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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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Geschichte der Erde
trischen Sechseckes hätte, und daß dasselbige mit so vielen
veränderten Verzierungen versehen wäre, die der geschick-
teste Mahler kaum besser erfinden kan; so würden diese
Ungläubigen ohnfehlbar viel schwerer zu bekehren gewe-
sen seyn. Aber so beruften sie sich nur auf andere Exem-
pel, da eine gewisse Figur blos von ohngefehr zu entste-
hen pflegt. Bey uns gibt die Baumannshöle einen deut-
lichen Beweiß: denn darinne erzeigen sich von dem be-
ständig heruntertröpfelnden Wasser tausend artige Figuren,
bey denen sich ein eifriger Steingläubiger allerhand an-
genehme Vorstellungen von solchen Sachen machen kan;
die vor der Sündfluth gewesen, und durch die Länge der
Zeit in Stein verwandelt worden. Und man würde glau-
ben müssen, daß vor der Sündfluth 3. Mönche in der
Baumannshöle um einen Taufstein Gevatter gestan-
den hätten; dabey der dritte, welcher nicht hätte Ja sagen
wollen, um seinen Kopf gekommen wäre. Ja sollte man
in Engelland den blankenburgischen Marmor gekennt
haben: so würde er nur dazu haben dienen müssen, um diese
Naturlehrer in ihrer Steinspötterey zu verstärken. Denn
dieser Marmor sieht, wenn er geschliffen worden ist, na-
türlich so aus wie eine Blutwurst; und wer weiß, ob sie
nicht so leichtfertig gewesen wären diesen Schluß zu ma-
chen, daß wenn alle versteinerte Sachen das wirklich
gewesen seyn sollten, was sie vorstellten, so würde der
Blankenburgische Marmor vor der Sündfluth eine Men-
ge von lauter Blutwürsten gewesen seyn müssen. Aber
man muß einen jeden sein Recht wiederfahren lassen. Und
daher ist es billig, daß wir diese Sache etwas genauer
untersuchen. Es kan aber dieses nicht besser geschehen, als
wenn wir vorher ausmachen, wie Steine erzeugt, und wie
eine Sache in Stein verwandelt werden könne.

§. 42.

Ein Stein, wenn dieses Wort in engern Verstande

genom-

Geſchichte der Erde
triſchen Sechseckes haͤtte, und daß daſſelbige mit ſo vielen
veraͤnderten Verzierungen verſehen waͤre, die der geſchick-
teſte Mahler kaum beſſer erfinden kan; ſo wuͤrden dieſe
Unglaͤubigen ohnfehlbar viel ſchwerer zu bekehren gewe-
ſen ſeyn. Aber ſo beruften ſie ſich nur auf andere Exem-
pel, da eine gewiſſe Figur blos von ohngefehr zu entſte-
hen pflegt. Bey uns gibt die Baumannshoͤle einen deut-
lichen Beweiß: denn darinne erzeigen ſich von dem be-
ſtaͤndig heruntertroͤpfelnden Waſſer tauſend artige Figuren,
bey denen ſich ein eifriger Steinglaͤubiger allerhand an-
genehme Vorſtellungen von ſolchen Sachen machen kan;
die vor der Suͤndfluth geweſen, und durch die Laͤnge der
Zeit in Stein verwandelt worden. Und man wuͤrde glau-
ben muͤſſen, daß vor der Suͤndfluth 3. Moͤnche in der
Baumannshoͤle um einen Taufſtein Gevatter geſtan-
den haͤtten; dabey der dritte, welcher nicht haͤtte Ja ſagen
wollen, um ſeinen Kopf gekommen waͤre. Ja ſollte man
in Engelland den blankenburgiſchen Marmor gekennt
haben: ſo wuͤrde er nur dazu haben dienen muͤſſen, um dieſe
Naturlehrer in ihrer Steinſpoͤtterey zu verſtaͤrken. Denn
dieſer Marmor ſieht, wenn er geſchliffen worden iſt, na-
tuͤrlich ſo aus wie eine Blutwurſt; und wer weiß, ob ſie
nicht ſo leichtfertig geweſen waͤren dieſen Schluß zu ma-
chen, daß wenn alle verſteinerte Sachen das wirklich
geweſen ſeyn ſollten, was ſie vorſtellten, ſo wuͤrde der
Blankenburgiſche Marmor vor der Suͤndfluth eine Men-
ge von lauter Blutwuͤrſten geweſen ſeyn muͤſſen. Aber
man muß einen jeden ſein Recht wiederfahren laſſen. Und
daher iſt es billig, daß wir dieſe Sache etwas genauer
unterſuchen. Es kan aber dieſes nicht beſſer geſchehen, als
wenn wir vorher ausmachen, wie Steine erzeugt, und wie
eine Sache in Stein verwandelt werden koͤnne.

§. 42.

Ein Stein, wenn dieſes Wort in engern Verſtande

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[76/0090] Geſchichte der Erde triſchen Sechseckes haͤtte, und daß daſſelbige mit ſo vielen veraͤnderten Verzierungen verſehen waͤre, die der geſchick- teſte Mahler kaum beſſer erfinden kan; ſo wuͤrden dieſe Unglaͤubigen ohnfehlbar viel ſchwerer zu bekehren gewe- ſen ſeyn. Aber ſo beruften ſie ſich nur auf andere Exem- pel, da eine gewiſſe Figur blos von ohngefehr zu entſte- hen pflegt. Bey uns gibt die Baumannshoͤle einen deut- lichen Beweiß: denn darinne erzeigen ſich von dem be- ſtaͤndig heruntertroͤpfelnden Waſſer tauſend artige Figuren, bey denen ſich ein eifriger Steinglaͤubiger allerhand an- genehme Vorſtellungen von ſolchen Sachen machen kan; die vor der Suͤndfluth geweſen, und durch die Laͤnge der Zeit in Stein verwandelt worden. Und man wuͤrde glau- ben muͤſſen, daß vor der Suͤndfluth 3. Moͤnche in der Baumannshoͤle um einen Taufſtein Gevatter geſtan- den haͤtten; dabey der dritte, welcher nicht haͤtte Ja ſagen wollen, um ſeinen Kopf gekommen waͤre. Ja ſollte man in Engelland den blankenburgiſchen Marmor gekennt haben: ſo wuͤrde er nur dazu haben dienen muͤſſen, um dieſe Naturlehrer in ihrer Steinſpoͤtterey zu verſtaͤrken. Denn dieſer Marmor ſieht, wenn er geſchliffen worden iſt, na- tuͤrlich ſo aus wie eine Blutwurſt; und wer weiß, ob ſie nicht ſo leichtfertig geweſen waͤren dieſen Schluß zu ma- chen, daß wenn alle verſteinerte Sachen das wirklich geweſen ſeyn ſollten, was ſie vorſtellten, ſo wuͤrde der Blankenburgiſche Marmor vor der Suͤndfluth eine Men- ge von lauter Blutwuͤrſten geweſen ſeyn muͤſſen. Aber man muß einen jeden ſein Recht wiederfahren laſſen. Und daher iſt es billig, daß wir dieſe Sache etwas genauer unterſuchen. Es kan aber dieſes nicht beſſer geſchehen, als wenn wir vorher ausmachen, wie Steine erzeugt, und wie eine Sache in Stein verwandelt werden koͤnne. §. 42. Ein Stein, wenn dieſes Wort in engern Verſtande genom-

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/90>, abgerufen am 27.04.2024.