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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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Die Kraft.
Versuche die Gesetze der Bewegung bey dem Stoße
der Körper heraus gebracht, und aus denselben er-
hellet, besonders für die sogenannten elastischen Kör-
per, daß wenn jede Masse mit dem Quadrate ihrer
Geschwindigkeit multiplicirt wird, die Summe der
Producte vor und nach dem Stoße gleich groß sey.
Bey weichen Körpern hat dieses Gesetz nicht statt,
weil sie ihre Figur ändern, und wir haben bereits
oben (§. 96.) angemerket, daß in Absicht auf die
Grade der Geschwindigkeit jede Körper als weich an-
gesehen werden können, und daß man daher immer
mehr oder minder die Bewegung in den kleinsten
Theilen mit in die Rechnung zu ziehen habe. Wo
aber keine Aenderung der Figur vorgeht, oder wo
sie wieder hergestellet wird, da nimmt man erst an-
geführtes Gesetz an, und setzet, das Quadrat der
Geschwindigkeit mit der Masse multiplicirt, sey das
Maaß der Kraft, oder ihrer Stärke (§. 95.), und
da die Summe für beyde Körper vor und nach dem
Stoße einerley bleibt, so schließt man daraus, daß
immer einerley Quantität der Kräfte in der Welt
sey. Man sehe, was wir bereits oben (§. cit. seqq.)
hierüber angemerket haben.

§. 376.

Hier kömmt aber vornehmlich die Frage vor, was
wir von allem diesem a priori, oder ohne Rücksicht
auf die specialern Erfahrungen wissen können? Diese
Frage löset sich von selbst in verschiedene andere auf.
Einmal fragt es sich, ob der klare und an sich ganz
einfache Begriff der Kraft, den wir durch das Ge-
fühl erlangen, nicht etwann bloß ein sinnliches Bild
von etwas sey, das zwar in der Körperwelt vorkom-
me, aber an sich betrachtet, ganz anders beschaffen

sey,
A 3

Die Kraft.
Verſuche die Geſetze der Bewegung bey dem Stoße
der Koͤrper heraus gebracht, und aus denſelben er-
hellet, beſonders fuͤr die ſogenannten elaſtiſchen Koͤr-
per, daß wenn jede Maſſe mit dem Quadrate ihrer
Geſchwindigkeit multiplicirt wird, die Summe der
Producte vor und nach dem Stoße gleich groß ſey.
Bey weichen Koͤrpern hat dieſes Geſetz nicht ſtatt,
weil ſie ihre Figur aͤndern, und wir haben bereits
oben (§. 96.) angemerket, daß in Abſicht auf die
Grade der Geſchwindigkeit jede Koͤrper als weich an-
geſehen werden koͤnnen, und daß man daher immer
mehr oder minder die Bewegung in den kleinſten
Theilen mit in die Rechnung zu ziehen habe. Wo
aber keine Aenderung der Figur vorgeht, oder wo
ſie wieder hergeſtellet wird, da nimmt man erſt an-
gefuͤhrtes Geſetz an, und ſetzet, das Quadrat der
Geſchwindigkeit mit der Maſſe multiplicirt, ſey das
Maaß der Kraft, oder ihrer Staͤrke (§. 95.), und
da die Summe fuͤr beyde Koͤrper vor und nach dem
Stoße einerley bleibt, ſo ſchließt man daraus, daß
immer einerley Quantitaͤt der Kraͤfte in der Welt
ſey. Man ſehe, was wir bereits oben (§. cit. ſeqq.)
hieruͤber angemerket haben.

§. 376.

Hier koͤmmt aber vornehmlich die Frage vor, was
wir von allem dieſem a priori, oder ohne Ruͤckſicht
auf die ſpecialern Erfahrungen wiſſen koͤnnen? Dieſe
Frage loͤſet ſich von ſelbſt in verſchiedene andere auf.
Einmal fragt es ſich, ob der klare und an ſich ganz
einfache Begriff der Kraft, den wir durch das Ge-
fuͤhl erlangen, nicht etwann bloß ein ſinnliches Bild
von etwas ſey, das zwar in der Koͤrperwelt vorkom-
me, aber an ſich betrachtet, ganz anders beſchaffen

ſey,
A 3
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[5/0013] Die Kraft. Verſuche die Geſetze der Bewegung bey dem Stoße der Koͤrper heraus gebracht, und aus denſelben er- hellet, beſonders fuͤr die ſogenannten elaſtiſchen Koͤr- per, daß wenn jede Maſſe mit dem Quadrate ihrer Geſchwindigkeit multiplicirt wird, die Summe der Producte vor und nach dem Stoße gleich groß ſey. Bey weichen Koͤrpern hat dieſes Geſetz nicht ſtatt, weil ſie ihre Figur aͤndern, und wir haben bereits oben (§. 96.) angemerket, daß in Abſicht auf die Grade der Geſchwindigkeit jede Koͤrper als weich an- geſehen werden koͤnnen, und daß man daher immer mehr oder minder die Bewegung in den kleinſten Theilen mit in die Rechnung zu ziehen habe. Wo aber keine Aenderung der Figur vorgeht, oder wo ſie wieder hergeſtellet wird, da nimmt man erſt an- gefuͤhrtes Geſetz an, und ſetzet, das Quadrat der Geſchwindigkeit mit der Maſſe multiplicirt, ſey das Maaß der Kraft, oder ihrer Staͤrke (§. 95.), und da die Summe fuͤr beyde Koͤrper vor und nach dem Stoße einerley bleibt, ſo ſchließt man daraus, daß immer einerley Quantitaͤt der Kraͤfte in der Welt ſey. Man ſehe, was wir bereits oben (§. cit. ſeqq.) hieruͤber angemerket haben. §. 376. Hier koͤmmt aber vornehmlich die Frage vor, was wir von allem dieſem a priori, oder ohne Ruͤckſicht auf die ſpecialern Erfahrungen wiſſen koͤnnen? Dieſe Frage loͤſet ſich von ſelbſt in verſchiedene andere auf. Einmal fragt es ſich, ob der klare und an ſich ganz einfache Begriff der Kraft, den wir durch das Ge- fuͤhl erlangen, nicht etwann bloß ein ſinnliches Bild von etwas ſey, das zwar in der Koͤrperwelt vorkom- me, aber an ſich betrachtet, ganz anders beſchaffen ſey, A 3

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/13>, abgerufen am 26.04.2024.