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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 35. Die selbstständigen Reichs-Finanzbehörden.
Bundeshaushalts nach Maaßgabe derjenigen Vorschriften, welche
für ihre Wirksamkeit als Preußische Rechnungs-Revisionsbehörde
gegenwärtig (1868) gelten. "Dieselben Rechte und Pflichten,
welche ihr in dieser letzteren Eigenschaft den Preußischen Behör-
den und Beamten gegenüber beigelegt sind, stehen ihr in ihrer
Eigenschaft als Rechnungshof des Norddeutschen Bundes den Bun-
desbehörden und Beamten gegenüber zu." Der Bundeskanzler
erläßt im Einvernehmen mit dem Bundesrathe eine Instruktion
für die Oberrechnungskammer als Rechnungshof des Nordd. Bun-
des (§. 5 des cit. Gesetzes).

Die Bestimmungen des Gesetzes vom 4. Juli 1868 sind dann
von Jahr zu Jahr wiederholt und erstreckt worden 1); unter Ver-
änderung der Benennung in "Rechnungshof des Deutschen Reiches."

Nachdem jedoch in Preußen ein Gesetz vom 27. März 1872
über die Ober-Rechnungskammer erlassen worden ist 2), sind die
Bestimmungen dieses Gesetzes an die Stelle der älteren, im §. 3
des Gesetzes vom 4. Juli 1868 aufgeführten Vorschriften getre-
ten 3). Eine in Uebereinstimmung mit diesen gesetzlichen Bestimmun-
gen stehende Instruktion ist am 5. März 1875 vom Reichskanzler
erlassen worden 4).

Die staatsrechtliche Stellung des Rechnungshofes im Behörden-
Organismus des Reiches bestimmt sich demnach nach Analogie
der im Preuß. Gesetz vom 27. März 1872 enthaltenen Anord-
nungen. §. 1 desselben bezeichnet die Oberrechnungskammer als
eine dem Könige unmittelbar untergeordnete, den Ministern gegen-
über selbstständige Behörde. Demgemäß steht der Rechnungshof
nicht unter der "oberen Leitung" des Reichskanzlers; er ist ihm
gegenüber vielmehr völlig unabhängig und nur dem Kaiser un-
mittelbar untergeben.

Für die Prüfung der dem Reichstage vorzulegenden allgemeinen
Rechnungen und die von dem Rechnungshof aufzustellenden Bemer-

1) Gesetze v. 11. März 1870, 28. Oktober 1871, 5. Juli 1872, 22. Juni
1873, 11. Februar 1875.
2) Preuß. Ges.-Samml. 1872 S. 278 ff.
3) Reichsges. vom 11. Februar 1875 (R.-G.-Bl. S. 61).
4) Abgedruckt im Centralblatt für das Deutsche Reich 1875 S. 157 ff.
Durch dieselbe ist die ältere Instruktion für den Rechnungshof des Nordd.
Bundes vom 28. Mai 1869 aufgehoben worden. (§. 40.)

§. 35. Die ſelbſtſtändigen Reichs-Finanzbehörden.
Bundeshaushalts nach Maaßgabe derjenigen Vorſchriften, welche
für ihre Wirkſamkeit als Preußiſche Rechnungs-Reviſionsbehörde
gegenwärtig (1868) gelten. „Dieſelben Rechte und Pflichten,
welche ihr in dieſer letzteren Eigenſchaft den Preußiſchen Behör-
den und Beamten gegenüber beigelegt ſind, ſtehen ihr in ihrer
Eigenſchaft als Rechnungshof des Norddeutſchen Bundes den Bun-
desbehörden und Beamten gegenüber zu.“ Der Bundeskanzler
erläßt im Einvernehmen mit dem Bundesrathe eine Inſtruktion
für die Oberrechnungskammer als Rechnungshof des Nordd. Bun-
des (§. 5 des cit. Geſetzes).

Die Beſtimmungen des Geſetzes vom 4. Juli 1868 ſind dann
von Jahr zu Jahr wiederholt und erſtreckt worden 1); unter Ver-
änderung der Benennung in „Rechnungshof des Deutſchen Reiches.“

Nachdem jedoch in Preußen ein Geſetz vom 27. März 1872
über die Ober-Rechnungskammer erlaſſen worden iſt 2), ſind die
Beſtimmungen dieſes Geſetzes an die Stelle der älteren, im §. 3
des Geſetzes vom 4. Juli 1868 aufgeführten Vorſchriften getre-
ten 3). Eine in Uebereinſtimmung mit dieſen geſetzlichen Beſtimmun-
gen ſtehende Inſtruktion iſt am 5. März 1875 vom Reichskanzler
erlaſſen worden 4).

