Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
Eisen und Silicium.

Von allen diesen Theorien erfreute sich allein eine von Tunner
aufgestellte einer grösseren Wahrscheinlichkeit. Derselbe nahm an, dass
nur ein einziges Carburet, das sogenannte Viertelcarburet Fe4 C existire,
welches in einer Roheisensorte mit ca. 5 Proc. Kohlenstoff, dem durch
sein eigenthümliches Gefüge gekennzeichneten Spiegeleisen (vgl. II. Ab-
theilung) in ziemlich ausgebildeter Form auftrete, während in kohlen-
stoffärmeren Eisensorten Gemische dieses Viertelcarburets mit freiem
Eisen vorlägen.

Auch die Tunner'sche Theorie ist jedoch vornehmlich durch den
Umstand hinfällig geworden, dass man neuerdings Eisenmanganlegi-
rungen darstellt, deren Kohlenstoffgehalt erheblich über denjenigen des
vermutheten Viertelcarburets hinausgeht (vergl. S. 233).

Man vergass offenbar bei jenem ängstlichen Forschen nach wirk-
lichen chemischen Verbindungen zwischen Eisen und Kohlenstoff, dass,
wie schon auf S. 217 erwähnt wurde, zahlreiche andere Körper sich ganz
ebenso verhalten, d. h. sich in einander lösen und im gelösten Zustande
mit einander erstarren, ohne dass deshalb immer chemische Verbindungen
im engeren Sinne vorhanden zu sein brauchen; ja, dass zahlreiche andere
Metalle ein ganz gleiches Verhalten gegenüber Metallen sowohl als
Metalloiden (Schwefel, Phosphor, Arsen, Antimon u. a.) zeigen, indem
sie mit diesen sich zu "Legirungen" in unbeschränkten Gewichtsver-
hältnissen vereinigen.

Der oben (S. 218) gegebenen Erklärung des Begriffes "Legirung"
gemäss kann man die zwischen Eisen und Kohlenstoff gebildeten Ver-
einigungen, welche den Hauptbestandtheil fast alles Handelseisens aus-
machen, als wirkliche Legirungen beider Körper betrachten, in welchen
möglicherweise wirkliche chemische Verbindungen entstehen und
unter geänderten Verhältnissen wieder zerfallen können, ohne dass aber
ihre Entstehung nothwendig für die Aufnahme des Kohlenstoffs im
Eisen ist.

5. Eisen und Silicium.
Reduction des Siliciums.

Obgleich Kieselerde, wenn sie ohne Weiteres der Einwirkung von
Kohlenstoff ausgesetzt ist, auch in Weissgluth nicht zu Silicium reducirt
wird, so gelingt doch die Reduction leicht, wenn ausser Kohle auch
metallisches Eisen zugegen ist, mit welchem das reducirte Silicium im
Entstehungszustande sich legiren kann. Sogar beim Glühen der drei
Körper ohne Schmelzung wird Silicium vom Eisen aufgenommen.

Schmilzt man kohlenstoffhaltiges Eisen in Gefässen, deren Wände
Kieselsäure enthalten, so wird, wie Troost und Hautefeuille nach-
wiesen, ebenfalls durch einen Theil des Kohlenstoffgehaltes im Eisen
Silicium aus den Wänden reducirt und in das Eisen geführt. 1)

An Stelle der Kohle vermag auch ein Mangangehalt des Eisens
als Reductionsmittel für Kieselsäure zu dienen, wobei Manganoxydul
gebildet und von einem andern Theile der Kieselsäure verschlackt wird:
2 Mn + Si O2 = 2 Mn O + Si. 2)

1) Comptes rendus, tome 76, p. 483.
2) Jahrb. f. d. Berg- und Hüttenwesen im Königr. Sachsen a. d. Jahr 1880, S. 7.
Ledebur, Handbuch. 16
Eisen und Silicium.

