſagt worden, noch ferner zweifeln woll- te, daß es ehemahls wirkliche Pflanzen und Thiere gewe- ſen, der muͤſte in Wahrheit ſehr unglaͤubig ſeyn. Doch findet man auſſer denen von mir angefuͤhrten Beweißthuͤ- mern noch mehrere bey dem gelehrten Engellaͤnder Rajo, welcher die Beweißthuͤmer von beyden Seiten anfuͤhret, deren ſich die beyden beruͤhmten Naturkuͤndiger Wood- wart und Plot bey ihren Streitigkeiten uͤber die gebilde- ten Steine bedienet haben. Denn D. Plot hielt derglei- chen Steine fuͤr ein Spiel der Natur, und ſchrieb ihren Urſprung einer bildenden Kraft zu. D. Woodwart hin- gegen behauptete, daß es wirklich verſteinerte Pflanzen und Thiere waͤren, welcher Meynung auch gedachter Ra- jus beypflichtet. Er fuͤhret unter andern die Zungenſtei- ne (gloſſopetras) zum Exempel an, welche auf der Inſel Malta

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/107
Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/107>, abgerufen am 26.04.2024.