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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Gibraltar.

Vor kaum zwei Jahrzehnten war die Wasserstrasse, die sich
zwischen den Säulen des Hercules dahinzieht, die einzige Passage,
welche das hochwichtige Becken des Mittelmeeres mit dem Ocean
verband. Erst mit der Verwirklichung des grossartigen Gedankens,
in seinem äussersten Osten ein künstliches Thor zu erschliessen,
wurde das Mittelmeer zum Bindegliede der Oceane und zu einer
Durchzugsstrasse für den Weltverkehr. Tausende von Meilen See-
weges werden dem Zuge der Schiffahrt nach dem fernen Osten und
Westen erspart, und nicht nur das Mittelmeer selbst, sondern auch
dessen erste und einzige natürliche Zufahrt hat seither riesig an Be-
deutung zugenommen.

Gibraltars isolirte Lage liess den Platz zwar nicht zu einem
grossen Hadelscentrum anwachsen, aber durch den Umstand, dass ein
grosser Theil der die Enge passirenden Schiffe den Hafen als erste
oder letzte europäische Etape zur Approvisionirung anlaufen muss,
geniesst Gibraltar eine nicht zu unterschätzende mercantile Bedeutung.

Wer immer die verhältnissmässig schmale Verkehrsstrasse,
welche hier Europa vom dunklen Erdtheile trennt, befuhr und in der
Betrachtung der sich auf 13 km nahe rückenden Küsten die wunder-
same Form des Felsens von Gibraltar erblickt hat, dem dürfte kaum
ein seltsameres Bild die Erinnerung daran verdunkeln.

Abgerissen vom spanischen Festlande, gänzlich isolirt und nur
mittelst eines schmalen Landstreifens seine topographische Zusammen-
gehörigkeit mit dem schönen Andalusien herstellend, scheint es, als
ob der Berg einst nach der Länge seines Kammes gespalten und die
eine Hälfte in die Tiefen des Meeres versenkt worden wäre.

Am imposantesten repräsentirt sich daher der Berg, dessen
Kammlinie Nord-Süd läuft, gegen Osten, gegen das Mittelmeer zu.

Auf dieser Seite erheben sich die dunklen Wände fast senk-
recht bis zu 425 m Höhe über das Niveau des Meeres, welches mit

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Gibraltar.

Vor kaum zwei Jahrzehnten war die Wasserstrasse, die sich
zwischen den Säulen des Hercules dahinzieht, die einzige Passage,
welche das hochwichtige Becken des Mittelmeeres mit dem Ocean
verband. Erst mit der Verwirklichung des grossartigen Gedankens,
in seinem äussersten Osten ein künstliches Thor zu erschliessen,
wurde das Mittelmeer zum Bindegliede der Oceane und zu einer
Durchzugsstrasse für den Weltverkehr. Tausende von Meilen See-
weges werden dem Zuge der Schiffahrt nach dem fernen Osten und
Westen erspart, und nicht nur das Mittelmeer selbst, sondern auch
dessen erste und einzige natürliche Zufahrt hat seither riesig an Be-
deutung zugenommen.

Gibraltars isolirte Lage liess den Platz zwar nicht zu einem
grossen Hadelscentrum anwachsen, aber durch den Umstand, dass ein
grosser Theil der die Enge passirenden Schiffe den Hafen als erste
oder letzte europäische Etape zur Approvisionirung anlaufen muss,
geniesst Gibraltar eine nicht zu unterschätzende mercantile Bedeutung.

Wer immer die verhältnissmässig schmale Verkehrsstrasse,
welche hier Europa vom dunklen Erdtheile trennt, befuhr und in der
Betrachtung der sich auf 13 km nahe rückenden Küsten die wunder-
same Form des Felsens von Gibraltar erblickt hat, dem dürfte kaum
ein seltsameres Bild die Erinnerung daran verdunkeln.

Abgerissen vom spanischen Festlande, gänzlich isolirt und nur
mittelst eines schmalen Landstreifens seine topographische Zusammen-
gehörigkeit mit dem schönen Andalusien herstellend, scheint es, als
ob der Berg einst nach der Länge seines Kammes gespalten und die
eine Hälfte in die Tiefen des Meeres versenkt worden wäre.

Am imposantesten repräsentirt sich daher der Berg, dessen
Kammlinie Nord-Süd läuft, gegen Osten, gegen das Mittelmeer zu.

Auf dieser Seite erheben sich die dunklen Wände fast senk-
recht bis zu 425 m Höhe über das Niveau des Meeres, welches mit

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[[483]/0503] Gibraltar. Vor kaum zwei Jahrzehnten war die Wasserstrasse, die sich zwischen den Säulen des Hercules dahinzieht, die einzige Passage, welche das hochwichtige Becken des Mittelmeeres mit dem Ocean verband. Erst mit der Verwirklichung des grossartigen Gedankens, in seinem äussersten Osten ein künstliches Thor zu erschliessen, wurde das Mittelmeer zum Bindegliede der Oceane und zu einer Durchzugsstrasse für den Weltverkehr. Tausende von Meilen See- weges werden dem Zuge der Schiffahrt nach dem fernen Osten und Westen erspart, und nicht nur das Mittelmeer selbst, sondern auch dessen erste und einzige natürliche Zufahrt hat seither riesig an Be- deutung zugenommen. Gibraltars isolirte Lage liess den Platz zwar nicht zu einem grossen Hadelscentrum anwachsen, aber durch den Umstand, dass ein grosser Theil der die Enge passirenden Schiffe den Hafen als erste oder letzte europäische Etape zur Approvisionirung anlaufen muss, geniesst Gibraltar eine nicht zu unterschätzende mercantile Bedeutung. Wer immer die verhältnissmässig schmale Verkehrsstrasse, welche hier Europa vom dunklen Erdtheile trennt, befuhr und in der Betrachtung der sich auf 13 km nahe rückenden Küsten die wunder- same Form des Felsens von Gibraltar erblickt hat, dem dürfte kaum ein seltsameres Bild die Erinnerung daran verdunkeln. Abgerissen vom spanischen Festlande, gänzlich isolirt und nur mittelst eines schmalen Landstreifens seine topographische Zusammen- gehörigkeit mit dem schönen Andalusien herstellend, scheint es, als ob der Berg einst nach der Länge seines Kammes gespalten und die eine Hälfte in die Tiefen des Meeres versenkt worden wäre. Am imposantesten repräsentirt sich daher der Berg, dessen Kammlinie Nord-Süd läuft, gegen Osten, gegen das Mittelmeer zu. Auf dieser Seite erheben sich die dunklen Wände fast senk- recht bis zu 425 m Höhe über das Niveau des Meeres, welches mit 61*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [483]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/503>, abgerufen am 26.04.2024.