Von allen diesen Theorien erfreute sich allein eine von Tunner
aufgestellte einer grösseren Wahrscheinlichkeit. Derselbe nahm an, dass
nur ein einziges Carburet, das sogenannte Viertelcarburet Fe4 C existire,
welches in einer Roheisensorte mit ca. 5 Proc. Kohlenstoff, dem durch
sein eigenthümliches Gefüge gekennzeichneten Spiegeleisen (vgl. II. Ab-
theilung) in ziemlich ausgebildeter Form auftrete, während in kohlen-
stoffärmeren Eisensorten Gemische dieses Viertelcarburets mit freiem
Eisen vorlägen.

Auch die Tunner’sche Theorie ist jedoch vornehmlich durch den
Umstand hinfällig geworden, dass man neuerdings Eisenmanganlegi-
rungen darstellt, deren Kohlenstoffgehalt erheblich über denjenigen des
vermutheten Viertelcarburets hinausgeht (vergl. S. 233).

Man vergass offenbar bei jenem ängstlichen Forschen nach wirk-
lichen chemischen Verbindungen zwischen Eisen und Kohlenstoff, dass,
wie schon auf S. 217 erwähnt wurde, zahlreiche andere Körper sich ganz
ebenso verhalten, d. h. sich in einander lösen und im gelösten Zustande
mit einander erstarren, ohne dass deshalb immer chemische Verbindungen
im engeren Sinne vorhanden zu sein brauchen; ja, dass zahlreiche andere
Metalle ein ganz gleiches Verhalten gegenüber Metallen sowohl als
Metalloiden (Schwefel, Phosphor, Arsen, Antimon u. a.) zeigen, indem
sie mit diesen sich zu „Legirungen“ in unbeschränkten Gewichtsver-
hältnissen vereinigen.

Der oben (S. 218) gegebenen Erklärung des Begriffes „Legirung“
gemäss kann man die zwischen Eisen und Kohlenstoff gebildeten Ver-
einigungen, welche den Hauptbestandtheil fast alles Handelseisens aus-
machen, als wirkliche Legirungen beider Körper betrachten, in welchen
möglicherweise wirkliche chemische Verbindungen entstehen und
unter geänderten Verhältnissen wieder zerfallen können, ohne dass aber
ihre Entstehung nothwendig für die Aufnahme des Kohlenstoffs im
Eisen ist.

5. Eisen und Silicium.
Reduction des Siliciums.

Obgleich Kieselerde, wenn sie ohne Weiteres der Einwirkung von
Kohlenstoff ausgesetzt ist, auch in Weissgluth nicht zu Silicium reducirt
wird, so gelingt doch die Reduction leicht, wenn ausser Kohle auch
metallisches Eisen zugegen ist, mit welchem das reducirte Silicium im
Entstehungszustande sich legiren kann. Sogar beim Glühen der drei
Körper ohne Schmelzung wird Silicium vom Eisen aufgenommen.

Schmilzt man kohlenstoffhaltiges Eisen in Gefässen, deren Wände
Kieselsäure enthalten, so wird, wie Troost und Hautefeuille nach-
wiesen, ebenfalls durch einen Theil des Kohlenstoffgehaltes im Eisen
Silicium aus den Wänden reducirt und in das Eisen geführt. 1)

An Stelle der Kohle vermag auch ein Mangangehalt des Eisens
als Reductionsmittel für Kieselsäure zu dienen, wobei Manganoxydul
gebildet und von einem andern Theile der Kieselsäure verschlackt wird:
2 Mn + Si O2 = 2 Mn O + Si. 2)

