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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Martinprocess.
260 kg zum Vorwärmen der Einsätze) gebraucht, was einem Stein-
kohlenverbrauche von kaum 400 kg entsprechen dürfte. In kleineren
Oefen desselben Werkes (für 5.5 t Einsatz) betrug dagegen der Braun-
kohlenverbrauch 880 kg, wovon 200 kg zum Wärmen benutzt wurden.

Weniger günstig stellen sich die Betriebsergebnisse bei dem so-
genannten basischen Verfahren mit Anwendung phosphorhaltigen Roh-
eisens. Zur Bildung einer basischen Schlacke müssen Zuschläge von
Kalk gegeben werden, welche zu ihrer Schmelzung Wärme bedürfen;
die reichliche Schlackenmenge, welche das Metall bedeckt hält, erschwert
die Erhitzung desselben und giebt zu einer Verzögerung des Processes
wie zu erhöhtem Brennstoffaufwande Veranlassung. 1) Die stark basi-
sche Schlacke aber greift da, wo sie zufällig (durch Umherspritzen)
mit dem Ofengemäuer in Berührung kommt, dieses stark an, und
häufiger als beim gewöhnlichen Verfahren sind Ergänzungen desselben
nothwendig. Nun wird offenbar das schmiedbare Eisen, welches zur
Verarbeitung im Martinofen gelangt, allein kaum so viel Phosphor ent-
halten, dass deshalb eine besondere Entphosphorung nothwendig sein
könnte; für Verarbeitung phosphorhaltigen Roheisens auf phosphor-
armes Flusseisen aber giebt der unten besprochene Thomasprocess eine
weit ausgiebigere Gelegenheit.

Nur sehr vereinzelt hat deshalb dieses, überhaupt noch neue, Ver-
fahren bis jetzt Anwendung gefunden (Alexandrowsky in Russland,
Creusot in Frankreich).

Zur Bedienung der Martinöfen sind ausser einem Schmelzer an
jedem Ofen, welcher die Hauptarbeiten auszuführen hat, mehrere Hilfs-
arbeiter erforderlich, welche beim Einsetzen und Abstechen helfen, die
Gussformen aufstellen und wieder entfernen u. s. f., bei grösserem Be-
triebe aber für mehrere Oefen gemeinschaftlich thätig sein können. Der
Betrag der Löhne per 1000 kg fertiger Blöcke dürfte sich bei grösserem
Betriebe auf etwa 5 M, bei kleinerem Betriebe auf 7--8 M beziffern.

Ungefähr denselben Betrag wie die Löhne werden in den meisten
Fällen die Kosten für Reparaturen der Oefen, Gussformen u. s. w., kurz
alle jene Kosten, die man als Insgemeinkosten zu bezeichnen pflegt
(S. 561), erreichen.

Chemische Untersuchungen.

Gewöhnlich beschränkt man sich bei den chemischen Unter-
suchungen des Martinprocesses auf die Analyse des Einsatzes und
des fertigen Eisens. Der Unterschied in der Zusammensetzung ergiebt
die Menge der durch Oxydation ausgetretenen Körper.

In dieser Beziehung werden sich jedoch Abweichungen zeigen
können, nicht allein bedingt durch die Verschiedenheit der ursprüng-
lichen chemischen Zusammensetzung, sondern auch durch die ver-

1) Auf dem Eisenwerke Alexandrowsky bei St. Petersburg gab man im Jahre
1882 beim Einsetzen des Roheisens einen Zuschlag von 6 Proc. Kalk, später noch
gepresste Ziegeln aus gelöschtem Kalk und Walzsinter. Durchschnittlich wurden
täglich zwei Einsätze von etwa 9 t Gewicht verarbeitet, wobei sich ein Abgang von
11 Proc. und ein Steinkohlenverbrauch von 905 kg per t Eisen ergab.
Ledebur, Handbuch. 56

Der Martinprocess.
260 kg zum Vorwärmen der Einsätze) gebraucht, was einem Stein-
kohlenverbrauche von kaum 400 kg entsprechen dürfte. In kleineren
Oefen desselben Werkes (für 5.5 t Einsatz) betrug dagegen der Braun-
kohlenverbrauch 880 kg, wovon 200 kg zum Wärmen benutzt wurden.

Weniger günstig stellen sich die Betriebsergebnisse bei dem so-
genannten basischen Verfahren mit Anwendung phosphorhaltigen Roh-
eisens. Zur Bildung einer basischen Schlacke müssen Zuschläge von
Kalk gegeben werden, welche zu ihrer Schmelzung Wärme bedürfen;
die reichliche Schlackenmenge, welche das Metall bedeckt hält, erschwert
die Erhitzung desselben und giebt zu einer Verzögerung des Processes
wie zu erhöhtem Brennstoffaufwande Veranlassung. 1) Die stark basi-
sche Schlacke aber greift da, wo sie zufällig (durch Umherspritzen)
mit dem Ofengemäuer in Berührung kommt, dieses stark an, und
häufiger als beim gewöhnlichen Verfahren sind Ergänzungen desselben
nothwendig. Nun wird offenbar das schmiedbare Eisen, welches zur
Verarbeitung im Martinofen gelangt, allein kaum so viel Phosphor ent-
halten, dass deshalb eine besondere Entphosphorung nothwendig sein
könnte; für Verarbeitung phosphorhaltigen Roheisens auf phosphor-
armes Flusseisen aber giebt der unten besprochene Thomasprocess eine
weit ausgiebigere Gelegenheit.

Nur sehr vereinzelt hat deshalb dieses, überhaupt noch neue, Ver-
fahren bis jetzt Anwendung gefunden (Alexandrowsky in Russland,
Creusot in Frankreich).

