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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Lebens-Mahlzeit.
Das zehende Capitel.
Von den Gebrechen des Glaubens, wo sie herkommen, und wie sie
sich erweisen: Auch wo die wahre Glückseeligkeit zu finden seye.

§. 1. Zur Bestraffung: Ach unser Hertz stecket voll Betrie-Den mei-
sten ist die
Natur des
Glaubens
unbekannt.

gereyen, wir geben nicht recht acht drauf, wo wir irre gehen und
abweichen vom schmalen Weg unserer Seeligkeit, ich halte unser
gröste Jrrthum und Fehler seye, daß wir nicht einmahlen die wah-
re eigentliche Natur des Glaubens kennen und ist leyder! der Glaub
in wenig Hertzen, ja so einige etwas Glaubens haben, so ists sehr
schwach, wie ein glimmend Töchtlein, das jeden Augenblick auslö-
schen will.

§. 2. Ey so merckets dann heute, daß die Blödigkeit unsers kran-Die Blö-
digkeit un-
sers kran-
cken Glau-
bens kommt
daher,
weilen
wir uns
selbsten
nicht ver-
laugnen.

cken Glaubens daher komme, daß wir uns selbst entweder gar nicht,
oder nur zum Theil verlaugnen wollen, ja auch, darinn wir uns in
etwas verlaugnen, behalten wir uns noch so vieles vor, und nehmen
es von der Absterbung aus, zum Exempel. Welche mit einem Hi-
stori-Glauben zufrieden sind, gedencken gar an keine Verläugnung,
zumahlen sie nicht begreiffen können, daß der wahre Glaub solch un-
aussprechliche Vergnügen an Christo habe, daß er nichts behalten
möge als JEsum allein, gegen dessen Liebe und Treue ihme alles
eckel wird andere, die sich einbilden, sie verstehen ihre Religion,
und seyen der Sache gründlich wohl berichtet, die meinen, es seye
schon genug den rechtfertigenden Glauben zu haben, wann einer
seiner eigenen Gerechtigkeit absage, immittelst sie Weißheit und
Krafft das Gute zu würcken bey ihnen selbst suchen; Sehet ihr nicht,
daß solche den seeligmachenden Glauben nicht haben, dann dieser
macht in Christo und durch Christum JEsum erleuchtet und heilig
eben so wohl als gerecht; diese betrogene Seelen wünschen, daß ih-
nen GOtt Vergebung und Kindschafft in Christo schencke, aber sie
wollen die Sünd nicht verabscheuen, meiden und ausrotten, oder
sie verlassen sich auf sich selbst und nehmen ihnen vor die Sünd nach
Belieben zu tilgen, wanns ihnen etwa besser gelegen seye: Wiede-
rum andere halten darvor, ja es seye gantz recht, man müsse zu
Christo gehen, nicht nur der Sünden-Straffen zu entgehen, son-

dern
T t t t t t
Lebens-Mahlzeit.
Das zehende Capitel.
Von den Gebrechen des Glaubens, wo ſie herkommen, und wie ſie
ſich erweiſen: Auch wo die wahre Gluͤckſeeligkeit zu finden ſeye.

§. 1. Zur Beſtraffung: Ach unſer Hertz ſtecket voll Betrie-Den mei-
ſten iſt die
Natuꝛ des
Glaubens
unbekañt.

gereyen, wir geben nicht recht acht drauf, wo wir irre gehen und
abweichen vom ſchmalen Weg unſerer Seeligkeit, ich halte unſer
groͤſte Jrrthum und Fehler ſeye, daß wir nicht einmahlen die wah-
re eigentliche Natur des Glaubens kennen und iſt leyder! der Glaub
in wenig Hertzen, ja ſo einige etwas Glaubens haben, ſo iſts ſehr
ſchwach, wie ein glimmend Toͤchtlein, das jeden Augenblick ausloͤ-
ſchen will.

§. 2. Ey ſo merckets dann heute, daß die Bloͤdigkeit unſers kran-Die Bloͤ-
digkeit un-
ſers kran-
cken Glau-
bens kom̃t
daher,
weilen
wir uns
ſelbſten
nicht ver-
laugnen.

cken Glaubens daher komme, daß wir uns ſelbſt entweder gar nicht,
oder nur zum Theil verlaugnen wollen, ja auch, darinn wir uns in
etwas verlaugnen, behalten wir uns noch ſo vieles vor, und nehmen
es von der Abſterbung aus, zum Exempel. Welche mit einem Hi-
ſtori-Glauben zufrieden ſind, gedencken gar an keine Verlaͤugnung,
zumahlen ſie nicht begreiffen koͤnnen, daß der wahre Glaub ſolch un-
ausſprechliche Vergnuͤgen an Chriſto habe, daß er nichts behalten
moͤge als JEſum allein, gegen deſſen Liebe und Treue ihme alles
eckel wird andere, die ſich einbilden, ſie verſtehen ihre Religion,
und ſeyen der Sache gruͤndlich wohl berichtet, die meinen, es ſeye
ſchon genug den rechtfertigenden Glauben zu haben, wann einer
ſeiner eigenen Gerechtigkeit abſage, immittelſt ſie Weißheit und
Krafft das Gute zu wuͤrcken bey ihnen ſelbſt ſuchen; Sehet ihr nicht,
daß ſolche den ſeeligmachenden Glauben nicht haben, dann dieſer
macht in Chriſto und durch Chriſtum JEſum erleuchtet und heilig
eben ſo wohl als gerecht; dieſe betrogene Seelen wuͤnſchen, daß ih-
nen GOtt Vergebung und Kindſchafft in Chriſto ſchencke, aber ſie
wollen die Suͤnd nicht verabſcheuen, meiden und ausrotten, oder
ſie verlaſſen ſich auf ſich ſelbſt und nehmen ihnen vor die Suͤnd nach
Belieben zu tilgen, wanns ihnen etwa beſſer gelegen ſeye: Wiede-
rum andere halten darvor, ja es ſeye gantz recht, man muͤſſe zu
Chriſto gehen, nicht nur der Suͤnden-Straffen zu entgehen, ſon-

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1065. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1161>, abgerufen am 26.04.2024.