1) Comptes rendus, tome 76, p. 483.
2) Jahrb. f. d. Berg- und Hüttenwesen im Königr. Sachsen a. d. Jahr 1880, S. 7.
Ledebur, Handbuch. 16
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0287" n="241"/>
              <fw place="top" type="header">Eisen und Silicium.</fw><lb/>
              <p>Von allen diesen Theorien erfreute sich allein eine von <hi rendition="#g">Tunner</hi><lb/>
aufgestellte einer grösseren Wahrscheinlichkeit. Derselbe nahm an, dass<lb/>
nur ein einziges Carburet, das sogenannte Viertelcarburet Fe<hi rendition="#sub">4</hi> C existire,<lb/>
welches in einer Roheisensorte mit ca. 5 Proc. Kohlenstoff, dem durch<lb/>
sein eigenthümliches Gefüge gekennzeichneten Spiegeleisen (vgl. II. Ab-<lb/>
theilung) in ziemlich ausgebildeter Form auftrete, während in kohlen-<lb/>
stoffärmeren Eisensorten Gemische dieses Viertelcarburets mit freiem<lb/>
Eisen vorlägen.</p><lb/>
              <p>Auch die <hi rendition="#g">Tunner&#x2019;s</hi>che Theorie ist jedoch vornehmlich durch den<lb/>
Umstand hinfällig geworden, dass man neuerdings Eisenmanganlegi-<lb/>
rungen darstellt, deren Kohlenstoffgehalt erheblich über denjenigen des<lb/>
vermutheten Viertelcarburets hinausgeht (vergl. S. 233).</p><lb/>
              <p>Man vergass offenbar bei jenem ängstlichen Forschen nach wirk-<lb/>
lichen chemischen Verbindungen zwischen Eisen und Kohlenstoff, dass,<lb/>
wie schon auf S. 217 erwähnt wurde, zahlreiche andere Körper sich ganz<lb/>
ebenso verhalten, d. h. sich in einander lösen und im gelösten Zustande<lb/>
mit einander erstarren, ohne dass deshalb immer chemische Verbindungen<lb/>
im engeren Sinne vorhanden zu sein brauchen; ja, dass zahlreiche andere<lb/>
Metalle ein ganz gleiches Verhalten gegenüber Metallen sowohl als<lb/>
Metalloiden (Schwefel, Phosphor, Arsen, Antimon u. a.) zeigen, indem<lb/>
sie mit diesen sich zu &#x201E;Legirungen&#x201C; in unbeschränkten Gewichtsver-<lb/>
hältnissen vereinigen.</p><lb/>
              <p>Der oben (S. 218) gegebenen Erklärung des Begriffes &#x201E;Legirung&#x201C;<lb/>
gemäss kann man die zwischen Eisen und Kohlenstoff gebildeten Ver-<lb/>
einigungen, welche den Hauptbestandtheil fast alles Handelseisens aus-<lb/>
machen, als wirkliche Legirungen beider Körper betrachten, in welchen<lb/><hi rendition="#g">möglicherweise</hi> wirkliche chemische Verbindungen entstehen und<lb/>
unter geänderten Verhältnissen wieder zerfallen können, ohne dass aber<lb/>
ihre Entstehung nothwendig für die Aufnahme des Kohlenstoffs im<lb/>
Eisen ist.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">5. Eisen und Silicium.</hi> </head><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Reduction des Siliciums.</hi> </head><lb/>
              <p>Obgleich Kieselerde, wenn sie ohne Weiteres der Einwirkung von<lb/>
Kohlenstoff ausgesetzt ist, auch in Weissgluth nicht zu Silicium reducirt<lb/>
wird, so gelingt doch die Reduction leicht, wenn ausser Kohle auch<lb/>
metallisches Eisen zugegen ist, mit welchem das reducirte Silicium im<lb/>
Entstehungszustande sich legiren kann. Sogar beim Glühen der drei<lb/>
Körper ohne Schmelzung wird Silicium vom Eisen aufgenommen.</p><lb/>
              <p>Schmilzt man kohlenstoffhaltiges Eisen in Gefässen, deren Wände<lb/>
Kieselsäure enthalten, so wird, wie <hi rendition="#g">Troost</hi> und <hi rendition="#g">Hautefeuille</hi> nach-<lb/>
wiesen, ebenfalls durch einen Theil des Kohlenstoffgehaltes im Eisen<lb/>
Silicium aus den Wänden reducirt und in das Eisen geführt. <note place="foot" n="1)">Comptes rendus, tome 76, p. 483.</note></p><lb/>
              <p>An Stelle der Kohle vermag auch ein Mangangehalt des Eisens<lb/>
