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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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Allerley.
Jn seinen Lippen zittert ein Geist, der dich still um Entbindung, um Freyheit fleht -- Siehe, ihm sind Geist
und Hände gebunden -- Priester und Levit gehen stolz lächelnd vor ihm vorüber -- "O des Narren! des Schwin-
"delgeistes, des Schwärmers!" -- Du nicht also! -- Siehe, was da ist, und was aus dem, was da ist, wer-
den kann! Der Thor und der Bösewicht lauret immer nur auf das, was mangelt. Der Weise und Gute
hat Auge für Weisheit und Güte. Nicht daß er das Mangelnde und Schwache nicht auch sehe. Aber er sieht
noch heller das Licht, welches die Finsterniß, und die Kraft, welche die Schwachheit verschlingt.

8.

Dienet einander ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat! -- Jeder hat Gaben! und für
jede deiner Gaben hat der Vater aller Gaben und aller Geister -- Empfänger und Bedürfer gebildet. Er wird
sie dir senden zur rechten Stunde. -- Du wirst ihn erkennen und seine Sendung von Gott verehren -- du wirst
seinen Mangel durch deinen Ueberfluß erfüllen. Er wird sich selig preisen durchs Empfangen; du dich seliger
durchs Geben. Geben dem, der's bedarf, nach Beruf und Trieb des Herzens -- ohne Empfehlung und Vor-
schriften, geschrieben mit Dinte; sondern um des Gesichtes willen, dessen Züge Buchstabe sind des Geistes,
die jede andere Vorschrift und Empfehlung entbehrlich machen.

9.

Ritter Webb versicherte mir das vorige Jahr, daß er einen Mahler in London kenne, der schon Jahre
lang an einer Theorie der Physiognomik arbeite, und schon eine Menge bestimmbare Chifern und Curven ge-
funden habe, die die unmittelbarsten Charakter von Geistesanlagen und Gemüthseigenschaften darstellen; ja, der
sogar allgemeine Grundsätze, oder vielmehr Grundlinien für alle organische Wesen und ihre Rezeptisität und
Persektibilität ausgefunden haben soll, und alle lebende Wesen -- nicht nach willkührlichen Bestimmungen, son-
dern nach mathematischen Verhältnissen zu klassifiziren gewagt habe. Diese Grundsätze habe er auch auf ein
Christ- und Antichrist-Jdeal angewandt. Er sey aber ein so sonderbarer Mann, daß es sehr schwer sey, mit
ihm einzutreten. Er habe indessen schon viele Bogen überschrieben und überzeichnet, die seine Theorie vom Unter-
gange zu retten versprechen. Das viele und wenige, was mir Herr Webb von diesem Manne und seiner Theorie
sagte, hat mich vollkommen in meinen längst schon geäußerten Gedanken befestigt -- Die Physiognomik wird
gewiß noch eine mathematisch bestimmbare Wissenschaft werden.
-- Und so wenig ich mir Physiogno-
mik, und noch unendlich weniger Mathematik anmaßen darf, so kann ich dennoch itzt schon von keiner mathema-
tisch evidenten Wahrheit gewisser seyn, als davon: -- Es giebt Linien und Umrisse von Schädeln, die im Zustan-
de der Gesundheit -- verständig, oder dumm seyn müssen; denen eine gewisse Art von Erkenntniß eigen
seyn muß. Und wenn mir die Physiognomik wieder zu weiter nichts genützt hätte, als daß ich nun den Kreis
meiner Wirksamkeit durch sie viel genauer kenne, durch sie viel bestimmter weiß, nicht nur was ich nicht kann,
sondern was ich nie können werde, nie können soll, so hätte sie mich genug gelehrt.

