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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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Geschichte der Erde
Erde eben so unbekant als uns America, ehe es von Co-
lumbo
entdeckt worden gewesen. Denn man stelle sich vor,
daß damals durch einen ausserordentlichen Zufall alle drey
Theile der Welt ausser America von Wasser überschwemmt,
und nur sehr wenig Europäer erhalten worden wären: so ist
gar kein Zweifel, daß sie nicht die vollkommenste Versi-
cherung gegeben haben würden; es sey der ganze Erd-
kreiß unter Wasser gesetzt worden. Ja es würde nicht
einmal dieses nöthig gewesen seyn; sondern man wür-
de diesen Satz eben so allgemein behauptet haben, wenn
schon noch viele Völker erhalten worden wären, mit de-
nen man keine Handlung oder Gemeinschaft gehabt hätte.
Es ist aber diese Meinung, daß die Sündfluth nicht all-
gemein gewesen sey, darum verworfen worden: weil sie
der Erzählung Mosis entgegen zu seyn scheinet. Ausser
dem pflegt man zu ihren Beweise die Muscheln, Schnecken
und Fische anzuführen, welche man fast allenthalben, wenn
man nur tief genug in die Erde gräbet, antrifft. Selbst
die höchsten Berge sind davon nicht ausgenommen, und
Herr Swedenborg hat dergleichen so gar in Schweden
auf den höchsten Bergen angetroffen. Eben dieses gilt
auch von der Schweiz, welches ebenfalls ein Land ist,
worinnen sich eine ungeheure Menge grosser Berge befindet.
Herr Scheuchzer, der dieses mit vieler Mühe und rühm-
lichen Sorgfallt untersucht hat, glaubt steif und feste, daß
dieses lauter unleugbare Ueberbleibsel der Sündfluth wä-
ren. Setzet man dieses zum voraus; so würde freylich
folgen, daß die Sündfluth allgemein gewesen sey: weil
man überall, wenn man tief genung in die Erde gräbt,
und genau nachsiehet, versteinerte Pflanzen Muscheln und
Schnecken in den härtesten Felsen antrift. Diese Sache
verdient von uns genauer untersucht zu werden.

§. 41.

Die Naturkündiger müssen sich, vermöge ihres Amts,

mit

Geſchichte der Erde
Erde eben ſo unbekant als uns America, ehe es von Co-
lumbo
entdeckt worden geweſen. Denn man ſtelle ſich vor,
daß damals durch einen auſſerordentlichen Zufall alle drey
Theile der Welt auſſer America von Waſſer uͤberſchwemmt,
und nur ſehr wenig Europaͤer erhalten worden waͤren: ſo iſt
gar kein Zweifel, daß ſie nicht die vollkommenſte Verſi-
cherung gegeben haben wuͤrden; es ſey der ganze Erd-
kreiß unter Waſſer geſetzt worden. Ja es wuͤrde nicht
einmal dieſes noͤthig geweſen ſeyn; ſondern man wuͤr-
de dieſen Satz eben ſo allgemein behauptet haben, wenn
ſchon noch viele Voͤlker erhalten worden waͤren, mit de-
nen man keine Handlung oder Gemeinſchaft gehabt haͤtte.
Es iſt aber dieſe Meinung, daß die Suͤndfluth nicht all-
gemein geweſen ſey, darum verworfen worden: weil ſie
der Erzaͤhlung Moſis entgegen zu ſeyn ſcheinet. Auſſer
dem pflegt man zu ihren Beweiſe die Muſcheln, Schnecken
und Fiſche anzufuͤhren, welche man faſt allenthalben, wenn
man nur tief genug in die Erde graͤbet, antrifft. Selbſt
die hoͤchſten Berge ſind davon nicht ausgenommen, und
Herr Swedenborg hat dergleichen ſo gar in Schweden
auf den hoͤchſten Bergen angetroffen. Eben dieſes gilt
auch von der Schweiz, welches ebenfalls ein Land iſt,
worinnen ſich eine ungeheure Menge groſſer Berge befindet.
Herr Scheuchzer, der dieſes mit vieler Muͤhe und ruͤhm-
lichen Sorgfallt unterſucht hat, glaubt ſteif und feſte, daß
dieſes lauter unleugbare Ueberbleibſel der Suͤndfluth waͤ-
ren. Setzet man dieſes zum voraus; ſo wuͤrde freylich
folgen, daß die Suͤndfluth allgemein geweſen ſey: weil
man uͤberall, wenn man tief genung in die Erde graͤbt,
und genau nachſiehet, verſteinerte Pflanzen Muſcheln und
Schnecken in den haͤrteſten Felſen antrift. Dieſe Sache
verdient von uns genauer unterſucht zu werden.

§. 41.

Die Naturkuͤndiger muͤſſen ſich, vermoͤge ihres Amts,

mit
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[74/0088] Geſchichte der Erde Erde eben ſo unbekant als uns America, ehe es von Co- lumbo entdeckt worden geweſen. Denn man ſtelle ſich vor, daß damals durch einen auſſerordentlichen Zufall alle drey Theile der Welt auſſer America von Waſſer uͤberſchwemmt, und nur ſehr wenig Europaͤer erhalten worden waͤren: ſo iſt gar kein Zweifel, daß ſie nicht die vollkommenſte Verſi- cherung gegeben haben wuͤrden; es ſey der ganze Erd- kreiß unter Waſſer geſetzt worden. Ja es wuͤrde nicht einmal dieſes noͤthig geweſen ſeyn; ſondern man wuͤr- de dieſen Satz eben ſo allgemein behauptet haben, wenn ſchon noch viele Voͤlker erhalten worden waͤren, mit de- nen man keine Handlung oder Gemeinſchaft gehabt haͤtte. Es iſt aber dieſe Meinung, daß die Suͤndfluth nicht all- gemein geweſen ſey, darum verworfen worden: weil ſie der Erzaͤhlung Moſis entgegen zu ſeyn ſcheinet. Auſſer dem pflegt man zu ihren Beweiſe die Muſcheln, Schnecken und Fiſche anzufuͤhren, welche man faſt allenthalben, wenn man nur tief genug in die Erde graͤbet, antrifft. Selbſt die hoͤchſten Berge ſind davon nicht ausgenommen, und Herr Swedenborg hat dergleichen ſo gar in Schweden auf den hoͤchſten Bergen angetroffen. Eben dieſes gilt auch von der Schweiz, welches ebenfalls ein Land iſt, worinnen ſich eine ungeheure Menge groſſer Berge befindet. Herr Scheuchzer, der dieſes mit vieler Muͤhe und ruͤhm- lichen Sorgfallt unterſucht hat, glaubt ſteif und feſte, daß dieſes lauter unleugbare Ueberbleibſel der Suͤndfluth waͤ- ren. Setzet man dieſes zum voraus; ſo wuͤrde freylich folgen, daß die Suͤndfluth allgemein geweſen ſey: weil man uͤberall, wenn man tief genung in die Erde graͤbt, und genau nachſiehet, verſteinerte Pflanzen Muſcheln und Schnecken in den haͤrteſten Felſen antrift. Dieſe Sache verdient von uns genauer unterſucht zu werden. §. 41. Die Naturkuͤndiger muͤſſen ſich, vermoͤge ihres Amts, mit

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/88>, abgerufen am 26.04.2024.