Zur Bedienung der Martinöfen sind ausser einem Schmelzer an
jedem Ofen, welcher die Hauptarbeiten auszuführen hat, mehrere Hilfs-
arbeiter erforderlich, welche beim Einsetzen und Abstechen helfen, die
Gussformen aufstellen und wieder entfernen u. s. f., bei grösserem Be-
triebe aber für mehrere Oefen gemeinschaftlich thätig sein können. Der
Betrag der Löhne per 1000 kg fertiger Blöcke dürfte sich bei grösserem
Betriebe auf etwa 5 ℳ, bei kleinerem Betriebe auf 7—8 ℳ beziffern.

Ungefähr denselben Betrag wie die Löhne werden in den meisten
Fällen die Kosten für Reparaturen der Oefen, Gussformen u. s. w., kurz
alle jene Kosten, die man als Insgemeinkosten zu bezeichnen pflegt
(S. 561), erreichen.

Chemische Untersuchungen.

Gewöhnlich beschränkt man sich bei den chemischen Unter-
suchungen des Martinprocesses auf die Analyse des Einsatzes und
des fertigen Eisens. Der Unterschied in der Zusammensetzung ergiebt
die Menge der durch Oxydation ausgetretenen Körper.

In dieser Beziehung werden sich jedoch Abweichungen zeigen
können, nicht allein bedingt durch die Verschiedenheit der ursprüng-
lichen chemischen Zusammensetzung, sondern auch durch die ver-

1) Auf dem Eisenwerke Alexandrowsky bei St. Petersburg gab man im Jahre
1882 beim Einsetzen des Roheisens einen Zuschlag von 6 Proc. Kalk, später noch
gepresste Ziegeln aus gelöschtem Kalk und Walzsinter. Durchschnittlich wurden
täglich zwei Einsätze von etwa 9 t Gewicht verarbeitet, wobei sich ein Abgang von
11 Proc. und ein Steinkohlenverbrauch von 905 kg per t Eisen ergab.
Ledebur, Handbuch. 56
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[873/0957] Der Martinprocess. 260 kg zum Vorwärmen der Einsätze) gebraucht, was einem Stein- kohlenverbrauche von kaum 400 kg entsprechen dürfte. In kleineren Oefen desselben Werkes (für 5.5 t Einsatz) betrug dagegen der Braun- kohlenverbrauch 880 kg, wovon 200 kg zum Wärmen benutzt wurden. Weniger günstig stellen sich die Betriebsergebnisse bei dem so- genannten basischen Verfahren mit Anwendung phosphorhaltigen Roh- eisens. Zur Bildung einer basischen Schlacke müssen Zuschläge von Kalk gegeben werden, welche zu ihrer Schmelzung Wärme bedürfen; die reichliche Schlackenmenge, welche das Metall bedeckt hält, erschwert die Erhitzung desselben und giebt zu einer Verzögerung des Processes wie zu erhöhtem Brennstoffaufwande Veranlassung. 1) Die stark basi- sche Schlacke aber greift da, wo sie zufällig (durch Umherspritzen) mit dem Ofengemäuer in Berührung kommt, dieses stark an, und häufiger als beim gewöhnlichen Verfahren sind Ergänzungen desselben nothwendig. Nun wird offenbar das schmiedbare Eisen, welches zur Verarbeitung im Martinofen gelangt, allein kaum so viel Phosphor ent- halten, dass deshalb eine besondere Entphosphorung nothwendig sein könnte; für Verarbeitung phosphorhaltigen Roheisens auf phosphor- armes Flusseisen aber giebt der unten besprochene Thomasprocess eine weit ausgiebigere Gelegenheit. Nur sehr vereinzelt hat deshalb dieses, überhaupt noch neue, Ver- fahren bis jetzt Anwendung gefunden (Alexandrowsky in Russland, Creusot in Frankreich). Zur Bedienung der Martinöfen sind ausser einem Schmelzer an jedem Ofen, welcher die Hauptarbeiten auszuführen hat, mehrere Hilfs- arbeiter erforderlich, welche beim Einsetzen und Abstechen helfen, die Gussformen aufstellen und wieder entfernen u. s. f., bei grösserem Be- triebe aber für mehrere Oefen gemeinschaftlich thätig sein können. Der Betrag der Löhne per 1000 kg fertiger Blöcke dürfte sich bei grösserem Betriebe auf etwa 5 ℳ, bei kleinerem Betriebe auf 7—8 ℳ beziffern. Ungefähr denselben Betrag wie die Löhne werden in den meisten Fällen die Kosten für Reparaturen der Oefen, Gussformen u. s. w., kurz alle jene Kosten, die man als Insgemeinkosten zu bezeichnen pflegt (S. 561), erreichen. Chemische Untersuchungen. Gewöhnlich beschränkt man sich bei den chemischen Unter- suchungen des Martinprocesses auf die Analyse des Einsatzes und des fertigen Eisens. Der Unterschied in der Zusammensetzung ergiebt die Menge der durch Oxydation ausgetretenen Körper. In dieser Beziehung werden sich jedoch Abweichungen zeigen können, nicht allein bedingt durch die Verschiedenheit der ursprüng- lichen chemischen Zusammensetzung, sondern auch durch die ver- 1) Auf dem Eisenwerke Alexandrowsky bei St. Petersburg gab man im Jahre 1882 beim Einsetzen des Roheisens einen Zuschlag von 6 Proc. Kalk, später noch gepresste Ziegeln aus gelöschtem Kalk und Walzsinter. Durchschnittlich wurden täglich zwei Einsätze von etwa 9 t Gewicht verarbeitet, wobei sich ein Abgang von 11 Proc. und ein Steinkohlenverbrauch von 905 kg per t Eisen ergab. Ledebur, Handbuch. 56

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 873. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/957>, abgerufen am 26.04.2024.