Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

XI. Hauptstück.
griff des blinden Zufalles, ungefähr eben so, wie in
der Algeber den Ausdruck sqrt - 1, bey der Berech-
nung der Wahrscheinlichkeit die Grade der Existenz
(§. 104.), und so auch mehrere andere gedichtete Be-
griffe (§. 163. 231. 273.) in der Theorie gebrauchen
könne, und in dieser Absicht verdienet derselbe ge-
nauer untersuchet zu werden, damit wir umständli-
cher sehen, worinn er eigentlich irrig ist, und wie
fern das nicht Jrrige darinn gebraucht werden könne.

§. 315.

Der blinde Zufall schleußt alles, was in den Rei-
hen der Dinge und ihrer Ordnung Auswahl, Zu-
sammenhang, Verbindung, Ursach und Wir-
kung, Absicht und Mittel
heißt, schlechthin aus,
und läßt kein ander vor und nach zu, als was in
Ansehung der Zeit und des Raumes nothwendig vor
und nach genennet werden muß, (§. 310.). Alle
Gesetze, nach welchen die Dinge auf einander fol-
gen, oder vor und nach einander sind, fallen dabey
schlechthin weg, und es bleibt nichts, als daß von
jeden möglichen Combinationen und Abwechslungen,
die sich dem Orte nach gedenken lassen, jedesmal nur
eine, und hingegen von denen, die sich der Zeit nach
gedenken lassen, schlechthin nur eine existirt, alle an-
dere aber dessen unerachtet, eben so möglich gewesen
wären. Wir müssen hiebey anmerken, daß diejeni-
gen Reihen, in welchen alles, auch nach den schön-
sten Gesetzen der Ordnung auf einander folget, von
diesen Combinationen nicht ausgeschlossen sind. Der
Unterschied besteht nur darinn, daß bey dem blinden
Zufalle keine Gesetze statt haben, und folglich, wenn
bey der Voraussetzung des blinden Zufalles eine sol-
che wohlgeordnete Reihe existirte, sie weder wegen

einer

XI. Hauptſtuͤck.
griff des blinden Zufalles, ungefaͤhr eben ſo, wie in
der Algeber den Ausdruck √ ‒ 1, bey der Berech-
nung der Wahrſcheinlichkeit die Grade der Exiſtenz
(§. 104.), und ſo auch mehrere andere gedichtete Be-
griffe (§. 163. 231. 273.) in der Theorie gebrauchen
koͤnne, und in dieſer Abſicht verdienet derſelbe ge-
nauer unterſuchet zu werden, damit wir umſtaͤndli-
cher ſehen, worinn er eigentlich irrig iſt, und wie
fern das nicht Jrrige darinn gebraucht werden koͤnne.

§. 315.

Der blinde Zufall ſchleußt alles, was in den Rei-
hen der Dinge und ihrer Ordnung Auswahl, Zu-
ſammenhang, Verbindung, Urſach und Wir-
kung, Abſicht und Mittel
heißt, ſchlechthin aus,
und laͤßt kein ander vor und nach zu, als was in
Anſehung der Zeit und des Raumes nothwendig vor
und nach genennet werden muß, (§. 310.). Alle
Geſetze, nach welchen die Dinge auf einander fol-
gen, oder vor und nach einander ſind, fallen dabey
ſchlechthin weg, und es bleibt nichts, als daß von
jeden moͤglichen Combinationen und Abwechslungen,
die ſich dem Orte nach gedenken laſſen, jedesmal nur
eine, und hingegen von denen, die ſich der Zeit nach
gedenken laſſen, ſchlechthin nur eine exiſtirt, alle an-
dere aber deſſen unerachtet, eben ſo moͤglich geweſen
waͤren. Wir muͤſſen hiebey anmerken, daß diejeni-
gen Reihen, in welchen alles, auch nach den ſchoͤn-
ſten Geſetzen der Ordnung auf einander folget, von
dieſen Combinationen nicht ausgeſchloſſen ſind. Der
Unterſchied beſteht nur darinn, daß bey dem blinden
Zufalle keine Geſetze ſtatt haben, und folglich, wenn
bey der Vorausſetzung des blinden Zufalles eine ſol-
che wohlgeordnete Reihe exiſtirte, ſie weder wegen

