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Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856.

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Zweiter Theil.
Mathematische Behandlung.

Drittes Kapitel.
Möglichkeit der mathematischen Behandlung.

§. 140. Die durchgehends mathemathische Natur des
Schachspiels lässt schon von vorn herein die Möglichkeit, es
auf mathematischem Wege zu behandeln, vermuthen. Die
eigenthümliche Einrichtung des Brettes giebt zunächst der
Untersuchung eine Grundlage von räumlichen Beziehungen;
die einzelnen Figuren aber lassen sich in abstracto als reine
Träger von Bewegungen auffassen, welche letztere ebenfalls
der mathematischen Forschung unterworfen sind.

§. 141. Grosse Autoritäten der mathematischen Wissen-
schaften haben ausserdem nicht selten jene Möglichkeit ge-
radezu ausgesprochen; wir errinnern hier nur an Leibnitz.
Zwar ist es ein Irrthum, wenn manche Schriftsteller diesem
grossen Gelehrten kühn die Meinung unterlegten, das Schach-
spiel käme dem Range einer Wissenschaft gleich, da er
ausdrücklich bemerkt, dass es der Wissenschaft nur nahe
kommt. *) Leibnitz will durch ernste Behandlung des
Spiels die Denkkraft geübt sehen, indem er die Menschen
nirgends so sinnreich nennt als in den Spielen. **) Aber er

*) Der hierher gehörige Satz ist: Maxime scientiae substant
ludi, qui unice arti eventum nihil casui debent, in quibus haud
dubie eminet ludus scachicus seu regius etc. Im Begriff sub-
stant ist deutlich das unter geordnete Verhältniss der Spiele zu
den Wissenschaften angedeutet.
**) Unter vielen darauf bezüglichen Aussprüchen von Leibnitz
möge nur folgender seine Stelle finden: Les hommes ne
paraissent jamais plus ingenieux, que dans les jeux et les phi-
losophes en doivent profiter pour perfectioner l'art des arts qui
est l'art de penser.
Zweiter Theil.
Mathematische Behandlung.

Drittes Kapitel.
Möglichkeit der mathematischen Behandlung.

§. 140. Die durchgehends mathemathische Natur des
Schachspiels lässt schon von vorn herein die Möglichkeit, es
auf mathematischem Wege zu behandeln, vermuthen. Die
eigenthümliche Einrichtung des Brettes giebt zunächst der
Untersuchung eine Grundlage von räumlichen Beziehungen;
die einzelnen Figuren aber lassen sich in abstracto als reine
Träger von Bewegungen auffassen, welche letztere ebenfalls
der mathematischen Forschung unterworfen sind.

§. 141. Grosse Autoritäten der mathematischen Wissen-
schaften haben ausserdem nicht selten jene Möglichkeit ge-
radezu ausgesprochen; wir errinnern hier nur an Leibnitz.
Zwar ist es ein Irrthum, wenn manche Schriftsteller diesem
grossen Gelehrten kühn die Meinung unterlegten, das Schach-
spiel käme dem Range einer Wissenschaft gleich, da er
ausdrücklich bemerkt, dass es der Wissenschaft nur nahe
kommt. *) Leibnitz will durch ernste Behandlung des
Spiels die Denkkraft geübt sehen, indem er die Menschen
nirgends so sinnreich nennt als in den Spielen. **) Aber er

*) Der hierher gehörige Satz ist: Maxime scientiae substant
ludi, qui unice arti eventum nihil casui debent, in quibus haud
dubie eminet ludus scachicus seu regius etc. Im Begriff sub-
stant ist deutlich das unter geordnete Verhältniss der Spiele zu
den Wissenschaften angedeutet.
**) Unter vielen darauf bezüglichen Aussprüchen von Leibnitz
möge nur folgender seine Stelle finden: Les hommes ne
paraissent jamais plus ingenieux, que dans les jeux et les phi-
losophes en doivent profiter pour perfectioner l’art des arts qui
est l’art de penser.
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[93/0105] Zweiter Theil. Mathematische Behandlung. Drittes Kapitel. Möglichkeit der mathematischen Behandlung. §. 140. Die durchgehends mathemathische Natur des Schachspiels lässt schon von vorn herein die Möglichkeit, es auf mathematischem Wege zu behandeln, vermuthen. Die eigenthümliche Einrichtung des Brettes giebt zunächst der Untersuchung eine Grundlage von räumlichen Beziehungen; die einzelnen Figuren aber lassen sich in abstracto als reine Träger von Bewegungen auffassen, welche letztere ebenfalls der mathematischen Forschung unterworfen sind. §. 141. Grosse Autoritäten der mathematischen Wissen- schaften haben ausserdem nicht selten jene Möglichkeit ge- radezu ausgesprochen; wir errinnern hier nur an Leibnitz. Zwar ist es ein Irrthum, wenn manche Schriftsteller diesem grossen Gelehrten kühn die Meinung unterlegten, das Schach- spiel käme dem Range einer Wissenschaft gleich, da er ausdrücklich bemerkt, dass es der Wissenschaft nur nahe kommt. *) Leibnitz will durch ernste Behandlung des Spiels die Denkkraft geübt sehen, indem er die Menschen nirgends so sinnreich nennt als in den Spielen. **) Aber er *) Der hierher gehörige Satz ist: Maxime scientiae substant ludi, qui unice arti eventum nihil casui debent, in quibus haud dubie eminet ludus scachicus seu regius etc. Im Begriff sub- stant ist deutlich das unter geordnete Verhältniss der Spiele zu den Wissenschaften angedeutet. **) Unter vielen darauf bezüglichen Aussprüchen von Leibnitz möge nur folgender seine Stelle finden: Les hommes ne paraissent jamais plus ingenieux, que dans les jeux et les phi- losophes en doivent profiter pour perfectioner l’art des arts qui est l’art de penser.

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Zitationshilfe: Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856/105>, abgerufen am 26.04.2024.