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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

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Frauenspersonen.
Drittes Fragment.
Ein Mädchen mit beyden Augen.

Laßt uns nun eine Reihe von weiblichen Köpfen vor uns nehmen, und sie mit reinem physiogno-
mischen Sinn, so viel uns deß gegeben ist, betrachten. Wir wollen unten anfangen.

Des III. Ban-
des LXXX.
Tafel. R. H.

Ein sehr gutmüthiges Kind; seine Gutmüthigkeit sitzt besonders im Mund und Kinne.
Man sehe den unten an beynah in Lebensgröße gezeichneten Mund -- der aus der Mit-
tellinie des Mundes in die Unterlippe gleichsam einschneidende Winkel ist reiner Aus-
druck von Bonhomie. Aber der hohen Stirn ungeachtet, der nicht ganz gemein scheinenden Augen
ungeachtet -- ist das Kind von sehr geringer Verstandesfähigkeit. Die Stirne geht theils zu ge-
rade auf, ohne daß der untere Theil des Gesichtes merklich vorsteht; theils ist das Kugelichte der
Stirne, welches durch den Schatten auf der rechten Seite sichtbar wird -- beynah allen meinen
Beobachtungen zufolge, Zeichen der Schwachheit.

Das Gemeine in den Augen ist in dem Profilauge sichtbarer, als im Ganzen. Es ist aber,
etwa die Augenwimper ausgenommen, schwer zu bestimmen, was darinn eigentlich die Schwach-
heit bezeichne.

Nachstehendes Köpfchen ist zwar dem Urbilde nicht ähnlich; hat kein so gemeines Auge,
wie das auf der Tafel -- nicht die hohe Stirne; aber etwas von dem Kugelichten der Stirne, das
selten an ausgezeichneten Verstandesfähigkeiten wahrgenommen wird.

[Abbildung]

Viertes
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Frauensperſonen.
Drittes Fragment.
Ein Maͤdchen mit beyden Augen.

Laßt uns nun eine Reihe von weiblichen Koͤpfen vor uns nehmen, und ſie mit reinem phyſiogno-
miſchen Sinn, ſo viel uns deß gegeben iſt, betrachten. Wir wollen unten anfangen.

Des III. Ban-
des LXXX.
Tafel. R. H.

Ein ſehr gutmuͤthiges Kind; ſeine Gutmuͤthigkeit ſitzt beſonders im Mund und Kinne.
Man ſehe den unten an beynah in Lebensgroͤße gezeichneten Mund — der aus der Mit-
tellinie des Mundes in die Unterlippe gleichſam einſchneidende Winkel iſt reiner Aus-
druck von Bonhomie. Aber der hohen Stirn ungeachtet, der nicht ganz gemein ſcheinenden Augen
ungeachtet — iſt das Kind von ſehr geringer Verſtandesfaͤhigkeit. Die Stirne geht theils zu ge-
rade auf, ohne daß der untere Theil des Geſichtes merklich vorſteht; theils iſt das Kugelichte der
Stirne, welches durch den Schatten auf der rechten Seite ſichtbar wird — beynah allen meinen
Beobachtungen zufolge, Zeichen der Schwachheit.

Das Gemeine in den Augen iſt in dem Profilauge ſichtbarer, als im Ganzen. Es iſt aber,
etwa die Augenwimper ausgenommen, ſchwer zu beſtimmen, was darinn eigentlich die Schwach-
heit bezeichne.

Nachſtehendes Koͤpfchen iſt zwar dem Urbilde nicht aͤhnlich; hat kein ſo gemeines Auge,
wie das auf der Tafel — nicht die hohe Stirne; aber etwas von dem Kugelichten der Stirne, das
ſelten an ausgezeichneten Verſtandesfaͤhigkeiten wahrgenommen wird.

[Abbildung]

Viertes
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[299/0475] Frauensperſonen. Drittes Fragment. Ein Maͤdchen mit beyden Augen. Laßt uns nun eine Reihe von weiblichen Koͤpfen vor uns nehmen, und ſie mit reinem phyſiogno- miſchen Sinn, ſo viel uns deß gegeben iſt, betrachten. Wir wollen unten anfangen. Ein ſehr gutmuͤthiges Kind; ſeine Gutmuͤthigkeit ſitzt beſonders im Mund und Kinne. Man ſehe den unten an beynah in Lebensgroͤße gezeichneten Mund — der aus der Mit- tellinie des Mundes in die Unterlippe gleichſam einſchneidende Winkel iſt reiner Aus- druck von Bonhomie. Aber der hohen Stirn ungeachtet, der nicht ganz gemein ſcheinenden Augen ungeachtet — iſt das Kind von ſehr geringer Verſtandesfaͤhigkeit. Die Stirne geht theils zu ge- rade auf, ohne daß der untere Theil des Geſichtes merklich vorſteht; theils iſt das Kugelichte der Stirne, welches durch den Schatten auf der rechten Seite ſichtbar wird — beynah allen meinen Beobachtungen zufolge, Zeichen der Schwachheit. Das Gemeine in den Augen iſt in dem Profilauge ſichtbarer, als im Ganzen. Es iſt aber, etwa die Augenwimper ausgenommen, ſchwer zu beſtimmen, was darinn eigentlich die Schwach- heit bezeichne. Nachſtehendes Koͤpfchen iſt zwar dem Urbilde nicht aͤhnlich; hat kein ſo gemeines Auge, wie das auf der Tafel — nicht die hohe Stirne; aber etwas von dem Kugelichten der Stirne, das ſelten an ausgezeichneten Verſtandesfaͤhigkeiten wahrgenommen wird. [Abbildung] Viertes P p 2

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/475>, abgerufen am 27.04.2024.