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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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Das Vor seyn und das Nach seyn.
ganz auf, und nach dem §. 299. würde mit Voraus-
setzung, daß das blinde Ungefähr statt habe, wo nicht
das ganze Reich der logischen Wahrheiten, jedoch
nothwendig der Zusammenhang in demselben ein
durchaus leerer Traum seyn, weil das blinde Unge-
fähr den durchgängigen Zusammenhang bey existi-
renden Dingen nicht statt haben ließe. So hat auch
vermöge des eben daselbst erwiesenen (§. 299.) das
Solide und die Kräfte, wodurch es verbunden, in
Zusammenhang gebracht und verändert werden kann,
eine für sich nothwendige Möglichkeit zu existiren
oder metaphysische Wahrheit, und dieses nebst der
absoluten Nothwendigkeit eines ewigen unveränder-
lichen Suppositi intelligentis, oder persönlichen den-
kenden Wesens, machet den blinden Zufall durch-
aus unmöglich.

§. 314.

Der blinde Zufall ist demnach ein irriger Begriff.
Jndessen da kein Jrrthum ganz zu verwerfen ist
(Alethiol. §. 202.), so wollen wir diesen Begriff et-
was genauer betrachten. Man weiß, daß man bey
der Berechnung der Wahrscheinlichkeit, eben so, wie
bey Voraussetzung des blinden Zufalles, eine durch-
aus gleiche Möglichkeit aller Fälle annimmt. So
habe ich auch in dem 16ten der cosinologischen
Briefe über die Einrichtung des Weltbaues,

und in dem §. 152. der Phänomenologie gezeiget, daß
die Berechnung des Wahrscheinlichen auch bey der
weisesten Einrichtung der Welt,
auf die glei-
che, oder nach bestimmten Gesetzen ungleiche Mög-
lichkeit aller Fälle, gegründet werden könne, und daß
die Erfahrung dem Erfolge der Rechnung nicht zu-
wider sey. Daraus aber folget, daß man den Be-

griff
Lamb. Archit. I. B. U

Das Vor ſeyn und das Nach ſeyn.
ganz auf, und nach dem §. 299. wuͤrde mit Voraus-
ſetzung, daß das blinde Ungefaͤhr ſtatt habe, wo nicht
das ganze Reich der logiſchen Wahrheiten, jedoch
nothwendig der Zuſammenhang in demſelben ein
durchaus leerer Traum ſeyn, weil das blinde Unge-
faͤhr den durchgaͤngigen Zuſammenhang bey exiſti-
renden Dingen nicht ſtatt haben ließe. So hat auch
vermoͤge des eben daſelbſt erwieſenen (§. 299.) das
Solide und die Kraͤfte, wodurch es verbunden, in
Zuſammenhang gebracht und veraͤndert werden kann,
eine fuͤr ſich nothwendige Moͤglichkeit zu exiſtiren
oder metaphyſiſche Wahrheit, und dieſes nebſt der
abſoluten Nothwendigkeit eines ewigen unveraͤnder-
lichen Suppoſiti intelligentis, oder perſoͤnlichen den-
kenden Weſens, machet den blinden Zufall durch-
aus unmoͤglich.

§. 314.

Der blinde Zufall iſt demnach ein irriger Begriff.
Jndeſſen da kein Jrrthum ganz zu verwerfen iſt
(Alethiol. §. 202.), ſo wollen wir dieſen Begriff et-
was genauer betrachten. Man weiß, daß man bey
der Berechnung der Wahrſcheinlichkeit, eben ſo, wie
bey Vorausſetzung des blinden Zufalles, eine durch-
aus gleiche Moͤglichkeit aller Faͤlle annimmt. So
habe ich auch in dem 16ten der coſinologiſchen
Briefe uͤber die Einrichtung des Weltbaues,

und in dem §. 152. der Phaͤnomenologie gezeiget, daß
die Berechnung des Wahrſcheinlichen auch bey der
weiſeſten Einrichtung der Welt,
auf die glei-
che, oder nach beſtimmten Geſetzen ungleiche Moͤg-
lichkeit aller Faͤlle, gegruͤndet werden koͤnne, und daß
die Erfahrung dem Erfolge der Rechnung nicht zu-
wider ſey. Daraus aber folget, daß man den Be-

griff
Lamb. Archit. I. B. U
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[305/0341] Das Vor ſeyn und das Nach ſeyn. ganz auf, und nach dem §. 299. wuͤrde mit Voraus- ſetzung, daß das blinde Ungefaͤhr ſtatt habe, wo nicht das ganze Reich der logiſchen Wahrheiten, jedoch nothwendig der Zuſammenhang in demſelben ein durchaus leerer Traum ſeyn, weil das blinde Unge- faͤhr den durchgaͤngigen Zuſammenhang bey exiſti- renden Dingen nicht ſtatt haben ließe. So hat auch vermoͤge des eben daſelbſt erwieſenen (§. 299.) das Solide und die Kraͤfte, wodurch es verbunden, in Zuſammenhang gebracht und veraͤndert werden kann, eine fuͤr ſich nothwendige Moͤglichkeit zu exiſtiren oder metaphyſiſche Wahrheit, und dieſes nebſt der abſoluten Nothwendigkeit eines ewigen unveraͤnder- lichen Suppoſiti intelligentis, oder perſoͤnlichen den- kenden Weſens, machet den blinden Zufall durch- aus unmoͤglich. §. 314. Der blinde Zufall iſt demnach ein irriger Begriff. Jndeſſen da kein Jrrthum ganz zu verwerfen iſt (Alethiol. §. 202.), ſo wollen wir dieſen Begriff et- was genauer betrachten. Man weiß, daß man bey der Berechnung der Wahrſcheinlichkeit, eben ſo, wie bey Vorausſetzung des blinden Zufalles, eine durch- aus gleiche Moͤglichkeit aller Faͤlle annimmt. So habe ich auch in dem 16ten der coſinologiſchen Briefe uͤber die Einrichtung des Weltbaues, und in dem §. 152. der Phaͤnomenologie gezeiget, daß die Berechnung des Wahrſcheinlichen auch bey der weiſeſten Einrichtung der Welt, auf die glei- che, oder nach beſtimmten Geſetzen ungleiche Moͤg- lichkeit aller Faͤlle, gegruͤndet werden koͤnne, und daß die Erfahrung dem Erfolge der Rechnung nicht zu- wider ſey. Daraus aber folget, daß man den Be- griff Lamb. Archit. I. B. U

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/341>, abgerufen am 26.04.2024.