Die ſtaatsrechtliche Stellung des Rechnungshofes im Behörden-
Organismus des Reiches beſtimmt ſich demnach nach Analogie
der im Preuß. Geſetz vom 27. März 1872 enthaltenen Anord-
nungen. §. 1 deſſelben bezeichnet die Oberrechnungskammer als
eine dem Könige unmittelbar untergeordnete, den Miniſtern gegen-
über ſelbſtſtändige Behörde. Demgemäß ſteht der Rechnungshof
nicht unter der „oberen Leitung“ des Reichskanzlers; er iſt ihm
gegenüber vielmehr völlig unabhängig und nur dem Kaiſer un-
mittelbar untergeben.

Für die Prüfung der dem Reichstage vorzulegenden allgemeinen
Rechnungen und die von dem Rechnungshof aufzuſtellenden Bemer-

1) Geſetze v. 11. März 1870, 28. Oktober 1871, 5. Juli 1872, 22. Juni
1873, 11. Februar 1875.
2) Preuß. Geſ.-Samml. 1872 S. 278 ff.
3) Reichsgeſ. vom 11. Februar 1875 (R.-G.-Bl. S. 61).
4) Abgedruckt im Centralblatt für das Deutſche Reich 1875 S. 157 ff.
Durch dieſelbe iſt die ältere Inſtruktion für den Rechnungshof des Nordd.
Bundes vom 28. Mai 1869 aufgehoben worden. (§. 40.)
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[356/0376] §. 35. Die ſelbſtſtändigen Reichs-Finanzbehörden. Bundeshaushalts nach Maaßgabe derjenigen Vorſchriften, welche für ihre Wirkſamkeit als Preußiſche Rechnungs-Reviſionsbehörde gegenwärtig (1868) gelten. „Dieſelben Rechte und Pflichten, welche ihr in dieſer letzteren Eigenſchaft den Preußiſchen Behör- den und Beamten gegenüber beigelegt ſind, ſtehen ihr in ihrer Eigenſchaft als Rechnungshof des Norddeutſchen Bundes den Bun- desbehörden und Beamten gegenüber zu.“ Der Bundeskanzler erläßt im Einvernehmen mit dem Bundesrathe eine Inſtruktion für die Oberrechnungskammer als Rechnungshof des Nordd. Bun- des (§. 5 des cit. Geſetzes). Die Beſtimmungen des Geſetzes vom 4. Juli 1868 ſind dann von Jahr zu Jahr wiederholt und erſtreckt worden 1); unter Ver- änderung der Benennung in „Rechnungshof des Deutſchen Reiches.“ Nachdem jedoch in Preußen ein Geſetz vom 27. März 1872 über die Ober-Rechnungskammer erlaſſen worden iſt 2), ſind die Beſtimmungen dieſes Geſetzes an die Stelle der älteren, im §. 3 des Geſetzes vom 4. Juli 1868 aufgeführten Vorſchriften getre- ten 3). Eine in Uebereinſtimmung mit dieſen geſetzlichen Beſtimmun- gen ſtehende Inſtruktion iſt am 5. März 1875 vom Reichskanzler erlaſſen worden 4). Die ſtaatsrechtliche Stellung des Rechnungshofes im Behörden- Organismus des Reiches beſtimmt ſich demnach nach Analogie der im Preuß. Geſetz vom 27. März 1872 enthaltenen Anord- nungen. §. 1 deſſelben bezeichnet die Oberrechnungskammer als eine dem Könige unmittelbar untergeordnete, den Miniſtern gegen- über ſelbſtſtändige Behörde. Demgemäß ſteht der Rechnungshof nicht unter der „oberen Leitung“ des Reichskanzlers; er iſt ihm gegenüber vielmehr völlig unabhängig und nur dem Kaiſer un- mittelbar untergeben. Für die Prüfung der dem Reichstage vorzulegenden allgemeinen Rechnungen und die von dem Rechnungshof aufzuſtellenden Bemer- 1) Geſetze v. 11. März 1870, 28. Oktober 1871, 5. Juli 1872, 22. Juni 1873, 11. Februar 1875. 2) Preuß. Geſ.-Samml. 1872 S. 278 ff. 3) Reichsgeſ. vom 11. Februar 1875 (R.-G.-Bl. S. 61). 4) Abgedruckt im Centralblatt für das Deutſche Reich 1875 S. 157 ff. Durch dieſelbe iſt die ältere Inſtruktion für den Rechnungshof des Nordd. Bundes vom 28. Mai 1869 aufgehoben worden. (§. 40.)

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/376>, abgerufen am 26.04.2024.