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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XX. Hauptstück.
es aber dabey nicht bewenden, sondern änderte den
Leitfaden, und da die Accidenzen dem Substantialen
anhängen, und als Bestimmungen und Dimensio-
nen in demselben sind (§. 636.), und außer demsel-
ben nirgends vorkommen, so suchte man nunmehr
die Abhänglichkeit auf, und da ein Substantiales
in und außer dem andern seyn kann (§. 623. 621.), so
suchte man, wie fern eines ohne das andere seyn
kann? Diese Frage läßt sich nun allerdings machen,
aber sie geht dem Unterschied zwischen Substanzen
und Accidenzen nichts mehr an, sondern bezieht sich
vielmehr auf den Unterschied, der zwischen den Sub-
stanzen selbst ist. Etwas finden, welches nicht mehr
bloß Eigenschaft ist, sondern Eigenschaften anhängig
hat, und etwas finden, welches von jedem existiren-
den unabhängig existirt, von dem hingegen das übri-
ge existirende abhängt, sind zwo ganz verschiedene
Fragen. Erstere betrifft das Aufsuchen der Sub-
stanzen, letztere aber das Aufsuchen des ersten Princi-
pii existendi,
welches wir oben (§. 470. seqq.) betrach-
tet haben. Auf diese Art kann man nun allerdings sa-
gen, Gott sey die erste Substanz, von welcher jede
übrigen abhängen, ohne welche diese nicht existi-
ren etc. Ferner kann man sagen, daß so fern die
übrigen Substanzen in gemeinsamer Verbindung exi-
stiren, und ein Ganzes ausmachen, sie Modificatio-
nen haben, die von dieser Verbindung herrühren, und
ohne dieselbe nicht oder anders seyn würden etc. End-
lich kann man auch sagen, daß in jeder Substanz das
Substantiale dasjenige sey, ohne welches jede Eigen-
schaften, Modificationen, Bestimmungen etc. die die
Substanz hat, nicht existiren würden, und daß diese
außer derselben nur ideale Abstracta sind, und ohne ihr
Substantiales nirgends vorkommen etc.

§. 643.

XX. Hauptſtuͤck.
es aber dabey nicht bewenden, ſondern aͤnderte den
Leitfaden, und da die Accidenzen dem Subſtantialen
anhaͤngen, und als Beſtimmungen und Dimenſio-
nen in demſelben ſind (§. 636.), und außer demſel-
ben nirgends vorkommen, ſo ſuchte man nunmehr
die Abhaͤnglichkeit auf, und da ein Subſtantiales
in und außer dem andern ſeyn kann (§. 623. 621.), ſo
ſuchte man, wie fern eines ohne das andere ſeyn
kann? Dieſe Frage laͤßt ſich nun allerdings machen,
aber ſie geht dem Unterſchied zwiſchen Subſtanzen
und Accidenzen nichts mehr an, ſondern bezieht ſich
vielmehr auf den Unterſchied, der zwiſchen den Sub-
ſtanzen ſelbſt iſt. Etwas finden, welches nicht mehr
bloß Eigenſchaft iſt, ſondern Eigenſchaften anhaͤngig
hat, und etwas finden, welches von jedem exiſtiren-
den unabhaͤngig exiſtirt, von dem hingegen das uͤbri-
ge exiſtirende abhaͤngt, ſind zwo ganz verſchiedene
Fragen. Erſtere betrifft das Aufſuchen der Sub-
ſtanzen, letztere aber das Aufſuchen des erſten Princi-
pii exiſtendi,
welches wir oben (§. 470. ſeqq.) betrach-
tet haben. Auf dieſe Art kann man nun allerdings ſa-
gen, Gott ſey die erſte Subſtanz, von welcher jede
uͤbrigen abhaͤngen, ohne welche dieſe nicht exiſti-
ren ꝛc. Ferner kann man ſagen, daß ſo fern die
uͤbrigen Subſtanzen in gemeinſamer Verbindung exi-
ſtiren, und ein Ganzes ausmachen, ſie Modificatio-
nen haben, die von dieſer Verbindung herruͤhren, und
ohne dieſelbe nicht oder anders ſeyn wuͤrden ꝛc. End-
lich kann man auch ſagen, daß in jeder Subſtanz das
Subſtantiale dasjenige ſey, ohne welches jede Eigen-
ſchaften, Modificationen, Beſtimmungen ꝛc. die die
Subſtanz hat, nicht exiſtiren wuͤrden, und daß dieſe
außer derſelben nur ideale Abſtracta ſind, und ohne ihr
Subſtantiales nirgends vorkommen ꝛc.

§. 643.
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[272/0280] XX. Hauptſtuͤck. es aber dabey nicht bewenden, ſondern aͤnderte den Leitfaden, und da die Accidenzen dem Subſtantialen anhaͤngen, und als Beſtimmungen und Dimenſio- nen in demſelben ſind (§. 636.), und außer demſel- ben nirgends vorkommen, ſo ſuchte man nunmehr die Abhaͤnglichkeit auf, und da ein Subſtantiales in und außer dem andern ſeyn kann (§. 623. 621.), ſo ſuchte man, wie fern eines ohne das andere ſeyn kann? Dieſe Frage laͤßt ſich nun allerdings machen, aber ſie geht dem Unterſchied zwiſchen Subſtanzen und Accidenzen nichts mehr an, ſondern bezieht ſich vielmehr auf den Unterſchied, der zwiſchen den Sub- ſtanzen ſelbſt iſt. Etwas finden, welches nicht mehr bloß Eigenſchaft iſt, ſondern Eigenſchaften anhaͤngig hat, und etwas finden, welches von jedem exiſtiren- den unabhaͤngig exiſtirt, von dem hingegen das uͤbri- ge exiſtirende abhaͤngt, ſind zwo ganz verſchiedene Fragen. Erſtere betrifft das Aufſuchen der Sub- ſtanzen, letztere aber das Aufſuchen des erſten Princi- pii exiſtendi, welches wir oben (§. 470. ſeqq.) betrach- tet haben. Auf dieſe Art kann man nun allerdings ſa- gen, Gott ſey die erſte Subſtanz, von welcher jede uͤbrigen abhaͤngen, ohne welche dieſe nicht exiſti- ren ꝛc. Ferner kann man ſagen, daß ſo fern die uͤbrigen Subſtanzen in gemeinſamer Verbindung exi- ſtiren, und ein Ganzes ausmachen, ſie Modificatio- nen haben, die von dieſer Verbindung herruͤhren, und ohne dieſelbe nicht oder anders ſeyn wuͤrden ꝛc. End- lich kann man auch ſagen, daß in jeder Subſtanz das Subſtantiale dasjenige ſey, ohne welches jede Eigen- ſchaften, Modificationen, Beſtimmungen ꝛc. die die Subſtanz hat, nicht exiſtiren wuͤrden, und daß dieſe außer derſelben nur ideale Abſtracta ſind, und ohne ihr Subſtantiales nirgends vorkommen ꝛc. §. 643.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/280>, abgerufen am 26.04.2024.