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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Gedancken von den Seelen-Aengsten.
grimmter Bär auf dich zurennt, da wirds recht offenbar, ob du un-
gezweiffelt glaubest, JEsus habe sie gecreutzigt, getödtet und begraben,
es sey ein erschlagener Feind, den JEsus ausgetilget habe: Speyet
Satan Feuer wider dich und verklagt dein gantz Leben im Gewissen
und fordert dich zur Straff, da zeigts sich, wie fein du die Sprüche
für wahr haltest. Col. II. 14. 15. Joh. XIV. 30. Hebr. II. 14. 15. Sum-
ma es muß ein jeder Streiter Christi für sich ins besonder erfahren,
wie böß, starck und menschlicher Natur unüberwindlich die Feinde sei-
ner Seeligkeit seyen und wie gewaltig Christus sey in gleicher Maje-
stät, Krafft und Herrlichkeit mit dem Vatter. Du hasts alsdann aus
der Erfahrung, dein JEsus müsse wahrer, ewiger GOtt seyn, der
allein so mächtige Feinde unter seine Füsse werffen und bekehrten Sün-
dern zu zertretten übergeben könne: Also lehret Anfechtung aufs Wort
mercken, nachdem man mit Sünde, Tod und Hölle in Haren gelegen
und sich weidlich mit ihnen zerzauset hat, dabey auch verspüret, was
der zur Rechten GOttes in allerhöchster Gewalt seines Reichs sitzende
vermöge, thue und ausrichte; es müssen nicht schlechte, magere Hümp-
ler seyn, die dich deines HErren JEsu wegen, weil du mit ihm Freund
worden bist, exerciren, sonst wäre die Ehre nicht groß, die ein solcher,
wie JEsus ist, an ihnen einlegte, daher wundert mich nicht, daß dein
armes Hertz so vor diesen Feinden zittert und zaget und behend zu JE-
su fliehet; Anfechtung beleuchtet alles, was man zuvor nicht so helle,
tieff und distinct einsahe.

Schließlich lernt ein jeder Himmels-Burger allerdings aus seiner
eigenen Erfahrung das süsse, seelige Wohl, so allein in Christo, ja
gar allein und sonst nirgends ist; dagegen auch das bittere Wehe, so
in der Sünd, in sich selber, ja in seinem Besten ist, daß er immer
an oder in sich haben mag.

Das dritte Capitel.
Wie man sich in diesen Aengsten gegen GOtt, gegen sich selbst; und
den Neben-Menschen zu verhalten babe.
Das Ver-
halten ge-
gen GOtt
ist: daß
man nicht
gegen sei-
ne Züchti-
gungen
murre.

§. 1. Fr. Wie ist sich denn dabey zu verhalten gegen GOTT?

Antw. (1.) Weilen GOtt der HErr die Aengsten zulässet, mäßiget
und regieret, nach seinem allweisen Willen, zu unserem vielfältigen Be-
sten, so sollen wir dawider nicht murren, sondern GOttes Gerechtig-
keit preisen, der einmahl das Böse von seinen lieben Kindern will ab-
gekratzet und abgerieben wissen, und dazu die höllischen Angst-Geister

brau-

Gedancken von den Seelen-Aengſten.
grimmter Baͤr auf dich zurennt, da wirds recht offenbar, ob du un-
gezweiffelt glaubeſt, JEſus habe ſie gecreutzigt, getoͤdtet und begraben,
es ſey ein erſchlagener Feind, den JEſus ausgetilget habe: Speyet
Satan Feuer wider dich und verklagt dein gantz Leben im Gewiſſen
und fordert dich zur Straff, da zeigts ſich, wie fein du die Spruͤche
fuͤr wahr halteſt. Col. II. 14. 15. Joh. XIV. 30. Hebr. II. 14. 15. Sum-
ma es muß ein jeder Streiter Chriſti fuͤr ſich ins beſonder erfahren,
wie boͤß, ſtarck und menſchlicher Natur unuͤberwindlich die Feinde ſei-
ner Seeligkeit ſeyen und wie gewaltig Chriſtus ſey in gleicher Maje-
ſtaͤt, Krafft und Herrlichkeit mit dem Vatter. Du haſts alsdann aus
der Erfahrung, dein JEſus muͤſſe wahrer, ewiger GOtt ſeyn, der
allein ſo maͤchtige Feinde unter ſeine Fuͤſſe werffen und bekehrten Suͤn-
dern zu zertretten uͤbergeben koͤnne: Alſo lehret Anfechtung aufs Wort
mercken, nachdem man mit Suͤnde, Tod und Hoͤlle in Haren gelegen
und ſich weidlich mit ihnen zerzauſet hat, dabey auch verſpuͤret, was
der zur Rechten GOttes in allerhoͤchſter Gewalt ſeines Reichs ſitzende
vermoͤge, thue und ausrichte; es muͤſſen nicht ſchlechte, magere Huͤmp-
ler ſeyn, die dich deines HErren JEſu wegen, weil du mit ihm Freund
worden biſt, exerciren, ſonſt waͤre die Ehre nicht groß, die ein ſolcher,
wie JEſus iſt, an ihnen einlegte, daher wundert mich nicht, daß dein
armes Hertz ſo vor dieſen Feinden zittert und zaget und behend zu JE-
ſu fliehet; Anfechtung beleuchtet alles, was man zuvor nicht ſo helle,
tieff und diſtinct einſahe.