als Reductionsmittel für Kieselsäure zu dienen, wobei Manganoxydul<lb/>
gebildet und von einem andern Theile der Kieselsäure verschlackt wird:<lb/><hi rendition="#c">2 Mn + Si O<hi rendition="#sub">2</hi> = 2 Mn O + Si. <note place="foot" n="2)">Jahrb. f. d. Berg- und Hüttenwesen im Königr. Sachsen a. d. Jahr 1880, S. 7.</note></hi></p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Ledebur</hi>, Handbuch. 16</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0287] Eisen und Silicium. Von allen diesen Theorien erfreute sich allein eine von Tunner aufgestellte einer grösseren Wahrscheinlichkeit. Derselbe nahm an, dass nur ein einziges Carburet, das sogenannte Viertelcarburet Fe4 C existire, welches in einer Roheisensorte mit ca. 5 Proc. Kohlenstoff, dem durch sein eigenthümliches Gefüge gekennzeichneten Spiegeleisen (vgl. II. Ab- theilung) in ziemlich ausgebildeter Form auftrete, während in kohlen- stoffärmeren Eisensorten Gemische dieses Viertelcarburets mit freiem Eisen vorlägen. Auch die Tunner’sche Theorie ist jedoch vornehmlich durch den Umstand hinfällig geworden, dass man neuerdings Eisenmanganlegi- rungen darstellt, deren Kohlenstoffgehalt erheblich über denjenigen des vermutheten Viertelcarburets hinausgeht (vergl. S. 233). Man vergass offenbar bei jenem ängstlichen Forschen nach wirk- lichen chemischen Verbindungen zwischen Eisen und Kohlenstoff, dass, wie schon auf S. 217 erwähnt wurde, zahlreiche andere Körper sich ganz ebenso verhalten, d. h. sich in einander lösen und im gelösten Zustande mit einander erstarren, ohne dass deshalb immer chemische Verbindungen im engeren Sinne vorhanden zu sein brauchen; ja, dass zahlreiche andere Metalle ein ganz gleiches Verhalten gegenüber Metallen sowohl als Metalloiden (Schwefel, Phosphor, Arsen, Antimon u. a.) zeigen, indem sie mit diesen sich zu „Legirungen“ in unbeschränkten Gewichtsver- hältnissen vereinigen. Der oben (S. 218) gegebenen Erklärung des Begriffes „Legirung“ gemäss kann man die zwischen Eisen und Kohlenstoff gebildeten Ver- einigungen, welche den Hauptbestandtheil fast alles Handelseisens aus- machen, als wirkliche Legirungen beider Körper betrachten, in welchen möglicherweise wirkliche chemische Verbindungen entstehen und unter geänderten Verhältnissen wieder zerfallen können, ohne dass aber ihre Entstehung nothwendig für die Aufnahme des Kohlenstoffs im Eisen ist. 5. Eisen und Silicium. Reduction des Siliciums. Obgleich Kieselerde, wenn sie ohne Weiteres der Einwirkung von Kohlenstoff ausgesetzt ist, auch in Weissgluth nicht zu Silicium reducirt wird, so gelingt doch die Reduction leicht, wenn ausser Kohle auch metallisches Eisen zugegen ist, mit welchem das reducirte Silicium im Entstehungszustande sich legiren kann. Sogar beim Glühen der drei Körper ohne Schmelzung wird Silicium vom Eisen aufgenommen. Schmilzt man kohlenstoffhaltiges Eisen in Gefässen, deren Wände Kieselsäure enthalten, so wird, wie Troost und Hautefeuille nach- wiesen, ebenfalls durch einen Theil des Kohlenstoffgehaltes im Eisen Silicium aus den Wänden reducirt und in das Eisen geführt. 1) An Stelle der Kohle vermag auch ein Mangangehalt des Eisens als Reductionsmittel für Kieselsäure zu dienen, wobei Manganoxydul gebildet und von einem andern Theile der Kieselsäure verschlackt wird: 2 Mn + Si O2 = 2 Mn O + Si. 2) 1) Comptes rendus, tome 76, p. 483. 2) Jahrb. f. d. Berg- und Hüttenwesen im Königr. Sachsen a. d. Jahr 1880, S. 7. Ledebur, Handbuch. 16

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/287
Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/287>, abgerufen am 26.04.2024.