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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1225 bis 1226.
zu streiten an. Die Dänen plünderten und sengten in Rotalien, entführten1225
viel Beute, denen aber die Knechte des Meisters nachsetzten, ihrer funfzig nieder-
machten und funfzig von ihnen im Schlosse Majanpata belagerten. Doch
nach drey Tagen jammerte sie derselben, weil sie Christen waren und liessen sie
frey. Der Gesandte schickte auch viel Deutsche nach Wirland diesem Johan-
nes
so wol gegen die Wuth der Dänen, als der Oeseler beyzustehen. Die
Rigischen aber, die von den Oeselschen Feindseligkeiten vernahmen, schickten
Boten und machten mit den Dänen Friede, damit sie die Oeseler desto stärker
überziehen, und den Glauben unter den Heiden ausbreiten möchten.

§. 3.

Wie nun das Fest der Geburt und Erscheinung Christi vorbey war: be-
deckte der Schnee das Land und Eis die See; weil die Fläche der offenbaren See
zufrieret, und die Gewässer in Liefland zu Eis und so hart werden, wie Steine,
und ist der Weg über Wasser besser als zu Lande. So bald nun die See trug,
kündigten die Rigischen gleich den Feldzug an; weil sie mit der Besprengung
ihrer heiligen Taufe die Heiden auf Oesel, so auf einer Jnsel im Meer wohn-
ten, bewässern wolten, bestelten auch alle an den Fluß, so der Mutterbach
genant wird. Nach Fabian Sebastian aber kamen alle Deutsche, Rigische,
Liven, Letten
und Esthen, aus allen ihren Provinzen, und zogen dem Hoch-
würdigen Herrn Bischof von Liefland nach. Bey ihm war der Bischof von
Semgallen und der Meister Volquin mit seinen Brüdern und Pilgern, die
ihre Speise und Rüstung mit sich nahmen. Nachdem sie nun die Messe gehalten,
so wanderten sie auf dem Eise nach Oesel. Denn die Armee war groß und stark,
und bestand bey nahe aus zwanzig tausend Mann. Sie waren alle in besondere
Haufen getheilet, deren jeder mit seiner eignen Fahne anzog. Sie betraten also
mit ihren Pferden und Wagen das Eis des Meers, und machten ein Geprassel
wie ein starker Donner, durch das Anstossen ihrer Waffen, und durch das Ras-
seln und Fahren der Wagen, durch das Getöse von Mann und Pferden, die hier
und da auf dem Eise bald fielen, bald wieder aufstunden; weil das Eis glat war,
wie ein Spiegel, von dem mit Südwinde gefallenen Regenwasser, so damals Auf-
wasser machte, und durch die darauf erfolgte Kälte glateiste. Also zogen sie mit
grosser Bemühung und Arbeit über die See, bis sie mit Freuden an das Ufer von
Oesel anlangten *).

§. 4.

Wie sie nun den neunten Tag das Schloß Mone b) erreichten, nahmen sie
den Vorsatz, nur eine Nacht da auszuruhen, und hatten ein Scharmützel mit de-
nen vom Schlosse. Diese aber furchten sich vor dem nahen Kriege, und den Wurf-

pfeilen
*) Da unser Verfasser den Feldzug nach Oesel übers Eis so pathetisch beschreibet, so ist diese Stelle einer
kleinen Anmerkung werth. Die umständliche Nachricht weisets aus, daß er in Person dabey gewesen,
und ihm, als einem einheimischen Letten, die Lage des Landes nicht unbekant seyn können. Dieser
Zug ging über den grossen Sund, dessen Breite 2 Meilen ist. Gesetzt nun, der Verfasser nehme
hier Oesel im weitläufigen Verstande, und sehe die Jnsel Moon als einen Theil davon an, so komt
doch noch der kleine Sund, von einer halben Meile, auf dem noch Abentheuer gnug haben vorfallen
können; von denen doch der Auctor mit keiner Sylbe gedenkt. Zwar meldet die unten angebrachte
Urkunde, wenn man der zwiefachen Ordnung nachgehen wil, daß zwischen Carmel und Wolde ein
Moon gelegen; dabey aber noch die Frage ist, ob die Erzählung eben nach der Nachbarschaft der Oer-
ter, oder nach der Grösse und Fruchtbarkeit der Felder eingerichtet sey, wie denn das Loos selbst zeiget,
daß es mehr dem Range und der Nothdurft, als dem Glücke nach ausgefallen; da zumal von dem
auf Oesel gelegenen Schloß Mone keine Spur und kein Andenken übrig ist. Man kan sich hier
nicht anders helfen, als entweder einen sichtlichen Zeugen der Unwissenheit beschuldigen, oder aber zu-
geben, daß die Jnsel Moon, deren Meerenge schmal und seichte ist, damals noch mit dem vesten
Lande zusammen gehangen, und erst alsdenn durch diejenige Seeerschütterung abgerissen sey, welche der
berühmten Stadt Wisby ein gutes Theil ihrer Grösse und denen andern Jnseln an der Ostsee
Städte und Felder verschlungen hat; so etwan in der ersten Helfte des 14 Jahrhunderts geschehen
seyn dürfte: indessen ists dieser Muthmassung nicht entgegen, wenn man auch 2 Schlösser gleiches Na-
mens anuimt, davon das eine vorne an Oesel, das andre auf der Mitten der Jnsel gelegen.
G g g 2