einer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0342" n="306"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XI.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
griff des blinden Zufalles, ungefa&#x0364;hr eben &#x017F;o, wie in<lb/>
der Algeber den Ausdruck &#x221A; &#x2012; 1, bey der Berech-<lb/>
nung der Wahr&#x017F;cheinlichkeit die Grade der Exi&#x017F;tenz<lb/>
(§. 104.), und &#x017F;o auch mehrere andere gedichtete Be-<lb/>
griffe (§. 163. 231. 273.) in der Theorie gebrauchen<lb/>
ko&#x0364;nne, und in die&#x017F;er Ab&#x017F;icht verdienet der&#x017F;elbe ge-<lb/>
nauer unter&#x017F;uchet zu werden, damit wir um&#x017F;ta&#x0364;ndli-<lb/>
cher &#x017F;ehen, worinn er eigentlich irrig i&#x017F;t, und wie<lb/>
fern das nicht Jrrige darinn gebraucht werden ko&#x0364;nne.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 315.</head><lb/>
            <p>Der blinde Zufall &#x017F;chleußt alles, was in den Rei-<lb/>
hen der Dinge und ihrer Ordnung <hi rendition="#fr">Auswahl, Zu-<lb/>
&#x017F;ammenhang, Verbindung, Ur&#x017F;ach und Wir-<lb/>
kung, Ab&#x017F;icht und Mittel</hi> heißt, &#x017F;chlechthin aus,<lb/>
und la&#x0364;ßt kein ander <hi rendition="#fr">vor</hi> und <hi rendition="#fr">nach</hi> zu, als was in<lb/>
An&#x017F;ehung der Zeit und des Raumes nothwendig <hi rendition="#fr">vor</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">nach</hi> genennet werden muß, (§. 310.). Alle<lb/><hi rendition="#fr">Ge&#x017F;etze,</hi> nach welchen die Dinge auf einander fol-<lb/>
gen, oder vor und nach einander &#x017F;ind, fallen dabey<lb/>
&#x017F;chlechthin weg, und es bleibt nichts, als daß von<lb/>
jeden mo&#x0364;glichen Combinationen und Abwechslungen,<lb/>
die &#x017F;ich dem Orte nach gedenken la&#x017F;&#x017F;en, jedesmal nur<lb/>
eine, und hingegen von denen, die &#x017F;ich der Zeit nach<lb/>
gedenken la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;chlechthin nur eine exi&#x017F;tirt, alle an-<lb/>
dere aber de&#x017F;&#x017F;en unerachtet, eben &#x017F;o mo&#x0364;glich gewe&#x017F;en<lb/>
wa&#x0364;ren. Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en hiebey anmerken, daß diejeni-<lb/>
gen Reihen, in welchen alles, auch nach den &#x017F;cho&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;ten Ge&#x017F;etzen der Ordnung auf einander folget, von<lb/>
die&#x017F;en Combinationen nicht ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind. Der<lb/>
Unter&#x017F;chied be&#x017F;teht nur darinn, daß bey dem blinden<lb/>
Zufalle keine Ge&#x017F;etze &#x017F;tatt haben, und folglich, wenn<lb/>
bey der Voraus&#x017F;etzung des blinden Zufalles eine &#x017F;ol-<lb/>
che wohlgeordnete Reihe exi&#x017F;tirte, &#x017F;ie weder wegen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">einer</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0342] XI. Hauptſtuͤck. griff des blinden Zufalles, ungefaͤhr eben ſo, wie in der Algeber den Ausdruck √ ‒ 1, bey der Berech- nung der Wahrſcheinlichkeit die Grade der Exiſtenz (§. 104.), und ſo auch mehrere andere gedichtete Be- griffe (§. 163. 231. 273.) in der Theorie gebrauchen koͤnne, und in dieſer Abſicht verdienet derſelbe ge- nauer unterſuchet zu werden, damit wir umſtaͤndli- cher ſehen, worinn er eigentlich irrig iſt, und wie fern das nicht Jrrige darinn gebraucht werden koͤnne. §. 315. Der blinde Zufall ſchleußt alles, was in den Rei- hen der Dinge und ihrer Ordnung Auswahl, Zu- ſammenhang, Verbindung, Urſach und Wir- kung, Abſicht und Mittel heißt, ſchlechthin aus, und laͤßt kein ander vor und nach zu, als was in Anſehung der Zeit und des Raumes nothwendig vor und nach genennet werden muß, (§. 310.). Alle Geſetze, nach welchen die Dinge auf einander fol- gen, oder vor und nach einander ſind, fallen dabey ſchlechthin weg, und es bleibt nichts, als daß von jeden moͤglichen Combinationen und Abwechslungen, die ſich dem Orte nach gedenken laſſen, jedesmal nur eine, und hingegen von denen, die ſich der Zeit nach gedenken laſſen, ſchlechthin nur eine exiſtirt, alle an- dere aber deſſen unerachtet, eben ſo moͤglich geweſen waͤren. Wir muͤſſen hiebey anmerken, daß diejeni- gen Reihen, in welchen alles, auch nach den ſchoͤn- ſten Geſetzen der Ordnung auf einander folget, von dieſen Combinationen nicht ausgeſchloſſen ſind. Der Unterſchied beſteht nur darinn, daß bey dem blinden Zufalle keine Geſetze ſtatt haben, und folglich, wenn bey der Vorausſetzung des blinden Zufalles eine ſol- che wohlgeordnete Reihe exiſtirte, ſie weder wegen einer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/342
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/342>, abgerufen am 27.04.2024.