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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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III. Abschnitt. VIII. Fragment.

Und zum Beschlusse die Worte der höchsten Weisheit:

Der den guten Saamen säet, ist der Sohn des Menschen.

Der Acker ist die Welt.

Der gute Saamen sind die Kinder des Reichs.

Das Unkraut sind die Kinder des Bösen.

Der Feind, der es säet, ist der Teufel.

Die Erndte ist das Ende der Welt.

Die Schnitter sind die Engel.

Wie man das Unkraut sammelt und mit Feuer verbrennet, also wird es am
Ende dieser Welt seyn.

Der Sohn des Menschen wird seine Engel aussenden, und sie werden alle Aer-
gernisse aus seinem Reiche sammeln, und die so Ungerechtigkeit thun, und werden sie
in den Feuerofen werfen, wo Heulen und Zähnklappen seyn wird. Alsdann werden die
Gerechten leuchten wie die Sonne im Reich ihres Vaters. Wer Ohren hat zu hören,
der höre. -- Denn ich habe Dinge ausgesprochen, die von der Grundlegung der Welt
verborgen gewesen.
Matth. XIII. 37-43. Siehe da in wenigen Worten die kühnste, göttlichste
Theodizee! das Drama der Menschheit! die höchste Physiognomik! Alles Unkraut wird verbrannt
und aller gute Menschensaame blüht auf zur Sonnenherrlichkeit. Jch thue nichts dazu und nichts
davon -- erstaune nur -- und freue mich, daß keine Censur und keine Kritik diese Stelle aus
dem neuen Testamente verbannen kann.

III. Paulus.
1.

Meine Kindlein, die ich mit Schmerzen gebähre, bis Christus in euch gestaltet
wird.
Gal. IV. 19.

Wie einem Mahler von Gefühl bange ist, bis er sein geistvolles Urbild erreicht hat; wie
er jeden erhabenen Zug mit einer Art von Geburtsschmerzen hinwirft -- so arbeitet ein Apostel,
ein Lehrer, ein Vater in seine Lehrlinge und Kinder hinein -- bis in ihrem Angesicht erscheint die
Tugend und Güte, die Weisheit und der Geist Christi.

2. Gal.
III. Abſchnitt. VIII. Fragment.

Und zum Beſchluſſe die Worte der hoͤchſten Weisheit:

Der den guten Saamen ſaͤet, iſt der Sohn des Menſchen.

Der Acker iſt die Welt.

Der gute Saamen ſind die Kinder des Reichs.

Das Unkraut ſind die Kinder des Boͤſen.

Der Feind, der es ſaͤet, iſt der Teufel.

Die Erndte iſt das Ende der Welt.

Die Schnitter ſind die Engel.

Wie man das Unkraut ſammelt und mit Feuer verbrennet, alſo wird es am
Ende dieſer Welt ſeyn.

Der Sohn des Menſchen wird ſeine Engel ausſenden, und ſie werden alle Aer-
gerniſſe aus ſeinem Reiche ſammeln, und die ſo Ungerechtigkeit thun, und werden ſie
in den Feuerofen werfen, wo Heulen und Zaͤhnklappen ſeyn wird. Alsdann werden die
Gerechten leuchten wie die Sonne im Reich ihres Vaters. Wer Ohren hat zu hoͤren,
der hoͤre. — Denn ich habe Dinge ausgeſprochen, die von der Grundlegung der Welt
verborgen geweſen.
Matth. XIII. 37-43. Siehe da in wenigen Worten die kuͤhnſte, goͤttlichſte
Theodizee! das Drama der Menſchheit! die hoͤchſte Phyſiognomik! Alles Unkraut wird verbrannt
und aller gute Menſchenſaame bluͤht auf zur Sonnenherrlichkeit. Jch thue nichts dazu und nichts
davon — erſtaune nur — und freue mich, daß keine Cenſur und keine Kritik dieſe Stelle aus
dem neuen Teſtamente verbannen kann.

III. Paulus.
1.

Meine Kindlein, die ich mit Schmerzen gebaͤhre, bis Chriſtus in euch geſtaltet
wird.
Gal. IV. 19.

Wie einem Mahler von Gefuͤhl bange iſt, bis er ſein geiſtvolles Urbild erreicht hat; wie
er jeden erhabenen Zug mit einer Art von Geburtsſchmerzen hinwirft — ſo arbeitet ein Apoſtel,
ein Lehrer, ein Vater in ſeine Lehrlinge und Kinder hinein — bis in ihrem Angeſicht erſcheint die
Tugend und Guͤte, die Weisheit und der Geiſt Chriſti.

2. Gal.
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[208/0238] III. Abſchnitt. VIII. Fragment. Und zum Beſchluſſe die Worte der hoͤchſten Weisheit: Der den guten Saamen ſaͤet, iſt der Sohn des Menſchen. Der Acker iſt die Welt. Der gute Saamen ſind die Kinder des Reichs. Das Unkraut ſind die Kinder des Boͤſen. Der Feind, der es ſaͤet, iſt der Teufel. Die Erndte iſt das Ende der Welt. Die Schnitter ſind die Engel. Wie man das Unkraut ſammelt und mit Feuer verbrennet, alſo wird es am Ende dieſer Welt ſeyn. Der Sohn des Menſchen wird ſeine Engel ausſenden, und ſie werden alle Aer- gerniſſe aus ſeinem Reiche ſammeln, und die ſo Ungerechtigkeit thun, und werden ſie in den Feuerofen werfen, wo Heulen und Zaͤhnklappen ſeyn wird. Alsdann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne im Reich ihres Vaters. Wer Ohren hat zu hoͤren, der hoͤre. — Denn ich habe Dinge ausgeſprochen, die von der Grundlegung der Welt verborgen geweſen. Matth. XIII. 37-43. Siehe da in wenigen Worten die kuͤhnſte, goͤttlichſte Theodizee! das Drama der Menſchheit! die hoͤchſte Phyſiognomik! Alles Unkraut wird verbrannt und aller gute Menſchenſaame bluͤht auf zur Sonnenherrlichkeit. Jch thue nichts dazu und nichts davon — erſtaune nur — und freue mich, daß keine Cenſur und keine Kritik dieſe Stelle aus dem neuen Teſtamente verbannen kann. III. Paulus. 1. Meine Kindlein, die ich mit Schmerzen gebaͤhre, bis Chriſtus in euch geſtaltet wird. Gal. IV. 19. Wie einem Mahler von Gefuͤhl bange iſt, bis er ſein geiſtvolles Urbild erreicht hat; wie er jeden erhabenen Zug mit einer Art von Geburtsſchmerzen hinwirft — ſo arbeitet ein Apoſtel, ein Lehrer, ein Vater in ſeine Lehrlinge und Kinder hinein — bis in ihrem Angeſicht erſcheint die Tugend und Guͤte, die Weisheit und der Geiſt Chriſti. 2. Gal.

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/238>, abgerufen am 26.04.2024.