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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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Das Veränderliche und Fortdauernde.
und fremden Theile und Verbindungen benennen, so
entsteht daher öfters auch die Schwierigkeit, unter
welche Art ein Indiuiduum müsse gezählet werden,
zumal, wo die Arten nur den Stufen nach von ein-
ander verschieden sind. Ueberdieß hat die Sprache
nicht Wörter genug, die Indiuidua und ihre Arten
nach jeder Aenderung anders zu benennen, und die
Aenderungen fallen auch nicht immer so gleich in die
Sinnen.

§. 217.

Wir haben hiebey überhaupt zwo Regeln, nach
welchen wir uns richten. Die erste ist: daß ein zu-
sammengesetztes
Indiuiduum einiger Verände-
rungen ungeachtet, in andern Absichten ge-
nommen, dennoch eben dasselbe
Indiuiduum
bleiben kann. Denn es ist für sich klar, daß es
nicht in allen Absichten eben dasselbe bleibt, (§. 203.).
Daher wird auch die Jdentität von den Indiuiduis
von uns mehrentheils nur, in gewissen Absichten be-
trachtet, so wie wir auch gewohnt sind, Eintheilun-
gen
nur in gewissen Absichten zu machen. Beydes
fürnehmlich wegen der Abkürzung des Ausdruckes,
und theils weil wir die Dinge auch nur in besondern
Absichten betrachten, theils weil es auch nicht im-
mer so leicht angeht, alle mitzunehmen. Die andere
Regel ist das oben (§. 187.) schon angeführte: A po-
tiori fit denominatio,
oder: daß wir in Benen-
nung der Dinge die kleinern Abweichungen
von dem eigentlichen Umfange der Bedeutung
der Wörter nicht achten, sondern das Ganze
nach den mehrern oder erheblichern Theilen be-
nennen.
Und so lassen wir etwann einem Indiuiduo
eben den Namen, so lange es nicht in derjenigen Ab-

sicht
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Das Veraͤnderliche und Fortdauernde.
und fremden Theile und Verbindungen benennen, ſo
entſteht daher oͤfters auch die Schwierigkeit, unter
welche Art ein Indiuiduum muͤſſe gezaͤhlet werden,
zumal, wo die Arten nur den Stufen nach von ein-
ander verſchieden ſind. Ueberdieß hat die Sprache
nicht Woͤrter genug, die Indiuidua und ihre Arten
nach jeder Aenderung anders zu benennen, und die
Aenderungen fallen auch nicht immer ſo gleich in die
Sinnen.

§. 217.

Wir haben hiebey uͤberhaupt zwo Regeln, nach
welchen wir uns richten. Die erſte iſt: daß ein zu-
ſammengeſetztes
Indiuiduum einiger Veraͤnde-
rungen ungeachtet, in andern Abſichten ge-
nommen, dennoch eben daſſelbe
Indiuiduum
bleiben kann. Denn es iſt fuͤr ſich klar, daß es
nicht in allen Abſichten eben daſſelbe bleibt, (§. 203.).
Daher wird auch die Jdentitaͤt von den Indiuiduis
von uns mehrentheils nur, in gewiſſen Abſichten be-
trachtet, ſo wie wir auch gewohnt ſind, Eintheilun-
gen
nur in gewiſſen Abſichten zu machen. Beydes
fuͤrnehmlich wegen der Abkuͤrzung des Ausdruckes,
und theils weil wir die Dinge auch nur in beſondern
Abſichten betrachten, theils weil es auch nicht im-
mer ſo leicht angeht, alle mitzunehmen. Die andere
Regel iſt das oben (§. 187.) ſchon angefuͤhrte: A po-
tiori fit denominatio,
oder: daß wir in Benen-
nung der Dinge die kleinern Abweichungen
von dem eigentlichen Umfange der Bedeutung
der Woͤrter nicht achten, ſondern das Ganze
nach den mehrern oder erheblichern Theilen be-
nennen.
Und ſo laſſen wir etwann einem Indiuiduo
eben den Namen, ſo lange es nicht in derjenigen Ab-

ſicht
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[179/0215] Das Veraͤnderliche und Fortdauernde. und fremden Theile und Verbindungen benennen, ſo entſteht daher oͤfters auch die Schwierigkeit, unter welche Art ein Indiuiduum muͤſſe gezaͤhlet werden, zumal, wo die Arten nur den Stufen nach von ein- ander verſchieden ſind. Ueberdieß hat die Sprache nicht Woͤrter genug, die Indiuidua und ihre Arten nach jeder Aenderung anders zu benennen, und die Aenderungen fallen auch nicht immer ſo gleich in die Sinnen. §. 217. Wir haben hiebey uͤberhaupt zwo Regeln, nach welchen wir uns richten. Die erſte iſt: daß ein zu- ſammengeſetztes Indiuiduum einiger Veraͤnde- rungen ungeachtet, in andern Abſichten ge- nommen, dennoch eben daſſelbe Indiuiduum bleiben kann. Denn es iſt fuͤr ſich klar, daß es nicht in allen Abſichten eben daſſelbe bleibt, (§. 203.). Daher wird auch die Jdentitaͤt von den Indiuiduis von uns mehrentheils nur, in gewiſſen Abſichten be- trachtet, ſo wie wir auch gewohnt ſind, Eintheilun- gen nur in gewiſſen Abſichten zu machen. Beydes fuͤrnehmlich wegen der Abkuͤrzung des Ausdruckes, und theils weil wir die Dinge auch nur in beſondern Abſichten betrachten, theils weil es auch nicht im- mer ſo leicht angeht, alle mitzunehmen. Die andere Regel iſt das oben (§. 187.) ſchon angefuͤhrte: A po- tiori fit denominatio, oder: daß wir in Benen- nung der Dinge die kleinern Abweichungen von dem eigentlichen Umfange der Bedeutung der Woͤrter nicht achten, ſondern das Ganze nach den mehrern oder erheblichern Theilen be- nennen. Und ſo laſſen wir etwann einem Indiuiduo eben den Namen, ſo lange es nicht in derjenigen Ab- ſicht M 2

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/215>, abgerufen am 27.04.2024.