10. Der
Phys. Fragm. IV Versuch. P p p

Allerley.
Jn ſeinen Lippen zittert ein Geiſt, der dich ſtill um Entbindung, um Freyheit fleht — Siehe, ihm ſind Geiſt
und Haͤnde gebunden — Prieſter und Levit gehen ſtolz laͤchelnd vor ihm voruͤber — „O des Narren! des Schwin-
„delgeiſtes, des Schwaͤrmers!“ — Du nicht alſo! — Siehe, was da iſt, und was aus dem, was da iſt, wer-
den kann! Der Thor und der Boͤſewicht lauret immer nur auf das, was mangelt. Der Weiſe und Gute
hat Auge fuͤr Weisheit und Guͤte. Nicht daß er das Mangelnde und Schwache nicht auch ſehe. Aber er ſieht
noch heller das Licht, welches die Finſterniß, und die Kraft, welche die Schwachheit verſchlingt.

8.

Dienet einander ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat! — Jeder hat Gaben! und fuͤr
jede deiner Gaben hat der Vater aller Gaben und aller Geiſter — Empfaͤnger und Beduͤrfer gebildet. Er wird
ſie dir ſenden zur rechten Stunde. — Du wirſt ihn erkennen und ſeine Sendung von Gott verehren — du wirſt
ſeinen Mangel durch deinen Ueberfluß erfuͤllen. Er wird ſich ſelig preiſen durchs Empfangen; du dich ſeliger
durchs Geben. Geben dem, der’s bedarf, nach Beruf und Trieb des Herzens — ohne Empfehlung und Vor-
ſchriften, geſchrieben mit Dinte; ſondern um des Geſichtes willen, deſſen Zuͤge Buchſtabe ſind des Geiſtes,
die jede andere Vorſchrift und Empfehlung entbehrlich machen.

9.

Ritter Webb verſicherte mir das vorige Jahr, daß er einen Mahler in London kenne, der ſchon Jahre
lang an einer Theorie der Phyſiognomik arbeite, und ſchon eine Menge beſtimmbare Chifern und Curven ge-
funden habe, die die unmittelbarſten Charakter von Geiſtesanlagen und Gemuͤthseigenſchaften darſtellen; ja, der
ſogar allgemeine Grundſaͤtze, oder vielmehr Grundlinien fuͤr alle organiſche Weſen und ihre Rezeptiſitaͤt und
Perſektibilitaͤt ausgefunden haben ſoll, und alle lebende Weſen — nicht nach willkuͤhrlichen Beſtimmungen, ſon-
dern nach mathematiſchen Verhaͤltniſſen zu klaſſifiziren gewagt habe. Dieſe Grundſaͤtze habe er auch auf ein
Chriſt- und Antichriſt-Jdeal angewandt. Er ſey aber ein ſo ſonderbarer Mann, daß es ſehr ſchwer ſey, mit
ihm einzutreten. Er habe indeſſen ſchon viele Bogen uͤberſchrieben und uͤberzeichnet, die ſeine Theorie vom Unter-
gange zu retten verſprechen. Das viele und wenige, was mir Herr Webb von dieſem Manne und ſeiner Theorie
ſagte, hat mich vollkommen in meinen laͤngſt ſchon geaͤußerten Gedanken befeſtigt — Die Phyſiognomik wird
gewiß noch eine mathematiſch beſtimmbare Wiſſenſchaft werden.
— Und ſo wenig ich mir Phyſiogno-
mik, und noch unendlich weniger Mathematik anmaßen darf, ſo kann ich dennoch itzt ſchon von keiner mathema-
tiſch evidenten Wahrheit gewiſſer ſeyn, als davon: — Es giebt Linien und Umriſſe von Schaͤdeln, die im Zuſtan-
de der Geſundheit — verſtaͤndig, oder dumm ſeyn muͤſſen; denen eine gewiſſe Art von Erkenntniß eigen
ſeyn muß. Und wenn mir die Phyſiognomik wieder zu weiter nichts genuͤtzt haͤtte, als daß ich nun den Kreis
meiner Wirkſamkeit durch ſie viel genauer kenne, durch ſie viel beſtimmter weiß, nicht nur was ich nicht kann,
ſondern was ich nie koͤnnen werde, nie koͤnnen ſoll, ſo haͤtte ſie mich genug gelehrt.

