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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XVII. Hauptstück.
der Existenz schlechthin einfach, und eben dadurch
sich selbst ihr eigenes und einiges inneres Merkmal
sind, so können wir um diese Begriffe für sich klar
zu erlangen, weiter nichts thun, als daß wir an-
geben, durch welche Empfindungen wir dazu gelan-
gen können, ungefähr, wie wir die Farbe selbst vor-
legen, wenn wir einem andern begreiflich machen
wollen, welche wir eigentlich verstehen oder zu haben
verlangen etc. Jndem man aber die Kraft in dem
zureichenden Grunde bestehen machte, und durch die-
sen dasjenige verstunde, woraus das Warum von
Etwas erkennbar wird, so war es sehr natürlich,
alles aufs Jdeale hinaus zu leiten. Wir haben die
Erzählung der dabey gebrauchten Art zu verfahren,
bereits in dem §. 521. vorgetragen. Die einfachen
Begriffe sind schlechthin ungleichartig, und jeder für
sich gedenkbar. Auf diese Art aber läßt sich das,
was der eine vorstellet, aus dem, was der andere
vorstellet, nicht herleiten. Man versuche es, z. E.
ob sich aus dem Begriffe der Zeit der Begriff des
Raumes herleiten lasse, oder ob aus diesem jener ge-
funden werden könne? Man muß es nämlich auf die
Art versuchen, wie, wenn ein Blinder aus dem Be-
griffe des Schalles den Begriff des Lichtes herleiten
wollte. Die Hauptschwierigkeit hiebey ist, daß man
sich, aus Erfahrungen zu schließen, gleichsam genö-
thiget sieht, den Wirkungskreis einer Kraft auch
außerhalb das Solide, in welchem sie ist, zu erstre-
cken, und dadurch ohne zwischenliegendes Solides,
eine actionem in distans anzunehmen, die schlechthin
durch die Wirkung der Kraft hervor gebracht wird.
Denn mit Solidem kann man die Welt nicht wohl
dichte und bis zur absoluten Continuität ausfüllen,
weil man statt localer Bewegungen nur Erschütte-

rungen

XVII. Hauptſtuͤck.
der Exiſtenz ſchlechthin einfach, und eben dadurch
ſich ſelbſt ihr eigenes und einiges inneres Merkmal
ſind, ſo koͤnnen wir um dieſe Begriffe fuͤr ſich klar
zu erlangen, weiter nichts thun, als daß wir an-
geben, durch welche Empfindungen wir dazu gelan-
gen koͤnnen, ungefaͤhr, wie wir die Farbe ſelbſt vor-
legen, wenn wir einem andern begreiflich machen
wollen, welche wir eigentlich verſtehen oder zu haben
verlangen ꝛc. Jndem man aber die Kraft in dem
zureichenden Grunde beſtehen machte, und durch die-
ſen dasjenige verſtunde, woraus das Warum von
Etwas erkennbar wird, ſo war es ſehr natuͤrlich,
alles aufs Jdeale hinaus zu leiten. Wir haben die
Erzaͤhlung der dabey gebrauchten Art zu verfahren,
bereits in dem §. 521. vorgetragen. Die einfachen
Begriffe ſind ſchlechthin ungleichartig, und jeder fuͤr
ſich gedenkbar. Auf dieſe Art aber laͤßt ſich das,
was der eine vorſtellet, aus dem, was der andere
vorſtellet, nicht herleiten. Man verſuche es, z. E.
ob ſich aus dem Begriffe der Zeit der Begriff des
Raumes herleiten laſſe, oder ob aus dieſem jener ge-
funden werden koͤnne? Man muß es naͤmlich auf die
Art verſuchen, wie, wenn ein Blinder aus dem Be-
griffe des Schalles den Begriff des Lichtes herleiten
wollte. Die Hauptſchwierigkeit hiebey iſt, daß man
ſich, aus Erfahrungen zu ſchließen, gleichſam genoͤ-
thiget ſieht, den Wirkungskreis einer Kraft auch
außerhalb das Solide, in welchem ſie iſt, zu erſtre-
cken, und dadurch ohne zwiſchenliegendes Solides,
eine actionem in diſtans anzunehmen, die ſchlechthin
durch die Wirkung der Kraft hervor gebracht wird.
Denn mit Solidem kann man die Welt nicht wohl
dichte und bis zur abſoluten Continuitaͤt ausfuͤllen,
weil man ſtatt localer Bewegungen nur Erſchuͤtte-

rungen
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[164/0172] XVII. Hauptſtuͤck. der Exiſtenz ſchlechthin einfach, und eben dadurch ſich ſelbſt ihr eigenes und einiges inneres Merkmal ſind, ſo koͤnnen wir um dieſe Begriffe fuͤr ſich klar zu erlangen, weiter nichts thun, als daß wir an- geben, durch welche Empfindungen wir dazu gelan- gen koͤnnen, ungefaͤhr, wie wir die Farbe ſelbſt vor- legen, wenn wir einem andern begreiflich machen wollen, welche wir eigentlich verſtehen oder zu haben verlangen ꝛc. Jndem man aber die Kraft in dem zureichenden Grunde beſtehen machte, und durch die- ſen dasjenige verſtunde, woraus das Warum von Etwas erkennbar wird, ſo war es ſehr natuͤrlich, alles aufs Jdeale hinaus zu leiten. Wir haben die Erzaͤhlung der dabey gebrauchten Art zu verfahren, bereits in dem §. 521. vorgetragen. Die einfachen Begriffe ſind ſchlechthin ungleichartig, und jeder fuͤr ſich gedenkbar. Auf dieſe Art aber laͤßt ſich das, was der eine vorſtellet, aus dem, was der andere vorſtellet, nicht herleiten. Man verſuche es, z. E. ob ſich aus dem Begriffe der Zeit der Begriff des Raumes herleiten laſſe, oder ob aus dieſem jener ge- funden werden koͤnne? Man muß es naͤmlich auf die Art verſuchen, wie, wenn ein Blinder aus dem Be- griffe des Schalles den Begriff des Lichtes herleiten wollte. Die Hauptſchwierigkeit hiebey iſt, daß man ſich, aus Erfahrungen zu ſchließen, gleichſam genoͤ- thiget ſieht, den Wirkungskreis einer Kraft auch außerhalb das Solide, in welchem ſie iſt, zu erſtre- cken, und dadurch ohne zwiſchenliegendes Solides, eine actionem in diſtans anzunehmen, die ſchlechthin durch die Wirkung der Kraft hervor gebracht wird. Denn mit Solidem kann man die Welt nicht wohl dichte und bis zur abſoluten Continuitaͤt ausfuͤllen, weil man ſtatt localer Bewegungen nur Erſchuͤtte- rungen

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/172>, abgerufen am 27.04.2024.