Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Vor seyn und das Nach seyn.
einer Auswahl, noch wegen dabey eingeführten Ge-
setzen existiren würde, sondern jede andere Combina-
tion dabey gleich möglich gewesen wäre.

§. 316.

Man kann hinwiederum auch nicht schließen, daß,
wenn in einer existirenden Reihe von Dingen keine
Ordnung wäre, sie von dem blinden Zufalle herrüh-
ren würde. Denn man müßte zugleich beweisen, daß
keine Gesetze, kein realer Zusammenhang etc. dar-
rinn zu finden wäre. Dieses allein schließt den
blinden Zufall aus, und wird auch hinwieder-
um allein von demselben ausgeschlossen.
Der
Zufall schleußt die Ordnung nicht aus, er läßt aber
auch jede Unordnung zu, und da dabey alle Ordnun-
gen und Unordnungen gleich möglich sind, so wird
bey dem Zufalle die Existenz der Unordnung, desto
wahrscheinlicher je mehr an sich schon Unordnun-
gen möglich sind, als Ordnungen. Bey wirklichen
Gesetzen aber ist die Ordnung ebenfalls nicht schlech-
terdings weder einfach noch nothwendig, und es ge-
braucht nur wenige Gesetze, um die Ordnung in der
Folge der Dinge durchaus verwirrt zu machen. So
habe ich z. E. in vorangezogener Stelle der cosmolo-
gischen Briefe angeführet, daß diejenige Bedingung,
daß die Weltkörper einander, des beständigen Anzie-
hens unerachtet, sich durch alle Zeiten durch immer
ausweichen sollen, nicht nur alles Zufällige in ihrer
Anordnung schlechthin ausschließe, sondern ihre anfäng-
liche und jedesmalige Lage so verwirrt und dem An-
scheine nach unordentlich seyn müsse, als wenn es
das Ungefähr so gefüget hätte. Man sehe auch,
was wir oben (§. 130. 131.) über die Unmöglichkeit
einer völligen Jdentität und des Progressus rerum
circularis
in der wirklichen Welt angemerket haben.

§. 317.
U 2

Das Vor ſeyn und das Nach ſeyn.
einer Auswahl, noch wegen dabey eingefuͤhrten Ge-
ſetzen exiſtiren wuͤrde, ſondern jede andere Combina-
tion dabey gleich moͤglich geweſen waͤre.

§. 316.

Man kann hinwiederum auch nicht ſchließen, daß,
wenn in einer exiſtirenden Reihe von Dingen keine
Ordnung waͤre, ſie von dem blinden Zufalle herruͤh-
ren wuͤrde. Denn man muͤßte zugleich beweiſen, daß
keine Geſetze, kein realer Zuſammenhang ꝛc. dar-
rinn zu finden waͤre. Dieſes allein ſchließt den
blinden Zufall aus, und wird auch hinwieder-
um allein von demſelben ausgeſchloſſen.
Der
Zufall ſchleußt die Ordnung nicht aus, er laͤßt aber
auch jede Unordnung zu, und da dabey alle Ordnun-
gen und Unordnungen gleich moͤglich ſind, ſo wird
bey dem Zufalle die Exiſtenz der Unordnung, deſto
wahrſcheinlicher je mehr an ſich ſchon Unordnun-
gen moͤglich ſind, als Ordnungen. Bey wirklichen
Geſetzen aber iſt die Ordnung ebenfalls nicht ſchlech-
terdings weder einfach noch nothwendig, und es ge-
braucht nur wenige Geſetze, um die Ordnung in der
Folge der Dinge durchaus verwirrt zu machen. So
habe ich z. E. in vorangezogener Stelle der coſmolo-
giſchen Briefe angefuͤhret, daß diejenige Bedingung,
daß die Weltkoͤrper einander, des beſtaͤndigen Anzie-
hens unerachtet, ſich durch alle Zeiten durch immer
ausweichen ſollen, nicht nur alles Zufaͤllige in ihrer
Anordnung ſchlechthin ausſchließe, ſondern ihre anfaͤng-
liche und jedesmalige Lage ſo verwirrt und dem An-
ſcheine nach unordentlich ſeyn muͤſſe, als wenn es
das Ungefaͤhr ſo gefuͤget haͤtte. Man ſehe auch,
was wir oben (§. 130. 131.) uͤber die Unmoͤglichkeit
einer voͤlligen Jdentitaͤt und des Progreſſus rerum
circularis
in der wirklichen Welt angemerket haben.

