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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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Geschichte der Erde
eben so dachten, wie sie. Jch verabscheue diese Unge-
rechtigkeit, und ich müßte eine sehr grausame Seele besi-
tzen, wenn ich mit einigen Gelehrten sollte sagen können:
es hätte Gott an stat den Benedictus Spinotza ein
ruhiges Leben und einen sanften Tod zu gönnen, ihn
schon hier in der Welt mit denen grausamsten Martern
foltern und quälen sollen.

§. 4.

Moses beschreibt uns in den folgenden Worten sei-
nes ersten Capitels die Hervorbringung der Erde und
der darauf befindlichen Sachen. Nun hat man denen
Naturkündigern die Freiheit gelaßen, die Veränderungen,
welche bey ihrer Hervorbringung vorgegangen sind, zu
erklären, weil man nicht abgesehen hat, daß daraus et-
was folgte, welches der Religion, guten Sitten
und dem Staate zuwider wäre. Jst es also wunder,
daß sich die Naturkündiger dieser Erlaubniß bedienet und
von der Hervorbringung der Erde und derer irdischen
Körper gesagt haben, was einen ieden unter ihnen am wahr-
scheinlichsten vorgekommen ist. Dadurch ist es geschehen,
daß eine Menge süßer Träume, seltsamer Phantasien, und
wunderbare Erdichtungen in die Naturlehre gekommen
sind, die zum wenigsten den Nutzen gehabt haben, daß sich
ihre Erfinder an diesen Geburten ihres Gehirns haben ergö-
tzen können. Cartesius ist unter den Christen, nicht aber
unter den Weltweisen der erste gewesen, der dieses gethan hat,
sondern es haben sich unter den Heiden schon viele bemü-
het, eine Geschichte von der Erzeugung der Welt zu ver-
fertigen. Die erste Meinung ist der Phönicier, die uns
von einem ihrer eigenen Geschichtschreiber dem Sanchu-
niathon
überliefert, und seiner Versicherung nach aus
der Cosmogenie des Tautus genommen worden, so
der Egyptier Thoyt oder Hermes gewesen. Seiner

Er-

Geſchichte der Erde
eben ſo dachten, wie ſie. Jch verabſcheue dieſe Unge-
rechtigkeit, und ich muͤßte eine ſehr grauſame Seele beſi-
tzen, wenn ich mit einigen Gelehrten ſollte ſagen koͤnnen:
es haͤtte Gott an ſtat den Benedictus Spinotza ein
ruhiges Leben und einen ſanften Tod zu goͤnnen, ihn
ſchon hier in der Welt mit denen grauſamſten Martern
foltern und quaͤlen ſollen.

§. 4.

Moſes beſchreibt uns in den folgenden Worten ſei-
nes erſten Capitels die Hervorbringung der Erde und
der darauf befindlichen Sachen. Nun hat man denen
Naturkuͤndigern die Freiheit gelaßen, die Veraͤnderungen,
welche bey ihrer Hervorbringung vorgegangen ſind, zu
erklaͤren, weil man nicht abgeſehen hat, daß daraus et-
was folgte, welches der Religion, guten Sitten
und dem Staate zuwider waͤre. Jſt es alſo wunder,
daß ſich die Naturkuͤndiger dieſer Erlaubniß bedienet und
von der Hervorbringung der Erde und derer irdiſchen
Koͤrper geſagt haben, was einen ieden unter ihnen am wahr-
ſcheinlichſten vorgekommen iſt. Dadurch iſt es geſchehen,
daß eine Menge ſuͤßer Traͤume, ſeltſamer Phantaſien, und
wunderbare Erdichtungen in die Naturlehre gekommen
ſind, die zum wenigſten den Nutzen gehabt haben, daß ſich
ihre Erfinder an dieſen Geburten ihres Gehirns haben ergoͤ-
tzen koͤnnen. Carteſius iſt unter den Chriſten, nicht aber
unter den Weltweiſen der erſte geweſen, der dieſes gethan hat,
ſondern es haben ſich unter den Heiden ſchon viele bemuͤ-
het, eine Geſchichte von der Erzeugung der Welt zu ver-
fertigen. Die erſte Meinung iſt der Phoͤnicier, die uns
von einem ihrer eigenen Geſchichtſchreiber dem Sanchu-
niathon
uͤberliefert, und ſeiner Verſicherung nach aus
der Cosmogenie des Tautus genommen worden, ſo
der Egyptier Thoyt oder Hermes geweſen. Seiner

Er-
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[12/0020] Geſchichte der Erde eben ſo dachten, wie ſie. Jch verabſcheue dieſe Unge- rechtigkeit, und ich muͤßte eine ſehr grauſame Seele beſi- tzen, wenn ich mit einigen Gelehrten ſollte ſagen koͤnnen: es haͤtte Gott an ſtat den Benedictus Spinotza ein ruhiges Leben und einen ſanften Tod zu goͤnnen, ihn ſchon hier in der Welt mit denen grauſamſten Martern foltern und quaͤlen ſollen. §. 4. Moſes beſchreibt uns in den folgenden Worten ſei- nes erſten Capitels die Hervorbringung der Erde und der darauf befindlichen Sachen. Nun hat man denen Naturkuͤndigern die Freiheit gelaßen, die Veraͤnderungen, welche bey ihrer Hervorbringung vorgegangen ſind, zu erklaͤren, weil man nicht abgeſehen hat, daß daraus et- was folgte, welches der Religion, guten Sitten und dem Staate zuwider waͤre. Jſt es alſo wunder, daß ſich die Naturkuͤndiger dieſer Erlaubniß bedienet und von der Hervorbringung der Erde und derer irdiſchen Koͤrper geſagt haben, was einen ieden unter ihnen am wahr- ſcheinlichſten vorgekommen iſt. Dadurch iſt es geſchehen, daß eine Menge ſuͤßer Traͤume, ſeltſamer Phantaſien, und wunderbare Erdichtungen in die Naturlehre gekommen ſind, die zum wenigſten den Nutzen gehabt haben, daß ſich ihre Erfinder an dieſen Geburten ihres Gehirns haben ergoͤ- tzen koͤnnen. Carteſius iſt unter den Chriſten, nicht aber unter den Weltweiſen der erſte geweſen, der dieſes gethan hat, ſondern es haben ſich unter den Heiden ſchon viele bemuͤ- het, eine Geſchichte von der Erzeugung der Welt zu ver- fertigen. Die erſte Meinung iſt der Phoͤnicier, die uns von einem ihrer eigenen Geſchichtſchreiber dem Sanchu- niathon uͤberliefert, und ſeiner Verſicherung nach aus der Cosmogenie des Tautus genommen worden, ſo der Egyptier Thoyt oder Hermes geweſen. Seiner Er-

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/20>, abgerufen am 26.04.2024.