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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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X. Hauptstück. Das Wahr seyn
Zehentes Hauptstück.
Das Wahr seyn und das Nicht wahr seyn.
§. 289.

Unter den verschiedenen allgemeinern Bestimmun-
gen, die man dem Bindewörtchen seyn zusetzet,
und wovon wir bisher das Nicht, das können
oder möglich, und das muß oder nothwendig
betrachtet haben, kömmt auch das wahr vor, und
dieses wird, eben so wie überhaupt das Bindewört-
chen (§. 242.) auf den ganzen Satz gleichförmig aus-
gedehnet. Es bezeichnet gewissermaßen die Gränz-
linie zwischen Sätzen, die schlechthin nur symbolisch,
und zwischen denen, die zugleich auch durchaus ge-
denkbar sind. Denn soll ein Satz wahr seyn, so
muß derselbe nicht nur ein für sich gedenkbares Sub-
ject und Prädicat haben, sondern es muß auch ge-
denkbar seyn, daß letzteres dem erstern auf die Art
zukomme, wie es der Satz angiebt. Das Symboli-
sche des Satzes muß durchaus gedenkbar seyn, und
ist dieses, so sagen wir, der Satz sey wahr, und wir
bezeichnen dadurch den Beyfall, den wir der Aussage
des Satzes geben.

§. 290.

Diese Art von Wahrheit nennen wir die logische
Wahrheit, und man sieht aus erstgesagtem, daß sie
eigentlich das Bindewörtchen eines Satzes und seine
gleichförmige Ausdehnung über den ganzen Satz be-
trifft. Wir pflegen, vermuthlich Kürze halber, das
Wort wahr nicht immer dem Bindewörtchen eines

wahren
X. Hauptſtuͤck. Das Wahr ſeyn
Zehentes Hauptſtuͤck.
Das Wahr ſeyn und das Nicht wahr ſeyn.
§. 289.

Unter den verſchiedenen allgemeinern Beſtimmun-
gen, die man dem Bindewoͤrtchen ſeyn zuſetzet,
und wovon wir bisher das Nicht, das koͤnnen
oder moͤglich, und das muß oder nothwendig
betrachtet haben, koͤmmt auch das wahr vor, und
dieſes wird, eben ſo wie uͤberhaupt das Bindewoͤrt-
chen (§. 242.) auf den ganzen Satz gleichfoͤrmig aus-
gedehnet. Es bezeichnet gewiſſermaßen die Graͤnz-
linie zwiſchen Saͤtzen, die ſchlechthin nur ſymboliſch,
und zwiſchen denen, die zugleich auch durchaus ge-
denkbar ſind. Denn ſoll ein Satz wahr ſeyn, ſo
muß derſelbe nicht nur ein fuͤr ſich gedenkbares Sub-
ject und Praͤdicat haben, ſondern es muß auch ge-
denkbar ſeyn, daß letzteres dem erſtern auf die Art
zukomme, wie es der Satz angiebt. Das Symboli-
ſche des Satzes muß durchaus gedenkbar ſeyn, und
iſt dieſes, ſo ſagen wir, der Satz ſey wahr, und wir
bezeichnen dadurch den Beyfall, den wir der Ausſage
des Satzes geben.

§. 290.

Dieſe Art von Wahrheit nennen wir die logiſche
Wahrheit, und man ſieht aus erſtgeſagtem, daß ſie
eigentlich das Bindewoͤrtchen eines Satzes und ſeine
gleichfoͤrmige Ausdehnung uͤber den ganzen Satz be-
trifft. Wir pflegen, vermuthlich Kuͤrze halber, das
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[280/0316] X. Hauptſtuͤck. Das Wahr ſeyn Zehentes Hauptſtuͤck. Das Wahr ſeyn und das Nicht wahr ſeyn. §. 289. Unter den verſchiedenen allgemeinern Beſtimmun- gen, die man dem Bindewoͤrtchen ſeyn zuſetzet, und wovon wir bisher das Nicht, das koͤnnen oder moͤglich, und das muß oder nothwendig betrachtet haben, koͤmmt auch das wahr vor, und dieſes wird, eben ſo wie uͤberhaupt das Bindewoͤrt- chen (§. 242.) auf den ganzen Satz gleichfoͤrmig aus- gedehnet. Es bezeichnet gewiſſermaßen die Graͤnz- linie zwiſchen Saͤtzen, die ſchlechthin nur ſymboliſch, und zwiſchen denen, die zugleich auch durchaus ge- denkbar ſind. Denn ſoll ein Satz wahr ſeyn, ſo muß derſelbe nicht nur ein fuͤr ſich gedenkbares Sub- ject und Praͤdicat haben, ſondern es muß auch ge- denkbar ſeyn, daß letzteres dem erſtern auf die Art zukomme, wie es der Satz angiebt. Das Symboli- ſche des Satzes muß durchaus gedenkbar ſeyn, und iſt dieſes, ſo ſagen wir, der Satz ſey wahr, und wir bezeichnen dadurch den Beyfall, den wir der Ausſage des Satzes geben. §. 290. Dieſe Art von Wahrheit nennen wir die logiſche Wahrheit, und man ſieht aus erſtgeſagtem, daß ſie eigentlich das Bindewoͤrtchen eines Satzes und ſeine gleichfoͤrmige Ausdehnung uͤber den ganzen Satz be- trifft. Wir pflegen, vermuthlich Kuͤrze halber, das Wort wahr nicht immer dem Bindewoͤrtchen eines wahren

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/316>, abgerufen am 26.04.2024.