§. 317.
U 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0343" n="307"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Vor &#x017F;eyn und das Nach &#x017F;eyn.</hi></fw><lb/>
einer Auswahl, noch wegen dabey eingefu&#x0364;hrten Ge-<lb/>
&#x017F;etzen exi&#x017F;tiren wu&#x0364;rde, &#x017F;ondern jede andere Combina-<lb/>
tion dabey gleich mo&#x0364;glich gewe&#x017F;en wa&#x0364;re.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 316.</head><lb/>
            <p>Man kann hinwiederum auch nicht &#x017F;chließen, daß,<lb/>
wenn in einer exi&#x017F;tirenden Reihe von Dingen keine<lb/>
Ordnung wa&#x0364;re, &#x017F;ie von dem blinden Zufalle herru&#x0364;h-<lb/>
ren wu&#x0364;rde. Denn man mu&#x0364;ßte zugleich bewei&#x017F;en, daß<lb/>
keine <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;etze,</hi> kein <hi rendition="#fr">realer Zu&#x017F;ammenhang</hi> &#xA75B;c. dar-<lb/>
rinn zu finden wa&#x0364;re. <hi rendition="#fr">Die&#x017F;es allein &#x017F;chließt den<lb/>
blinden Zufall aus, und wird auch hinwieder-<lb/>
um allein von dem&#x017F;elben ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</hi> Der<lb/>
Zufall &#x017F;chleußt die Ordnung nicht aus, er la&#x0364;ßt aber<lb/>
auch jede Unordnung zu, und da dabey alle Ordnun-<lb/>
gen und Unordnungen gleich mo&#x0364;glich &#x017F;ind, &#x017F;o wird<lb/>
bey dem Zufalle die Exi&#x017F;tenz der Unordnung, de&#x017F;to<lb/><hi rendition="#fr">wahr&#x017F;cheinlicher</hi> je mehr an &#x017F;ich &#x017F;chon Unordnun-<lb/>
gen mo&#x0364;glich &#x017F;ind, als Ordnungen. Bey wirklichen<lb/>
Ge&#x017F;etzen aber i&#x017F;t die Ordnung ebenfalls nicht &#x017F;chlech-<lb/>
terdings weder einfach noch nothwendig, und es ge-<lb/>
braucht nur wenige Ge&#x017F;etze, um die Ordnung in der<lb/>
Folge der Dinge durchaus verwirrt zu machen. So<lb/>
habe ich z. E. in vorangezogener Stelle der co&#x017F;molo-<lb/>
gi&#x017F;chen Briefe angefu&#x0364;hret, daß diejenige Bedingung,<lb/>
daß die Weltko&#x0364;rper einander, des be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Anzie-<lb/>
hens unerachtet, &#x017F;ich durch alle Zeiten durch immer<lb/>
ausweichen &#x017F;ollen, nicht nur alles Zufa&#x0364;llige in ihrer<lb/>
Anordnung &#x017F;chlechthin aus&#x017F;chließe, &#x017F;ondern ihre anfa&#x0364;ng-<lb/>
liche und jedesmalige Lage &#x017F;o verwirrt und dem An-<lb/>
&#x017F;cheine nach unordentlich &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, als wenn es<lb/>
das Ungefa&#x0364;hr &#x017F;o gefu&#x0364;get ha&#x0364;tte. Man &#x017F;ehe auch,<lb/>
was wir oben (§. 130. 131.) u&#x0364;ber die Unmo&#x0364;glichkeit<lb/>
einer vo&#x0364;lligen Jdentita&#x0364;t und des <hi rendition="#aq">Progre&#x017F;&#x017F;us rerum<lb/>
circularis</hi> in der wirklichen Welt angemerket haben.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">U 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 317.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[307/0343] Das Vor ſeyn und das Nach ſeyn. einer Auswahl, noch wegen dabey eingefuͤhrten Ge- ſetzen exiſtiren wuͤrde, ſondern jede andere Combina- tion dabey gleich moͤglich geweſen waͤre. §. 316. Man kann hinwiederum auch nicht ſchließen, daß, wenn in einer exiſtirenden Reihe von Dingen keine Ordnung waͤre, ſie von dem blinden Zufalle herruͤh- ren wuͤrde. Denn man muͤßte zugleich beweiſen, daß keine Geſetze, kein realer Zuſammenhang ꝛc. dar- rinn zu finden waͤre. Dieſes allein ſchließt den blinden Zufall aus, und wird auch hinwieder- um allein von demſelben ausgeſchloſſen. Der Zufall ſchleußt die Ordnung nicht aus, er laͤßt aber auch jede Unordnung zu, und da dabey alle Ordnun- gen und Unordnungen gleich moͤglich ſind, ſo wird bey dem Zufalle die Exiſtenz der Unordnung, deſto wahrſcheinlicher je mehr an ſich ſchon Unordnun- gen moͤglich ſind, als Ordnungen. Bey wirklichen Geſetzen aber iſt die Ordnung ebenfalls nicht ſchlech- terdings weder einfach noch nothwendig, und es ge- braucht nur wenige Geſetze, um die Ordnung in der Folge der Dinge durchaus verwirrt zu machen. So habe ich z. E. in vorangezogener Stelle der coſmolo- giſchen Briefe angefuͤhret, daß diejenige Bedingung, daß die Weltkoͤrper einander, des beſtaͤndigen Anzie- hens unerachtet, ſich durch alle Zeiten durch immer ausweichen ſollen, nicht nur alles Zufaͤllige in ihrer Anordnung ſchlechthin ausſchließe, ſondern ihre anfaͤng- liche und jedesmalige Lage ſo verwirrt und dem An- ſcheine nach unordentlich ſeyn muͤſſe, als wenn es das Ungefaͤhr ſo gefuͤget haͤtte. Man ſehe auch, was wir oben (§. 130. 131.) uͤber die Unmoͤglichkeit einer voͤlligen Jdentitaͤt und des Progreſſus rerum circularis in der wirklichen Welt angemerket haben. §. 317. U 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/343
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/343>, abgerufen am 27.04.2024.