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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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II. Hauptst. Einfache Grundbegriffe
zu den Grundbegriffen gerechnet werden, ungeachtet
er von ganz anderer Art, als die Begriffe der ersten
Classe ist.

§. 51.

Von allen diesen Begriffen werde ich keine Defi-
nition geben. Vielleicht liessen sich einige durch Ver-
hältnisse zu andern Begriffen so weit bestimmen oder
kenntlich machen, als man voraus setzet, jemand,
dem man sie auf diese Weise kenntlich machen will,
habe diese Begriffe nicht, er habe aber die Begriffe,
die man zu der Definition gebraucht. Es ist aber
bey solchen Definitionen nichts systematisches, und die
logischen Cirkel finden sich unvermeidlich dabey ein,
wenn man sie fortsetzen soll, (§. 27. 7.). So z. E.
kann man etwann sagen: Das Solide ist das Dichte
in der Materie, welches den Raum ausfüllet, oder
das Reale Etwas etc. damit habe ich aber keinen
klärern Begriff von diesem Etwas, welches in der
Materie solid ist. So hat man auch die Existenz
durch ein Etwas definiren wollen, welches noch zur
Möglichkeit hinzukommen müsse, um wirklich zu
seyn, oder durch ein positives und absolutes se-
tzen,
welches so viel ist, als existiren machen etc.
Bey allem diesem ist Locke glücklicher verfahren. Er
zeiget schlechthin nur die Art der Empfindungen an,
wodurch wir zu diesen Begriffen gelangen. Carte-
sius
mit seinem Cogito, ergo sum, wäre auf glei-
chem Wege gewesen, und selbst Wolf, der doch
alles wollte definirt wissen, verfiel darauf, da er eine
Erklärung von der Lust suchete. Er konnte nur an-
geben, wie sie in uns entsteht, oder wodurch sie
erreget wird. Vielleicht hätte er sie, nach seiner Art
durch Verhältnisse zu definiren, den Trieb zum
Wollen
nennen können, und zwar den Subjectiven,

weil

II. Hauptſt. Einfache Grundbegriffe
zu den Grundbegriffen gerechnet werden, ungeachtet
er von ganz anderer Art, als die Begriffe der erſten
Claſſe iſt.

§. 51.

Von allen dieſen Begriffen werde ich keine Defi-
nition geben. Vielleicht lieſſen ſich einige durch Ver-
haͤltniſſe zu andern Begriffen ſo weit beſtimmen oder
kenntlich machen, als man voraus ſetzet, jemand,
dem man ſie auf dieſe Weiſe kenntlich machen will,
habe dieſe Begriffe nicht, er habe aber die Begriffe,
die man zu der Definition gebraucht. Es iſt aber
bey ſolchen Definitionen nichts ſyſtematiſches, und die
logiſchen Cirkel finden ſich unvermeidlich dabey ein,
wenn man ſie fortſetzen ſoll, (§. 27. 7.). So z. E.
kann man etwann ſagen: Das Solide iſt das Dichte
in der Materie, welches den Raum ausfuͤllet, oder
das Reale Etwas ꝛc. damit habe ich aber keinen
klaͤrern Begriff von dieſem Etwas, welches in der
Materie ſolid iſt. So hat man auch die Exiſtenz
durch ein Etwas definiren wollen, welches noch zur
Moͤglichkeit hinzukommen muͤſſe, um wirklich zu
ſeyn, oder durch ein poſitives und abſolutes ſe-
tzen,
welches ſo viel iſt, als exiſtiren machen ꝛc.
Bey allem dieſem iſt Locke gluͤcklicher verfahren. Er
zeiget ſchlechthin nur die Art der Empfindungen an,
wodurch wir zu dieſen Begriffen gelangen. Carte-
ſius
mit ſeinem Cogito, ergo ſum, waͤre auf glei-
chem Wege geweſen, und ſelbſt Wolf, der doch
alles wollte definirt wiſſen, verfiel darauf, da er eine
Erklaͤrung von der Luſt ſuchete. Er konnte nur an-
geben, wie ſie in uns entſteht, oder wodurch ſie
erreget wird. Vielleicht haͤtte er ſie, nach ſeiner Art
durch Verhaͤltniſſe zu definiren, den Trieb zum
Wollen
nennen koͤnnen, und zwar den Subjectiven,

weil
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[44/0080] II. Hauptſt. Einfache Grundbegriffe zu den Grundbegriffen gerechnet werden, ungeachtet er von ganz anderer Art, als die Begriffe der erſten Claſſe iſt. §. 51. Von allen dieſen Begriffen werde ich keine Defi- nition geben. Vielleicht lieſſen ſich einige durch Ver- haͤltniſſe zu andern Begriffen ſo weit beſtimmen oder kenntlich machen, als man voraus ſetzet, jemand, dem man ſie auf dieſe Weiſe kenntlich machen will, habe dieſe Begriffe nicht, er habe aber die Begriffe, die man zu der Definition gebraucht. Es iſt aber bey ſolchen Definitionen nichts ſyſtematiſches, und die logiſchen Cirkel finden ſich unvermeidlich dabey ein, wenn man ſie fortſetzen ſoll, (§. 27. 7.). So z. E. kann man etwann ſagen: Das Solide iſt das Dichte in der Materie, welches den Raum ausfuͤllet, oder das Reale Etwas ꝛc. damit habe ich aber keinen klaͤrern Begriff von dieſem Etwas, welches in der Materie ſolid iſt. So hat man auch die Exiſtenz durch ein Etwas definiren wollen, welches noch zur Moͤglichkeit hinzukommen muͤſſe, um wirklich zu ſeyn, oder durch ein poſitives und abſolutes ſe- tzen, welches ſo viel iſt, als exiſtiren machen ꝛc. Bey allem dieſem iſt Locke gluͤcklicher verfahren. Er zeiget ſchlechthin nur die Art der Empfindungen an, wodurch wir zu dieſen Begriffen gelangen. Carte- ſius mit ſeinem Cogito, ergo ſum, waͤre auf glei- chem Wege geweſen, und ſelbſt Wolf, der doch alles wollte definirt wiſſen, verfiel darauf, da er eine Erklaͤrung von der Luſt ſuchete. Er konnte nur an- geben, wie ſie in uns entſteht, oder wodurch ſie erreget wird. Vielleicht haͤtte er ſie, nach ſeiner Art durch Verhaͤltniſſe zu definiren, den Trieb zum Wollen nennen koͤnnen, und zwar den Subjectiven, weil

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/80>, abgerufen am 27.04.2024.