Schließlich lernt ein jeder Himmels-Burger allerdings aus ſeiner
eigenen Erfahrung das ſuͤſſe, ſeelige Wohl, ſo allein in Chriſto, ja
gar allein und ſonſt nirgends iſt; dagegen auch das bittere Wehe, ſo
in der Suͤnd, in ſich ſelber, ja in ſeinem Beſten iſt, daß er immer
an oder in ſich haben mag.

Das dritte Capitel.
Wie man ſich in dieſen Aengſten gegen GOtt, gegen ſich ſelbſt; und
den Neben-Menſchen zu verhalten babe.
Das Ver-
halten ge-
gen GOtt
iſt: daß
man nicht
gegen ſei-
ne Zuͤchti-
gungen
murre.

§. 1. Fr. Wie iſt ſich denn dabey zu verhalten gegen GOTT?

Antw. (1.) Weilen GOtt der HErr die Aengſten zulaͤſſet, maͤßiget
und regieret, nach ſeinem allweiſen Willen, zu unſerem vielfaͤltigen Be-
ſten, ſo ſollen wir dawider nicht murren, ſondern GOttes Gerechtig-
keit preiſen, der einmahl das Boͤſe von ſeinen lieben Kindern will ab-
gekratzet und abgerieben wiſſen, und dazu die hoͤlliſchen Angſt-Geiſter

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[510/0606] Gedancken von den Seelen-Aengſten. grimmter Baͤr auf dich zurennt, da wirds recht offenbar, ob du un- gezweiffelt glaubeſt, JEſus habe ſie gecreutzigt, getoͤdtet und begraben, es ſey ein erſchlagener Feind, den JEſus ausgetilget habe: Speyet Satan Feuer wider dich und verklagt dein gantz Leben im Gewiſſen und fordert dich zur Straff, da zeigts ſich, wie fein du die Spruͤche fuͤr wahr halteſt. Col. II. 14. 15. Joh. XIV. 30. Hebr. II. 14. 15. Sum- ma es muß ein jeder Streiter Chriſti fuͤr ſich ins beſonder erfahren, wie boͤß, ſtarck und menſchlicher Natur unuͤberwindlich die Feinde ſei- ner Seeligkeit ſeyen und wie gewaltig Chriſtus ſey in gleicher Maje- ſtaͤt, Krafft und Herrlichkeit mit dem Vatter. Du haſts alsdann aus der Erfahrung, dein JEſus muͤſſe wahrer, ewiger GOtt ſeyn, der allein ſo maͤchtige Feinde unter ſeine Fuͤſſe werffen und bekehrten Suͤn- dern zu zertretten uͤbergeben koͤnne: Alſo lehret Anfechtung aufs Wort mercken, nachdem man mit Suͤnde, Tod und Hoͤlle in Haren gelegen und ſich weidlich mit ihnen zerzauſet hat, dabey auch verſpuͤret, was der zur Rechten GOttes in allerhoͤchſter Gewalt ſeines Reichs ſitzende vermoͤge, thue und ausrichte; es muͤſſen nicht ſchlechte, magere Huͤmp- ler ſeyn, die dich deines HErren JEſu wegen, weil du mit ihm Freund worden biſt, exerciren, ſonſt waͤre die Ehre nicht groß, die ein ſolcher, wie JEſus iſt, an ihnen einlegte, daher wundert mich nicht, daß dein armes Hertz ſo vor dieſen Feinden zittert und zaget und behend zu JE- ſu fliehet; Anfechtung beleuchtet alles, was man zuvor nicht ſo helle, tieff und diſtinct einſahe. Schließlich lernt ein jeder Himmels-Burger allerdings aus ſeiner eigenen Erfahrung das ſuͤſſe, ſeelige Wohl, ſo allein in Chriſto, ja gar allein und ſonſt nirgends iſt; dagegen auch das bittere Wehe, ſo in der Suͤnd, in ſich ſelber, ja in ſeinem Beſten iſt, daß er immer an oder in ſich haben mag. Das dritte Capitel. Wie man ſich in dieſen Aengſten gegen GOtt, gegen ſich ſelbſt; und den Neben-Menſchen zu verhalten babe. §. 1. Fr. Wie iſt ſich denn dabey zu verhalten gegen GOTT? Antw. (1.) Weilen GOtt der HErr die Aengſten zulaͤſſet, maͤßiget und regieret, nach ſeinem allweiſen Willen, zu unſerem vielfaͤltigen Be- ſten, ſo ſollen wir dawider nicht murren, ſondern GOttes Gerechtig- keit preiſen, der einmahl das Boͤſe von ſeinen lieben Kindern will ab- gekratzet und abgerieben wiſſen, und dazu die hoͤlliſchen Angſt-Geiſter brau-

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/606>, abgerufen am 26.04.2024.