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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XXVII. Hauptstück.
Grad der Erheblichkeit eines jeden Stückes mit-
nimmt, so wird dieser gemeiniglich so genommen,
daß man sieht, ob das Aehnliche oder Verschiedene
darinn bey gewissen vorhabenden Absichten etwas zu
sagen habe, einen stärkern Eindruck mache, etc. Und
nachdem dieses viel oder wenig auf sich hat, läßt
man das Stück, worinn die Aehnlichkeit oder Ver-
schiedenheit vorkömmt, so viel gelten, als einige von
den übrigen zusammen genommen. Setzet man aber,
eine der aufgezeichneten Aehnlichkeiten oder Verschie-
denheiten, sey kleiner, weil sie in einem kleinern Theile
vorkömmt, oder unmerklicher ist, oder dem taufend-
sten Menschen nicht in die Augen fällt, oder nicht in
Sinn kömmt, so sind dieses ebenfalls Gründe, wo-
durch man den Werth oder die intensiue Größe der-
selben herunter setzet, und wenn man eine andere = 1
setzet, diese nur durch einen Bruch ausdrücket. Es
ist für sich klar, daß man bey solchen Schätzungen
die Vergleichung so anstellen müsse, daß man nicht
mit Vorsatz unähnliche Stücke gegen einander halte,
sondern durchaus auf die größte Aehnlichkeit sehe.
Denn so z. E. können zwey ungleichseitige Vierecke
einander gleich und ähnlich seyn, und daher, wenn
man die correspondirenden Seiten und Winkel auf
einander legt, genau zusammen passen, da man statt
dessen lauter Verschiedenheiten finden würde, wenn
man die größere Seite oder Winkel des einen auf die
kleinere des andern legen wollte. Durch unschickliche
Vergleichungen kann man Verschiedenheiten und Un-
gereimtheiten herausbringen, die nicht in der Sache,
sondern in der Vergleichung sind, und auf dessen
Rechnung gesetzet werden, der die unschickliche Ver-
gleichung anstellet. Wir haben in dem §. 353. ange-
merket, daß man in der schicklichsten Verflechtung des

Aehn-

XXVII. Hauptſtuͤck.
Grad der Erheblichkeit eines jeden Stuͤckes mit-
nimmt, ſo wird dieſer gemeiniglich ſo genommen,
daß man ſieht, ob das Aehnliche oder Verſchiedene
darinn bey gewiſſen vorhabenden Abſichten etwas zu
ſagen habe, einen ſtaͤrkern Eindruck mache, ꝛc. Und
nachdem dieſes viel oder wenig auf ſich hat, laͤßt
man das Stuͤck, worinn die Aehnlichkeit oder Ver-
ſchiedenheit vorkoͤmmt, ſo viel gelten, als einige von
den uͤbrigen zuſammen genommen. Setzet man aber,
eine der aufgezeichneten Aehnlichkeiten oder Verſchie-
denheiten, ſey kleiner, weil ſie in einem kleinern Theile
vorkoͤmmt, oder unmerklicher iſt, oder dem taufend-
ſten Menſchen nicht in die Augen faͤllt, oder nicht in
Sinn koͤmmt, ſo ſind dieſes ebenfalls Gruͤnde, wo-
durch man den Werth oder die intenſiue Groͤße der-
ſelben herunter ſetzet, und wenn man eine andere = 1
ſetzet, dieſe nur durch einen Bruch ausdruͤcket. Es
iſt fuͤr ſich klar, daß man bey ſolchen Schaͤtzungen
die Vergleichung ſo anſtellen muͤſſe, daß man nicht
mit Vorſatz unaͤhnliche Stuͤcke gegen einander halte,
ſondern durchaus auf die groͤßte Aehnlichkeit ſehe.
Denn ſo z. E. koͤnnen zwey ungleichſeitige Vierecke
einander gleich und aͤhnlich ſeyn, und daher, wenn
man die correſpondirenden Seiten und Winkel auf
einander legt, genau zuſammen paſſen, da man ſtatt
deſſen lauter Verſchiedenheiten finden wuͤrde, wenn
man die groͤßere Seite oder Winkel des einen auf die
kleinere des andern legen wollte. Durch unſchickliche
Vergleichungen kann man Verſchiedenheiten und Un-
gereimtheiten herausbringen, die nicht in der Sache,
ſondern in der Vergleichung ſind, und auf deſſen
Rechnung geſetzet werden, der die unſchickliche Ver-
gleichung anſtellet. Wir haben in dem §. 353. ange-
merket, daß man in der ſchicklichſten Verflechtung des

Aehn-
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[424/0432] XXVII. Hauptſtuͤck. Grad der Erheblichkeit eines jeden Stuͤckes mit- nimmt, ſo wird dieſer gemeiniglich ſo genommen, daß man ſieht, ob das Aehnliche oder Verſchiedene darinn bey gewiſſen vorhabenden Abſichten etwas zu ſagen habe, einen ſtaͤrkern Eindruck mache, ꝛc. Und nachdem dieſes viel oder wenig auf ſich hat, laͤßt man das Stuͤck, worinn die Aehnlichkeit oder Ver- ſchiedenheit vorkoͤmmt, ſo viel gelten, als einige von den uͤbrigen zuſammen genommen. Setzet man aber, eine der aufgezeichneten Aehnlichkeiten oder Verſchie- denheiten, ſey kleiner, weil ſie in einem kleinern Theile vorkoͤmmt, oder unmerklicher iſt, oder dem taufend- ſten Menſchen nicht in die Augen faͤllt, oder nicht in Sinn koͤmmt, ſo ſind dieſes ebenfalls Gruͤnde, wo- durch man den Werth oder die intenſiue Groͤße der- ſelben herunter ſetzet, und wenn man eine andere = 1 ſetzet, dieſe nur durch einen Bruch ausdruͤcket. Es iſt fuͤr ſich klar, daß man bey ſolchen Schaͤtzungen die Vergleichung ſo anſtellen muͤſſe, daß man nicht mit Vorſatz unaͤhnliche Stuͤcke gegen einander halte, ſondern durchaus auf die groͤßte Aehnlichkeit ſehe. Denn ſo z. E. koͤnnen zwey ungleichſeitige Vierecke einander gleich und aͤhnlich ſeyn, und daher, wenn man die correſpondirenden Seiten und Winkel auf einander legt, genau zuſammen paſſen, da man ſtatt deſſen lauter Verſchiedenheiten finden wuͤrde, wenn man die groͤßere Seite oder Winkel des einen auf die kleinere des andern legen wollte. Durch unſchickliche Vergleichungen kann man Verſchiedenheiten und Un- gereimtheiten herausbringen, die nicht in der Sache, ſondern in der Vergleichung ſind, und auf deſſen Rechnung geſetzet werden, der die unſchickliche Ver- gleichung anſtellet. Wir haben in dem §. 353. ange- merket, daß man in der ſchicklichſten Verflechtung des Aehn-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/432>, abgerufen am 26.04.2024.