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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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Das Einförmige.
Lücken ausfüllen, und zu der Kenntniß der allgemei-
nern und einfachern Gesetze gelangen will, die man
aus den kleinern Anomalien gleichsam heraus ziehen
muß; sondern man fängt gemeiniglich auch die Theo-
rie dabey an, daß man die Fälle vornimmt, wobey
etwas ganz einfaches und einförmiges ist, damit man
sodann daraus andere Fälle zusammen setzen, und
der Abweichungen von dem Einförmigen Rechnung
tragen könne. Hievon geben uns nun alle Theile
der Mathematic Beyspiele. Jn der Rechenkunst
fängt man bey der ganz natürlichen Ordnung der Zah-
len an, ohne sogleich auf die dazwischen fallende Brü-
che zu sehen, und in der gemeinen Geometrie hat
man sich ein Gesetz daraus gemacht, daß man deren
Gebieth nur so weit ausdehnen wolle, als man mit
Lineal und Zirkel reichen kann. Es ist aber sowohl
die Strecke der geraden Linie als die Krümmung des
Circuls das einförmigste, das sich in der Geometrie ge-
denken läßt. Jn der Mechanic macht man ebenfalls
mit der Theorie der geradelinichten und gleichförmigen
Bewegungen den Anfang, um sodann diese bey allen
übrigen zum Grunde zu legen, und von derselben geht
man zu derjenigen fort, wobey die Geschwindigkeit
auf eine einförmige Art zunimmt. Jn der Hydrosta-
tic wird gleichermaßen die Dichtigkeit der Materien
gleichförmig angenommen, und in der Aerometrie
fieng Mariotte ebenfalls mit dem Gesetze an, daß die
Dichtigkeit in einfacher Verhältniß der aufliegenden
Last sey. Es ist auch überhaupt ganz natürlich, bey
solchen einfachen und durchgängigen Gesetzen anzufan-
gen, weil man sodann, nachdem diese in eine Theo-
rie gebracht sind, zu den zusammengesetztern fort-
schreiten kann. Sofern man nun auch solche zusam-
mengesetztere auf eine bloß hypothetische Art vor-

nimmt,

Das Einfoͤrmige.
Luͤcken ausfuͤllen, und zu der Kenntniß der allgemei-
nern und einfachern Geſetze gelangen will, die man
aus den kleinern Anomalien gleichſam heraus ziehen
muß; ſondern man faͤngt gemeiniglich auch die Theo-
rie dabey an, daß man die Faͤlle vornimmt, wobey
etwas ganz einfaches und einfoͤrmiges iſt, damit man
ſodann daraus andere Faͤlle zuſammen ſetzen, und
der Abweichungen von dem Einfoͤrmigen Rechnung
tragen koͤnne. Hievon geben uns nun alle Theile
der Mathematic Beyſpiele. Jn der Rechenkunſt
faͤngt man bey der ganz natuͤrlichen Ordnung der Zah-
len an, ohne ſogleich auf die dazwiſchen fallende Bruͤ-
che zu ſehen, und in der gemeinen Geometrie hat
man ſich ein Geſetz daraus gemacht, daß man deren
Gebieth nur ſo weit ausdehnen wolle, als man mit
Lineal und Zirkel reichen kann. Es iſt aber ſowohl
die Strecke der geraden Linie als die Kruͤmmung des
Circuls das einfoͤrmigſte, das ſich in der Geometrie ge-
denken laͤßt. Jn der Mechanic macht man ebenfalls
mit der Theorie der geradelinichten und gleichfoͤrmigen
Bewegungen den Anfang, um ſodann dieſe bey allen
uͤbrigen zum Grunde zu legen, und von derſelben geht
man zu derjenigen fort, wobey die Geſchwindigkeit
auf eine einfoͤrmige Art zunimmt. Jn der Hydroſta-
tic wird gleichermaßen die Dichtigkeit der Materien
gleichfoͤrmig angenommen, und in der Aerometrie
fieng Mariotte ebenfalls mit dem Geſetze an, daß die
Dichtigkeit in einfacher Verhaͤltniß der aufliegenden
Laſt ſey. Es iſt auch uͤberhaupt ganz natuͤrlich, bey
ſolchen einfachen und durchgaͤngigen Geſetzen anzufan-
gen, weil man ſodann, nachdem dieſe in eine Theo-
rie gebracht ſind, zu den zuſammengeſetztern fort-
ſchreiten kann. Sofern man nun auch ſolche zuſam-
mengeſetztere auf eine bloß hypothetiſche Art vor-

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[475/0483] Das Einfoͤrmige. Luͤcken ausfuͤllen, und zu der Kenntniß der allgemei- nern und einfachern Geſetze gelangen will, die man aus den kleinern Anomalien gleichſam heraus ziehen muß; ſondern man faͤngt gemeiniglich auch die Theo- rie dabey an, daß man die Faͤlle vornimmt, wobey etwas ganz einfaches und einfoͤrmiges iſt, damit man ſodann daraus andere Faͤlle zuſammen ſetzen, und der Abweichungen von dem Einfoͤrmigen Rechnung tragen koͤnne. Hievon geben uns nun alle Theile der Mathematic Beyſpiele. Jn der Rechenkunſt faͤngt man bey der ganz natuͤrlichen Ordnung der Zah- len an, ohne ſogleich auf die dazwiſchen fallende Bruͤ- che zu ſehen, und in der gemeinen Geometrie hat man ſich ein Geſetz daraus gemacht, daß man deren Gebieth nur ſo weit ausdehnen wolle, als man mit Lineal und Zirkel reichen kann. Es iſt aber ſowohl die Strecke der geraden Linie als die Kruͤmmung des Circuls das einfoͤrmigſte, das ſich in der Geometrie ge- denken laͤßt. Jn der Mechanic macht man ebenfalls mit der Theorie der geradelinichten und gleichfoͤrmigen Bewegungen den Anfang, um ſodann dieſe bey allen uͤbrigen zum Grunde zu legen, und von derſelben geht man zu derjenigen fort, wobey die Geſchwindigkeit auf eine einfoͤrmige Art zunimmt. Jn der Hydroſta- tic wird gleichermaßen die Dichtigkeit der Materien gleichfoͤrmig angenommen, und in der Aerometrie fieng Mariotte ebenfalls mit dem Geſetze an, daß die Dichtigkeit in einfacher Verhaͤltniß der aufliegenden Laſt ſey. Es iſt auch uͤberhaupt ganz natuͤrlich, bey ſolchen einfachen und durchgaͤngigen Geſetzen anzufan- gen, weil man ſodann, nachdem dieſe in eine Theo- rie gebracht ſind, zu den zuſammengeſetztern fort- ſchreiten kann. Sofern man nun auch ſolche zuſam- mengeſetztere auf eine bloß hypothetiſche Art vor- nimmt,

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/483>, abgerufen am 26.04.2024.