von 1225 bis 1226.
zu ſtreiten an. Die Daͤnen pluͤnderten und ſengten in Rotalien, entfuͤhrten1225
viel Beute, denen aber die Knechte des Meiſters nachſetzten, ihrer funfzig nieder-
machten und funfzig von ihnen im Schloſſe Majanpata belagerten. Doch
nach drey Tagen jammerte ſie derſelben, weil ſie Chriſten waren und lieſſen ſie
frey. Der Geſandte ſchickte auch viel Deutſche nach Wirland dieſem Johan-
nes
ſo wol gegen die Wuth der Daͤnen, als der Oeſeler beyzuſtehen. Die
Rigiſchen aber, die von den Oeſelſchen Feindſeligkeiten vernahmen, ſchickten
Boten und machten mit den Daͤnen Friede, damit ſie die Oeſeler deſto ſtaͤrker
uͤberziehen, und den Glauben unter den Heiden ausbreiten moͤchten.

§. 3.

Wie nun das Feſt der Geburt und Erſcheinung Chriſti vorbey war: be-
deckte der Schnee das Land und Eis die See; weil die Flaͤche der offenbaren See
zufrieret, und die Gewaͤſſer in Liefland zu Eis und ſo hart werden, wie Steine,
und iſt der Weg uͤber Waſſer beſſer als zu Lande. So bald nun die See trug,
kuͤndigten die Rigiſchen gleich den Feldzug an; weil ſie mit der Beſprengung
ihrer heiligen Taufe die Heiden auf Oeſel, ſo auf einer Jnſel im Meer wohn-
ten, bewaͤſſern wolten, beſtelten auch alle an den Fluß, ſo der Mutterbach
genant wird. Nach Fabian Sebaſtian aber kamen alle Deutſche, Rigiſche,
Liven, Letten
und Eſthen, aus allen ihren Provinzen, und zogen dem Hoch-
wuͤrdigen Herrn Biſchof von Liefland nach. Bey ihm war der Biſchof von
Semgallen und der Meiſter Volquin mit ſeinen Bruͤdern und Pilgern, die
ihre Speiſe und Ruͤſtung mit ſich nahmen. Nachdem ſie nun die Meſſe gehalten,
ſo wanderten ſie auf dem Eiſe nach Oeſel. Denn die Armee war groß und ſtark,
und beſtand bey nahe aus zwanzig tauſend Mann. Sie waren alle in beſondere
Haufen getheilet, deren jeder mit ſeiner eignen Fahne anzog. Sie betraten alſo
mit ihren Pferden und Wagen das Eis des Meers, und machten ein Gepraſſel
wie ein ſtarker Donner, durch das Anſtoſſen ihrer Waffen, und durch das Raſ-
ſeln und Fahren der Wagen, durch das Getoͤſe von Mann und Pferden, die hier
und da auf dem Eiſe bald fielen, bald wieder aufſtunden; weil das Eis glat war,
wie ein Spiegel, von dem mit Suͤdwinde gefallenen Regenwaſſer, ſo damals Auf-
waſſer machte, und durch die darauf erfolgte Kaͤlte glateiſte. Alſo zogen ſie mit
groſſer Bemuͤhung und Arbeit uͤber die See, bis ſie mit Freuden an das Ufer von
Oeſel anlangten *).

§. 4.