10. Der
Phyſ. Fragm. IV Verſuch. P p p
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[481/0625] Allerley. Jn ſeinen Lippen zittert ein Geiſt, der dich ſtill um Entbindung, um Freyheit fleht — Siehe, ihm ſind Geiſt und Haͤnde gebunden — Prieſter und Levit gehen ſtolz laͤchelnd vor ihm voruͤber — „O des Narren! des Schwin- „delgeiſtes, des Schwaͤrmers!“ — Du nicht alſo! — Siehe, was da iſt, und was aus dem, was da iſt, wer- den kann! Der Thor und der Boͤſewicht lauret immer nur auf das, was mangelt. Der Weiſe und Gute hat Auge fuͤr Weisheit und Guͤte. Nicht daß er das Mangelnde und Schwache nicht auch ſehe. Aber er ſieht noch heller das Licht, welches die Finſterniß, und die Kraft, welche die Schwachheit verſchlingt. 8. Dienet einander ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat! — Jeder hat Gaben! und fuͤr jede deiner Gaben hat der Vater aller Gaben und aller Geiſter — Empfaͤnger und Beduͤrfer gebildet. Er wird ſie dir ſenden zur rechten Stunde. — Du wirſt ihn erkennen und ſeine Sendung von Gott verehren — du wirſt ſeinen Mangel durch deinen Ueberfluß erfuͤllen. Er wird ſich ſelig preiſen durchs Empfangen; du dich ſeliger durchs Geben. Geben dem, der’s bedarf, nach Beruf und Trieb des Herzens — ohne Empfehlung und Vor- ſchriften, geſchrieben mit Dinte; ſondern um des Geſichtes willen, deſſen Zuͤge Buchſtabe ſind des Geiſtes, die jede andere Vorſchrift und Empfehlung entbehrlich machen. 9. Ritter Webb verſicherte mir das vorige Jahr, daß er einen Mahler in London kenne, der ſchon Jahre lang an einer Theorie der Phyſiognomik arbeite, und ſchon eine Menge beſtimmbare Chifern und Curven ge- funden habe, die die unmittelbarſten Charakter von Geiſtesanlagen und Gemuͤthseigenſchaften darſtellen; ja, der ſogar allgemeine Grundſaͤtze, oder vielmehr Grundlinien fuͤr alle organiſche Weſen und ihre Rezeptiſitaͤt und Perſektibilitaͤt ausgefunden haben ſoll, und alle lebende Weſen — nicht nach willkuͤhrlichen Beſtimmungen, ſon- dern nach mathematiſchen Verhaͤltniſſen zu klaſſifiziren gewagt habe. Dieſe Grundſaͤtze habe er auch auf ein Chriſt- und Antichriſt-Jdeal angewandt. Er ſey aber ein ſo ſonderbarer Mann, daß es ſehr ſchwer ſey, mit ihm einzutreten. Er habe indeſſen ſchon viele Bogen uͤberſchrieben und uͤberzeichnet, die ſeine Theorie vom Unter- gange zu retten verſprechen. Das viele und wenige, was mir Herr Webb von dieſem Manne und ſeiner Theorie ſagte, hat mich vollkommen in meinen laͤngſt ſchon geaͤußerten Gedanken befeſtigt — Die Phyſiognomik wird gewiß noch eine mathematiſch beſtimmbare Wiſſenſchaft werden. — Und ſo wenig ich mir Phyſiogno- mik, und noch unendlich weniger Mathematik anmaßen darf, ſo kann ich dennoch itzt ſchon von keiner mathema- tiſch evidenten Wahrheit gewiſſer ſeyn, als davon: — Es giebt Linien und Umriſſe von Schaͤdeln, die im Zuſtan- de der Geſundheit — verſtaͤndig, oder dumm ſeyn muͤſſen; denen eine gewiſſe Art von Erkenntniß eigen ſeyn muß. Und wenn mir die Phyſiognomik wieder zu weiter nichts genuͤtzt haͤtte, als daß ich nun den Kreis meiner Wirkſamkeit durch ſie viel genauer kenne, durch ſie viel beſtimmter weiß, nicht nur was ich nicht kann, ſondern was ich nie koͤnnen werde, nie koͤnnen ſoll, ſo haͤtte ſie mich genug gelehrt. 10. Der Phyſ. Fragm. IV Verſuch. P p p

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/625>, abgerufen am 26.04.2024.