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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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Geschichte der Erde
von dem zu wissen, was in den Körpern der Thiere und
Pflanzen verborgen ist. Nein, es bleibt vielmehr dabey,
daß dieses Wirkungen einer unendlichen Macht und sehr
weislich eingerichtete Hervorbringungen des nothwendigen
Wesens sind. Nimmermehr wird alle Geschicklichkeit der
Chimisten dergleichen hervorbringen, und ich halte daher die
Erzeugung einer Pflanze, oder eines Menschen aus der
verbrannten Asche, für eben so ungereimt, als die Her-
vorbringung derer Jnsecten durch die Fäulniß, ia ich hal-
te beides für noch viel unmöglicher, als daß ein schöner
Pallast durch einen Wirbelwind entstanden seyn solte, wel-
cher Steine, Kalk, Pfeiler, Thüren, Fenster und Dachzie-
gel in der schönsten Ordnung zusammen gebracht hätte.
Jch kann es daher nicht eher glauben, als bis ich es sehe,
man wird mich sehr verbinden, wenn man mir solches zei-
get, und dadurch zugleich das aufrichtige Bekäntnis von
mir erzwinget, daß dergleichen Experimente höher sind,
als alle meine Vernunft.

§. 3.

Aristoteles glaubte zwar die Ewigkeit, nicht aber
die Nothwendigkeit der Welt, sondern er hielt sie viel-
mehr vor eine Wirkung, welche GOtt von Ewigkeit ver-
richtet hätte, und die von ihm eben so wenig als der Schat-
ten von dem Cörper getrennt werden könte, worinnen
er nebst andern den Averroes und Avicenna zu Nach-
folgern bekommen, ja fast alle Schulweisen hielten dafür,
daß es kein Widerspruch sey, wenn man sagte: die Welt
sey von Ewigkeit gewesen, und dennoch erschaffen worden,
indem die Ewigkeit einen andern Grund als die Nothwen-
digkeit hätte. Denn so gewiß es ist, daß alles ewig seyn
müsse, was nothwendig ist, so wenig folgt es, daß das
nothwendig sey, was ewig ist, wovon man in der teut-
schen Metaphysic des Herrn Barons und Canzler Wolf-

fens

Geſchichte der Erde
von dem zu wiſſen, was in den Koͤrpern der Thiere und
Pflanzen verborgen iſt. Nein, es bleibt vielmehr dabey,
daß dieſes Wirkungen einer unendlichen Macht und ſehr
weislich eingerichtete Hervorbringungen des nothwendigen
Weſens ſind. Nimmermehr wird alle Geſchicklichkeit der
Chimiſten dergleichen hervorbringen, und ich halte daher die
Erzeugung einer Pflanze, oder eines Menſchen aus der
verbrannten Aſche, fuͤr eben ſo ungereimt, als die Her-
vorbringung derer Jnſecten durch die Faͤulniß, ia ich hal-
te beides fuͤr noch viel unmoͤglicher, als daß ein ſchoͤner
Pallaſt durch einen Wirbelwind entſtanden ſeyn ſolte, wel-
cher Steine, Kalk, Pfeiler, Thuͤren, Fenſter und Dachzie-
gel in der ſchoͤnſten Ordnung zuſammen gebracht haͤtte.
Jch kann es daher nicht eher glauben, als bis ich es ſehe,
man wird mich ſehr verbinden, wenn man mir ſolches zei-
get, und dadurch zugleich das aufrichtige Bekaͤntnis von
mir erzwinget, daß dergleichen Experimente hoͤher ſind,
als alle meine Vernunft.

§. 3.

Ariſtoteles glaubte zwar die Ewigkeit, nicht aber
die Nothwendigkeit der Welt, ſondern er hielt ſie viel-
mehr vor eine Wirkung, welche GOtt von Ewigkeit ver-
richtet haͤtte, und die von ihm eben ſo wenig als der Schat-
ten von dem Coͤrper getrennt werden koͤnte, worinnen
er nebſt andern den Averroes und Avicenna zu Nach-
folgern bekommen, ja faſt alle Schulweiſen hielten dafuͤr,
daß es kein Widerſpruch ſey, wenn man ſagte: die Welt
ſey von Ewigkeit geweſen, und dennoch erſchaffen worden,
indem die Ewigkeit einen andern Grund als die Nothwen-
digkeit haͤtte. Denn ſo gewiß es iſt, daß alles ewig ſeyn
muͤſſe, was nothwendig iſt, ſo wenig folgt es, daß das
nothwendig ſey, was ewig iſt, wovon man in der teut-
ſchen Metaphyſic des Herrn Barons und Canzler Wolf-

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[10/0018] Geſchichte der Erde von dem zu wiſſen, was in den Koͤrpern der Thiere und Pflanzen verborgen iſt. Nein, es bleibt vielmehr dabey, daß dieſes Wirkungen einer unendlichen Macht und ſehr weislich eingerichtete Hervorbringungen des nothwendigen Weſens ſind. Nimmermehr wird alle Geſchicklichkeit der Chimiſten dergleichen hervorbringen, und ich halte daher die Erzeugung einer Pflanze, oder eines Menſchen aus der verbrannten Aſche, fuͤr eben ſo ungereimt, als die Her- vorbringung derer Jnſecten durch die Faͤulniß, ia ich hal- te beides fuͤr noch viel unmoͤglicher, als daß ein ſchoͤner Pallaſt durch einen Wirbelwind entſtanden ſeyn ſolte, wel- cher Steine, Kalk, Pfeiler, Thuͤren, Fenſter und Dachzie- gel in der ſchoͤnſten Ordnung zuſammen gebracht haͤtte. Jch kann es daher nicht eher glauben, als bis ich es ſehe, man wird mich ſehr verbinden, wenn man mir ſolches zei- get, und dadurch zugleich das aufrichtige Bekaͤntnis von mir erzwinget, daß dergleichen Experimente hoͤher ſind, als alle meine Vernunft. §. 3. Ariſtoteles glaubte zwar die Ewigkeit, nicht aber die Nothwendigkeit der Welt, ſondern er hielt ſie viel- mehr vor eine Wirkung, welche GOtt von Ewigkeit ver- richtet haͤtte, und die von ihm eben ſo wenig als der Schat- ten von dem Coͤrper getrennt werden koͤnte, worinnen er nebſt andern den Averroes und Avicenna zu Nach- folgern bekommen, ja faſt alle Schulweiſen hielten dafuͤr, daß es kein Widerſpruch ſey, wenn man ſagte: die Welt ſey von Ewigkeit geweſen, und dennoch erſchaffen worden, indem die Ewigkeit einen andern Grund als die Nothwen- digkeit haͤtte. Denn ſo gewiß es iſt, daß alles ewig ſeyn muͤſſe, was nothwendig iſt, ſo wenig folgt es, daß das nothwendig ſey, was ewig iſt, wovon man in der teut- ſchen Metaphyſic des Herrn Barons und Canzler Wolf- fens

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/18>, abgerufen am 26.04.2024.