Wie ſie nun den neunten Tag das Schloß Mone b) erreichten, nahmen ſie
den Vorſatz, nur eine Nacht da auszuruhen, und hatten ein Scharmuͤtzel mit de-
nen vom Schloſſe. Dieſe aber furchten ſich vor dem nahen Kriege, und den Wurf-

pfeilen
*) Da unſer Verfaſſer den Feldzug nach Oeſel uͤbers Eis ſo pathetiſch beſchreibet, ſo iſt dieſe Stelle einer
kleinen Anmerkung werth. Die umſtaͤndliche Nachricht weiſets aus, daß er in Perſon dabey geweſen,
und ihm, als einem einheimiſchen Letten, die Lage des Landes nicht unbekant ſeyn koͤnnen. Dieſer
Zug ging uͤber den groſſen Sund, deſſen Breite 2 Meilen iſt. Geſetzt nun, der Verfaſſer nehme
hier Oeſel im weitlaͤufigen Verſtande, und ſehe die Jnſel Moon als einen Theil davon an, ſo komt
doch noch der kleine Sund, von einer halben Meile, auf dem noch Abentheuer gnug haben vorfallen
koͤnnen; von denen doch der Auctor mit keiner Sylbe gedenkt. Zwar meldet die unten angebrachte
Urkunde, wenn man der zwiefachen Ordnung nachgehen wil, daß zwiſchen Carmel und Wolde ein
Moon gelegen; dabey aber noch die Frage iſt, ob die Erzaͤhlung eben nach der Nachbarſchaft der Oer-
ter, oder nach der Groͤſſe und Fruchtbarkeit der Felder eingerichtet ſey, wie denn das Loos ſelbſt zeiget,
daß es mehr dem Range und der Nothdurft, als dem Gluͤcke nach ausgefallen; da zumal von dem
auf Oeſel gelegenen Schloß Mone keine Spur und kein Andenken uͤbrig iſt. Man kan ſich hier
nicht anders helfen, als entweder einen ſichtlichen Zeugen der Unwiſſenheit beſchuldigen, oder aber zu-
geben, daß die Jnſel Moon, deren Meerenge ſchmal und ſeichte iſt, damals noch mit dem veſten
Lande zuſammen gehangen, und erſt alsdenn durch diejenige Seeerſchuͤtterung abgeriſſen ſey, welche der
beruͤhmten Stadt Wisby ein gutes Theil ihrer Groͤſſe und denen andern Jnſeln an der Oſtſee
Staͤdte und Felder verſchlungen hat; ſo etwan in der erſten Helfte des 14 Jahrhunderts geſchehen
ſeyn duͤrfte: indeſſen iſts dieſer Muthmaſſung nicht entgegen, wenn man auch 2 Schloͤſſer gleiches Na-
mens anuimt, davon das eine vorne an Oeſel, das andre auf der Mitten der Jnſel gelegen.
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[211/0243] von 1225 bis 1226. zu ſtreiten an. Die Daͤnen pluͤnderten und ſengten in Rotalien, entfuͤhrten viel Beute, denen aber die Knechte des Meiſters nachſetzten, ihrer funfzig nieder- machten und funfzig von ihnen im Schloſſe Majanpata belagerten. Doch nach drey Tagen jammerte ſie derſelben, weil ſie Chriſten waren und lieſſen ſie frey. Der Geſandte ſchickte auch viel Deutſche nach Wirland dieſem Johan- nes ſo wol gegen die Wuth der Daͤnen, als der Oeſeler beyzuſtehen. Die Rigiſchen aber, die von den Oeſelſchen Feindſeligkeiten vernahmen, ſchickten Boten und machten mit den Daͤnen Friede, damit ſie die Oeſeler deſto ſtaͤrker uͤberziehen, und den Glauben unter den Heiden ausbreiten moͤchten. 1225 §. 3. Wie nun das Feſt der Geburt und Erſcheinung Chriſti vorbey war: be- deckte der Schnee das Land und Eis die See; weil die Flaͤche der offenbaren See zufrieret, und die Gewaͤſſer in Liefland zu Eis und ſo hart werden, wie Steine, und iſt der Weg uͤber Waſſer beſſer als zu Lande. So bald nun die See trug, kuͤndigten die Rigiſchen gleich den Feldzug an; weil ſie mit der Beſprengung ihrer heiligen Taufe die Heiden auf Oeſel, ſo auf einer Jnſel im Meer wohn- ten, bewaͤſſern wolten, beſtelten auch alle an den Fluß, ſo der Mutterbach genant wird. Nach Fabian Sebaſtian aber kamen alle Deutſche, Rigiſche, Liven, Letten und Eſthen, aus allen ihren Provinzen, und zogen dem Hoch- wuͤrdigen Herrn Biſchof von Liefland nach. Bey ihm war der Biſchof von Semgallen und der Meiſter Volquin mit ſeinen Bruͤdern und Pilgern, die ihre Speiſe und Ruͤſtung mit ſich nahmen. Nachdem ſie nun die Meſſe gehalten, ſo wanderten ſie auf dem Eiſe nach Oeſel. Denn die Armee war groß und ſtark, und beſtand bey nahe aus zwanzig tauſend Mann. Sie waren alle in beſondere Haufen getheilet, deren jeder mit ſeiner eignen Fahne anzog. Sie betraten alſo mit ihren Pferden und Wagen das Eis des Meers, und machten ein Gepraſſel wie ein ſtarker Donner, durch das Anſtoſſen ihrer Waffen, und durch das Raſ- ſeln und Fahren der Wagen, durch das Getoͤſe von Mann und Pferden, die hier und da auf dem Eiſe bald fielen, bald wieder aufſtunden; weil das Eis glat war, wie ein Spiegel, von dem mit Suͤdwinde gefallenen Regenwaſſer, ſo damals Auf- waſſer machte, und durch die darauf erfolgte Kaͤlte glateiſte. Alſo zogen ſie mit groſſer Bemuͤhung und Arbeit uͤber die See, bis ſie mit Freuden an das Ufer von Oeſel anlangten *). §. 4. Wie ſie nun den neunten Tag das Schloß Mone b⁾ erreichten, nahmen ſie den Vorſatz, nur eine Nacht da auszuruhen, und hatten ein Scharmuͤtzel mit de- nen vom Schloſſe. Dieſe aber furchten ſich vor dem nahen Kriege, und den Wurf- pfeilen *) Da unſer Verfaſſer den Feldzug nach Oeſel uͤbers Eis ſo pathetiſch beſchreibet, ſo iſt dieſe Stelle einer kleinen Anmerkung werth. Die umſtaͤndliche Nachricht weiſets aus, daß er in Perſon dabey geweſen, und ihm, als einem einheimiſchen Letten, die Lage des Landes nicht unbekant ſeyn koͤnnen. Dieſer Zug ging uͤber den groſſen Sund, deſſen Breite 2 Meilen iſt. Geſetzt nun, der Verfaſſer nehme hier Oeſel im weitlaͤufigen Verſtande, und ſehe die Jnſel Moon als einen Theil davon an, ſo komt doch noch der kleine Sund, von einer halben Meile, auf dem noch Abentheuer gnug haben vorfallen koͤnnen; von denen doch der Auctor mit keiner Sylbe gedenkt. Zwar meldet die unten angebrachte Urkunde, wenn man der zwiefachen Ordnung nachgehen wil, daß zwiſchen Carmel und Wolde ein Moon gelegen; dabey aber noch die Frage iſt, ob die Erzaͤhlung eben nach der Nachbarſchaft der Oer- ter, oder nach der Groͤſſe und Fruchtbarkeit der Felder eingerichtet ſey, wie denn das Loos ſelbſt zeiget, daß es mehr dem Range und der Nothdurft, als dem Gluͤcke nach ausgefallen; da zumal von dem auf Oeſel gelegenen Schloß Mone keine Spur und kein Andenken uͤbrig iſt. Man kan ſich hier nicht anders helfen, als entweder einen ſichtlichen Zeugen der Unwiſſenheit beſchuldigen, oder aber zu- geben, daß die Jnſel Moon, deren Meerenge ſchmal und ſeichte iſt, damals noch mit dem veſten Lande zuſammen gehangen, und erſt alsdenn durch diejenige Seeerſchuͤtterung abgeriſſen ſey, welche der beruͤhmten Stadt Wisby ein gutes Theil ihrer Groͤſſe und denen andern Jnſeln an der Oſtſee Staͤdte und Felder verſchlungen hat; ſo etwan in der erſten Helfte des 14 Jahrhunderts geſchehen ſeyn duͤrfte: indeſſen iſts dieſer Muthmaſſung nicht entgegen, wenn man auch 2 Schloͤſſer gleiches Na- mens anuimt, davon das eine vorne an Oeſel, das andre auf der Mitten der Jnſel gelegen. G g g 2

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/243>, abgerufen am 26.04.2024.